So wird Kirche erlebbar und erreicht Menschen: Tauffest im Oxstedter Freibad mit Achim Wolff (l.) und dem Kollegen Reinhard Stolz. Foto: Reese-Winne
So wird Kirche erlebbar und erreicht Menschen: Tauffest im Oxstedter Freibad mit Achim Wolff (l.) und dem Kollegen Reinhard Stolz. Foto: Reese-Winne
Fröhliche und schwere Zeiten

Ein Abschied mit Herz: Altenwaldes Pastor Achim Wolff blickt auf 21 Jahre zurück

von Maren Reese-Winne | 15.08.2025

"Kirche darf nahbar und menschlich sein", sagt der Altenwalder Pastor Achim Wolff, der am 23. August in den Ruhestand verabschiedet wird. Im Talar auf der Drehleiter oder auf der Wasserrutsche in Oxstedt? Für ihn kein Problem. Ein Rückblick.

Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Altenwalde ohne Pastor Achim Wolff: Viele können es sich noch nicht vorstellen, aber der Termin für die Verabschiedung in den Ruhestand steht: Am 23. August werden sich viele Wegbegleiter zusammen mit ihm, Ehefrau Ruth Braun-Wolff und den drei erwachsenen Söhnen an äußerst bewegte 21 Jahre erinnern, gemeinsam feiern und wahrscheinlich auch manche Träne vergießen.

Als der (als Doppelpack mit einem Zwillingsbruder) in Wolfburg geborene Joachim Wolff 2004 seinen Dienst in Altenwalde antrat, kam er mit einem Plan: "Ich wollte diese Kirchengemeinde zukunftsfähig machen." Schnell stellte sich heraus, wie viele Leute seine Lust darauf teilten, hier etwas zu bewegen; der eigene Kirchenvorstand vorneweg.

Gleich zu Beginn ein Schockzustand im Ort

In mehr als 20 Jahren mussten der Ort und sein Pastor ihre Standfestigkeit immer wieder unter Beweis stellen. Achim Wolff war erst wenige Wochen (zunächst als Elternzeit-Vertretung für Pastorin Christa Naatjes-Schroeter) im Amt, als am letzten Tag des Jahres 2003 ein 19-Jähriger in Altenwalde seine 16-jährige Freundin erstach und sich selbst kurz darauf das Leben nahm. Der Schockzustand im Ort wurde durch den Ansturm der Boulevardpresse noch verstärkt. 

Monate später geschah mit der Entführung und Ermordung von Levke das nächste Unfassbare. Wie die Gemeinde sich gegenseitig schützte, Andachten organisierte, füreinander da war, sei wirklich sehr besonders gewesen: "Das hat mir gezeigt, wie viel Engagement hier ist und wie die Menschen zusammenhalten", sagt der erfahrene Notfallseelsorger. Bei seiner offiziellen Amtseinführung im November 2004 würdigte Superintendentin Almuth von der Recke ausdrücklich sein Wirken: "Gott sei Dank, dass Sie da waren."

Achim Wolff vor seiner langjährigen Wirkungsstätte, dem Gemeindehaus an der Hauptstraße 81 in Altenwalde. Foto: Reese-Winne

"Lebensdienlichkeit" als Anspruch

Bei dem Bielefelder Professor Alfred Jäger (unter anderem Bethel-Sanierer) hatte Achim Wolff von dem Idealbild einer "lebensdienlichen" Kirche gehört. Das war genau seine Vorstellung. Die Frage, was die Menschen brauchen und was ihnen zum Leben dient, wurde zu seiner Richtschnur.

Als Erstes betrachtete er die Gemeindefinanzen: "Sparkurs von Anfang an", erinnert er sich. Die Sanierung des Gemeindehauses entlastete die Gemeinde auf einen Schlag von 50 Prozent der bisherigen Unterhaltungskosten und ermöglichte ihr den Aufbau von Rücklagen für künftige Investitionen: "Eine Kirchengemeinde muss schlagkräftig sein", so Achim Wolff. "Die Reserven dürfen nicht so knapp sein, dass man nichts wagen kann."  

Technik, die begeistert: So porträtierten die CN Achim Wolff im Januar 2004 an seinem Arbeitsplatz. Archivfoto: Reese-Winne

Und so konnte die Gemeinde handeln, als das Offene Herz Altenwalde, das Second-Hand-Kaufhaus oder der Mittagstreff angeschoben werden sollten. 2007 wurde die Stiftung Altenwalde mit dem Ziel gegründet, das Ehrenamt noch gezielter zu stärken und Projekte zu fördern, die Menschen in ihrer Entwicklung weiterbringen. 2008 sattelte Achim Wolff noch eine Zusatzqualifikation als Freiwilligenmanager drauf.

Seine Erfahrung als Berater für den Konfirmandenunterricht kam ihm bei der Entwicklung eines neuen Modells für Altenwalde zugute. Weil es illusorisch war, 13 Konfirmandengruppen (so groß war der Ansturm damals) gleichzeitig zu betreuen, wurde der Unterricht gebündelt und an Konfirmandentagen am Wochenende erteilt - unterstützt durch zahlreiche Mitarbeiter und Ehrenamtliche.

Fliegender Talar auf der Drehleiter und der Rutsche

Erst auf dem Lande kam das einstige Stadtkind mit einer ihm bislang unbekannten Einrichtung in Kontakt: Michael Wendt brachte ihn zur Freiwilligen Feuerwehr Deichsende, wo er sogleich Feuer fing und seine Ausbildung absolvierte. Bis heute ist er mit absoluter Begeisterung Feuerwehrmann in Altenwalde. So entstand auch die Idee, die Eröffnungsandacht beim Straßenfest vor einer Drehleiter zu halten und den Segen aus dem Korb in luftiger Höhe zu sprechen. "Für sowas bin ich ja immer zu haben", grient Achim Wolff. "Mir liegt einfach daran, die Dinge, die für die Gesellschaft wichtig sind, sichtbar zu machen."

Wie versprochen: Nach der Taufzeremonie im Oxstedter Freibad gehen auch die Pastoren zu Wasser - im Talar. Hier Achim Wolff (r.) mit dem Kollegen Reinhard Stolz. Foto: Reese-Winne
Im Oxstedter Freibad gibt es ein Tauffest mit Achim Wolff (l.) und dem Kollegen Reinhard Stolz. Foto: Reese-Winne

Die Idee für die Tauffeste im Oxstedter Freibad entstand, als er mal wieder mit seiner Lieblingskollegin Reni Kruckemeyer-Zettel Schreibtisch an Schreibtisch über tolle neue Projekte nachdachte. "Es war von Anfang an klar, dass die Pastoren am Ende zusammen mit allen Täuflingen die Wasserrutsche benutzen würden - im Talar. Und das haben wir dann auch jedes Mal so gemacht. Kirche darf nahbar, anfassbar und menschlich sein", sagt er. Liebend gern habe er auch Trauungen am Strand oder anderswo unter freiem Himmel durchgeführt, einmal sogar eine Mittelalterhochzeit.

Als die Anfrage kam, ob die in der Freien Evangelischen Gemeinde etablierte Kinderaktion "Plietsch" nicht als "Hammer-Bretterdorf" neben dem Gemeindehaus als Kooperation mit "Wir für uns in Altenwalde", dem Ortsrat und anderen fortgeführt werden könnte, habe er sofort ja gesagt. "Die Erfahrungen, die Kinder hier sammeln - Selbstwirksamkeit, Geduld, Teamarbeit, sich etwas zutrauen - sind von unschätzbarem Wert für die Entwicklung; eine irre Erfahrung übrigens auch für Erwachsene", schwärmt Achim Wolff.

"Es war gleich klar: Nichts wird hier geheim gehalten"

Das Jahr 2015 entwickelte sich zu einem der kritischsten in der Geschichte der Bundesrepublik. Als klar wurde, dass die Altenwalder Kaserne zur Unterbringung von Flüchtlingen ins Auge gefasst wurde, wurden in der Gemeinde Menschen zusammengerufen, die etwas zur Lösung beitragen konnten. Achim Wolff: "Es war gleich klar, es wird nichts verschwiegen oder geheim gehalten. Für die Behörden in Hannover war das etwas völlig Neues." Die Kreuzkirche wurde zum Forum für Bürgerveranstaltungen.

Auch zehn Jahre nach der Gründung steckt das "Offene Herz Altenwalde" voller Leben. Archivfoto: Reese-Winne

"Die Notunterkunft wurde zum Erfolgsfall für alle", so Achim Wolff. Das im Herbst 2015 gegründete "Offene Herz Altenwalde" sei bis heute der größte Anbieter von Sprachkursen in der Stadt. "Auch der Second-Hand-Laden, heute Treffpunkt und Einkaufsmöglichkeit für Leute jedweder Herkunft, ist hieraus entstanden."

Altenwalde gehe der Ruf voraus, dass soziale Probleme hier angegangen würden. Das Angebot folge den Bedürfnissen, zum Beispiel mit dem aktuellen durch das Land geförderten Programm "Gute Nachbarschaft". Für den Mittagstreff konnten Mittel aus dem LEADER-Programm der EU eingeworben werden. Wer wenig Geld habe, müsse auch weniger bezahlen: "Das hätte Herr Jesus auch nicht anders gemacht. Wenn jeder gibt, was er hat, werden alle satt."

Das seien auch die Themen, zu denen er sonntags in der Kirche predige, heruntergebrochen auf den Alltag. In Alltagsgesprächen mache er auch die Bedeutung der Kirchensteuereingänge deutlich: "Das alles würde es ohne Kirchengemeinde nicht geben, es wäre verloren für die Öffentlichkeit."

250 Namen hat die Gemeinde in ihrer Ehrenamtskartei, und wer weiß, ob nicht ein weiterer bald "Achim Wolff" lauten wird. Denn er, nebenbei auch begeisterter Fahrradfahrer, schielt schon auf künftige Betätigungsfelder. Lieblingsorte und -veranstaltungen in der Gemeinde fallen ihm genug ein: Second-Hand-Kaufhaus, Mittagstreff, Begegnungsfeste, Kindergarten.

Die Kita bedeute ihm viel, denn sie sei ein weiteres Beispiel dafür, was in Altenwalde lange vor seiner Zeit durch Zusammenhalt und Engagement verwirklicht worden sei. 100.000 DM Eigenanteil mussten durch kreative Ideen eingesammelt werden. "Diese Kita haben die Pastoren Joachim Köhler und Siegfried Bochow der Gemeinde hinterlassen."

Zehn Jahre evangelische Kindertagesstätte Altenwalde: Das Jubiläum wurde 2005 im Bürgerpark mit Margret Friedrich, Silke Karallus, Uwe Santjer, Joachim Köhler, und Joachim Wolff (v.l.) gefeiert. Archivfoto: Reese-Winne

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

(1 Stern: Nicht gut | 5 Sterne: Sehr gut)

Feedback senden

CNV-Nachrichten-Newsletter

Hier können Sie sich für unseren CNV-Newsletter mit den aktuellen und wichtigsten Nachrichten aus der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven anmelden.

Die wichtigsten Meldungen aktuell


Bild von Maren Reese-Winne
Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

Lesen Sie auch...
"Massiver Widerstand"

Polizeieinsatz bei Straßenfest in Altenwalde: Aggressiver Störer zu Boden gebracht

von Redaktion

Flohmarktstände, Showeinlagen und viel Familienspaß prägten am Sonntag das Straßenfest in Altenwalde. Zwischen Musik und guter Laune kam es am Rande jedoch zu einer unschönen Situation, bei der die Polizei einschreiten musste.

Blutspenden und Seniorenarbeit

75 Jahre DRK Altenwalde: Engagement und Ehrungen im Fokus

Das Jubiläum des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Altenwalde zeigt die unermüdliche Hingabe der Ehrenamtlichen. Von Blutspenden bis Seniorenarbeit wird ein Rückblick auf die Geschichte und die Menschen, die das Vereins-Fundament bilden, geworfen.

Nächtlicher Einsatz

Auf frischer Tat ertappt: Zwei Männer nach Einbruch in Cuxhaven-Altenwalde in Haft

von Redaktion

Ein Einfamilienhaus in Franzenburg wurde Ziel eines Einbruchs. Ein aufmerksamer Zeuge beobachtete verdächtige Vorgänge und verständigte die Polizei. Wie die Polizei Cuxhaven mitteilt, gerieten daraufhin zwei Männer ins Visier der Ermittler.