Kassenärzliche Vereinigungen und Berufsverbände aus ganz Deutschland machen am Donnerstag in Berlin auf die drohende Notlage insbesondere im ländlichen Raum aufmerksam. Es drohe ein Praxensterben. Foto: dpa/Benjamin Ulmer
Kassenärzliche Vereinigungen und Berufsverbände aus ganz Deutschland machen am Donnerstag in Berlin auf die drohende Notlage insbesondere im ländlichen Raum aufmerksam. Es drohe ein Praxensterben. Foto: dpa/Benjamin Ulmer
Mehr Geld, weniger Bürokratie

Verbände warnen vor Praxensterben: So sieht die Situation im Kreis Cuxhaven aus

von Maren Reese-Winne | 16.08.2023

Viele Einwohner des Cuxlands fragen sich schon jetzt, wo die flächendeckende Versorgung geblieben ist, wenn sie vor den Praxen Schlange stehen. Ärzteverbände fordern schnelles Handeln, damit sich überhaupt noch Nachwuchs niederlässt.

Viele Patientinnen und Patienten im Cuxland fürchten schon die Zeit, wenn auch ihr Hausarzt oder ihre Hausärztin in Rente gehen. Vom vergeblichen Bitten um zeitnahe Termine in vielen Facharztpraxen ganz zu schweigen. Dabei fallen die lokalen Zahlen immer noch weniger dramatisch aus als es die persönlichen Erfahrungen vermuten lassen. Es geht noch schlimmer.

Dafür wollen Vertreter der Ärzte- und Psychotherapeutenverbände aller Bundesländer am 18. August in Berlin Bewusstsein schaffen. Unter dem Motto "Praxenkollaps - Praxis weg, Gesundheit weg!" wollen sie Politik und Öffentlichkeit deutlich machen, dass die flächendeckende ambulante Versorgung in Gefahr ist.

Lieber Anstellung und Teilzeitbeschäftigung

Immer weniger Mediziner seien bereit, sich in ländlichen Gebieten niederzulassen. Sie bevorzugten Anstellung und Teilzeitbeschäftigung. Die Quote der angestellten Ärztinnen und Ärzte (4134 Personen) liege aktuell bei 24,7 Prozent aller Mitglieder und habe sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, erklärt Detlef Haffke, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). Dem gegenüber stünden landesweit 546 Niederlassungsmöglichkeiten für Hausärzte, 118,5 für Fachärzte und sieben für Psychotherapeuten.

Zu wenig Geld, zu viel Bürokratie

Aber auch der Mangel an Medizinischen Fachangestellten (MFA) sei ein Problem. Viele wanderten wegen der besseren Bezahlung in die Krankenhäuser ab. Für die Notlage gibt es nach Ansicht der Verbände viele Gründe: Unzureichende Finanzierung, Bürokratisierung, Eingriffe in die Praxisorganisation durch unausgereifte Digitalisierungsprojekte etwa. Es drohe mittelfristig ein Praxissterben.

Der Altersdurchschnitt der niedersächsischen Ärztinnen und Ärzte liege  aktuell bei 54,6 Jahren. Gesetzgeberische Rahmenbedingungen machten eine Niederlassung in Eigenverantwortung für die junge Generation immer unattraktiver. Die Verbände fordern unter anderem eine zuverlässige Finanzierung des ambulanten Bereichs, die Entbudgetierung ärztlicher Leistungen für alle Arztgruppen und eine Erhöhung der Medizinstudienplätze um zehn bis 15 Prozent.

Manche orientieren sich gleich in die Großstadt

Nun fragen sich Bürger des Cuxlands schon jetzt, wo die flächendeckende Versorgung geblieben ist. "Ich hoffe, dass ich nicht mehr krank werde und verunfalle, so lange ich hier noch wohnen muss", schrieb vor wenigen Tagen eine Neubürgerin an unsere Redaktion. Unter anderem die Odysee bei der Hausarztsuche und eine völlig schief gelaufene akute Versorgung bewegten sie zur Überlegung, ihren Traum vom Leben an der Küste aufzugeben und zurück in die Großstadt zu gehen: "Viele orientieren sich Richtung Hamburg. Die medizinische Versorgung ist dort einfach besser und schneller. Eine freie und zeitnahe Arztwahl gar kein Problem", schreibt sie.

Bereich Bremerhaven (Südkreis) ist das Sorgenkind

Bei der Betrachtung der Versorgung tut sich allerdings in der Nachbarschaft eine noch dramatischere Lage auf. Der Bereich Bremerhaven ist eines der größten Sorgenkinder in Niedersachsen. Detlef Haffke erklärt die Datenerhebung für die hausärztliche Versorgung in den vier sogenannten Mittelbereichen des Landkreises Cuxhaven:

1. Bremerhaven mit den Gemeinden Beverstedt, Hagen im Bremischen, Loxstedt und Schiffdorf: Angesichts einer Einwohnerzahl von 56.390 Personen soll ein Hausarzt 1632 Patienten versorgen (Verhältniszahl). Bei aktuell nur 23,75 Hausärzten beträgt der Versorgungsgrad 68,7 Prozent. Bis zu einer Sperrung könnten sich noch 14,5 Hausärzte niederlassen. Haffke: "Der Bereich ist unterversorgt (Versorgungsgrad von unter 75 Prozent). Die KVN fördert hier Niederlassungen mit bis zu 70.000 Euro."

2. Bremerhaven Nord mit den Gemeinden Geestland/Stadt und der Wurster Nordseeküste: Bei 48.846 Einwohnern soll ein Hausarzt 1556 Patienten versorgen. 27,5 Hausärzte  sind da (Versorgungsgrad 87,6 Prozent). Bis zur Sperrung könnten sich noch 7,5 Hausärzte niederlassen.

Ein Bereich gilt sogar als überversorgt

3. Cuxhaven mit den Gemeinden Cuxhaven, Ihlienworth, Neuenkirchen, Nordleda, Odisheim, Osterbruch,  Otterndorf,  Steinau und  Wanna, 63.927 Einwohner: Ein Hausarzt soll 1521 Patienten versorgen. 39 Hausärzte sind vorhanden (Versorgungsgrad 92,8 Prozent). Bis zur Sperrung könnten sich noch 7,5 Hausärzte niederlassen.

4. Hemmoor inklusive Armstorf, Belum, Bülkau, Cadenberge,  Hechthausen, Hemmoor, Hollnseth, Lamstedt,  Mittelstenahe, Neuhaus (Oste), Oberndorf, Osten, Stinstedt, Wingst: Bei 31.882 Einwohnern soll ein Hausarzt 1544 Patienten versorgen. Bei 24 Hausärzten liegt der Versorgungsgrad bei 120,4 Prozent. Haffke: "Der Bereich ist für Neuniederlassungen gesperrt (ab 110 Prozent Versorgungsgrad)."

Bei der fachärztlichen Versorgung erfolgt die Betrachtung kreisweit. Aktuell besteht laut Haffke im Landkreis Cuxhaven folgender Bedarf: ein Frauenarzt, ein Hautarzt, 2,5 Kinder- und Jugendärzte, zwei ärztliche Psychotherapeuten. Ob das bedeuten soll, dass in den anderen Bereichen die Versorgung optimal ist? 

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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