
Vom Krieg zum Frieden - Ingo Espenschied über die Entstehung der Europäischen Union
Ein Vortrag an der BBS Cuxhaven erinnert an die historischen Wurzeln Europas und die Bedeutung demokratischer Werte.
Von Max Martin Rahn
Am 12. September 2025 begrüßte Studiendirektorin und stellvertretende Schulleiterin Alexandra Kuck den Diplom-Politologen, Journalisten und Produzenten Ingo Espenschied an der Berufsbildenden Schule (BBS) Cuxhaven. In ihrer Ansprache vor etwa 160 Zuschauern betonte sie: "Es braucht Vergangenheit, um die Gegenwart und Zukunft zu gestalten" und unterstrich, dass "politische Themen an Schulen wichtig sind, da sie das Leben direkt betreffen". Für sie ist ein "offenes Europa" entscheidend, "um friedlich miteinander zu leben" - und politische Bildung ein zentraler Baustein für Demokratieförderung und.
Ein Experte mit internationalem Hintergrund
Espenschied hat in Mainz, an der Pariser Sorbonne und der "London School of Economics" Internationale Politik studiert. Sieben Jahre verbrachte er als junger Mann im Ausland - vier davon in Frankreich, drei in England. Eine prägende Erfahrung war das Gespräch mit seinem Großvater, der Frankreich noch als Erzfeind sah. Diese überholte Sichtweise motivierte ihn, sich für europäische Verständigung einzusetzen.
Seit 20 Jahren hält Espenschied Vorträge, rund 70 % davon an Schulen. Mit seinem 2008 entwickelten DOKULIVE-Format verbindet er sachliche Präsentationen mit Videoeinspielungen und erreicht damit jährlich tausende Menschen in mehreren Ländern.
Vom Deutsch-Französischen Krieg zur Montanunion
Sein Vortrag in Cuxhaven begann Espenschied mit einem Blick ins Jahr 1870 und dem Deutsch-Französischen Krieg. Über die Katastrophen des Ersten und Zweiten Weltkriegs - "Europa hat sich durch zwei Weltkriege selbst in den Abgrund geritten" - führte er die Zuhörer bis in die Nachkriegszeit.
Im Mittelpunkt stand Robert Schuman, der "Vater Europas". Dessen Plan: ein gemeinsamer Markt für Kohle und Stahl, um künftige Kriege zwischen Frankreich und Deutschland unmöglich zu machen. Am 18. April 1951 wurde die Montanunion gegründet - der erste Schritt zur heutigen EU. "Konflikte werden nicht mehr auf den Schlachtfeldern ausgetragen, sondern an Konferenztischen in Straßburg beigelegt", so Espenschied.
Die EU - mehr als ein Wirtschaftsprojekt
Espenschied machte deutlich, dass die EU "wichtig für unser aller Leben" sei und für "Freiheit, Wohlstand und Selbstbestimmung" stehe. Er entkräftete den Vergleich mit der Schweiz: Diese habe zwar bilaterale Abkommen, könne aber nicht mitentscheiden. Für Deutschland bringe die EU Vorteile wie weniger Bürokratie im Export, Verbraucherschutz, gemeinsame Standards - vom Energie-Label bis zum USB‑C-Anschluss - und wirtschaftliche Stärke gegenüber Handelspartnern wie den USA.
Auch alltägliche Errungenschaften wie das Ende der Roaming-Gebühren oder Austauschprogramme für über eine Million junge Menschen jährlich seien Teil des europäischen Projekts. "Alltägliches fällt nicht auf - wenn es weg wäre, dann schon", warnte er.
Herausforderungen und Appell an die Jugend
Auf die Frage nach der Zukunft Europas antwortete Espenschied, die EU werde von innen und außen bedroht - nicht nur durch Staaten wie Russland oder China, sondern auch durch demokratiefeindliche Kräfte. Die nächsten fünf Jahre seien entscheidend. "Wir müssen uns als Europäer zusammentun, um Leuten wie Donald Trump zu widerstehen", sagte er im Kontext gemeinsamer Interessen und einer zunehmend unsicheren Weltordnung.
An die Schülerinnen und Schüler gerichtet, appellierte er: "Macht bitte mit. Setzt euch dafür ein. Mit Demokratie kann man eine Menge machen."

Ein Blick über den Tellerrand
Zum Brexit berichtete ein Schüler von Visumspflichten und hohen Preisen in London. Espenschied ordnete ein: London sei ohnehin teuer, zudem litten Warenströme aus Europa. Auch die Schweiz kam zur Sprache - ein "Sonderweg", der bewusst gewählt sein müsse.
Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit
Der Vortrag endete nach einer Stunde, doch die Botschaft hallte nach: Die EU ist nicht perfekt, Reformen seien nötig - "aber sie ist auch eine Errungenschaft". Espenschied erinnerte daran, dass Demokratien nicht über Nacht verschwinden, sondern schleichend erodieren können. Deshalb gelte es, rechtzeitig zu handeln.
Die Geschichte der EU zeigt: Frieden, Freiheit und Wohlstand sind das Ergebnis harter Arbeit und gemeinsamer Werte. Diese zu bewahren, ist Aufgabe aller - gerade in einer Zeit, in der demokratische Grundprinzipien weltweit unter Druck geraten.