
Weltliteratur und Blockbuster in Cuxhaven "op Platt" bravourös dargebracht
Schon zum sechsten Mal lasen am Gründonnerstag Darstellerinnen und Darsteller der Döser Speeldeel Klassiker der Weltliteratur auf Plattdeutsch. Aber mit purem Vorlesen war es nicht getan. Von einem ganz besonderen Abend im Schloss Ritzebüttel.
Manchmal erfüllte Hufgetrappel oder Wolfsgeheul den Saal im Schloss Ritzebüttel, dann erklangen für Sekunden weltbekannte, mit ganz bestimmten Erinnerungen verbundene Filmmelodien - schließlich hatte Initiator Reiner Frericks für dieses Mal das Motto "Vom Bestseller zum Blockbuster" ausgerufen. Ein schönes Spielfeld für Frank Siemer-Bosecker, der für die Toneffekte zuständig war.
Das Motto erlaubte es, auf einladende Weise einen Bogen in die Neuzeit zu schlagen, denn viele der Klassiker haben es über Jahrzehnte in zahlreichen Neuauflagen in die Kinos - oder heutzutage eben auch auf die Streaming-Plattform Netflix - gebracht. Die Anwesenden erwartete am Ende jeder vorgelesenen Passage ein kleiner Service-Teil mit Auskunft über die daraus entstandenen Produktionen und deren Erfolge.
Reiner Frericks hatte das erste Mal im Zuschauerraum Platz genommen, als die Mitwirkenden zu Musikbegleitung den Saal betraten und ihre einzeln beleuchteten Leseplätze an den schnurgerade aufgereihten Tischen einnahmen. Zufall oder nicht - vor dem Schloss leuchteten währenddessen die Stiefmütterchen im großen Beet in den Speeldeel-Farben violett und gelb.
Dramatik, Gänsehaut und Überraschungseier
Moderation und Begrüßung übernahm Volker Kästner als neuer Leiter der Lesereihe. Sein Versprechen - "Dramatik, Gänsehaut und viele Überraschungseier für das Osternest" - erfüllten die Mitglieder des Ensembles Irene Oeltermann, Janin Bosecker, Andrea Hinke, Bärbel Brandt, Gerhard Bucka, Ingrid Ortmann, Marion Schossig, August Soennichsen und er sogleich.

Das Publikum - in den allermeisten Fällen ohnehin vertraut mit dem Plattdeutschen - konnte sich schnell auf die verschiedenen Sprechweisen einstellen, sodass sich bis zu der abschließenden Passage aus Erich Maria Remarques Meisterwerk "Im Westen nichts Neues" beim Zuhören und Verstehen immer mehr Selbstverständnis eingestellt hatte. Die Schlussbotschaft war die Erinnerung daran, wie sinnlos jeder Krieg ist, "aber de Menschen, de begriep dat nich."
Dazwischen hatte es Tragisches und Lustiges zu hören gegeben, zum Beispiel aus John Steinbecks "Von Mäusen und Menschen" und Ernest Hemingways "Wem die Stunde schlägt" oder Herzerwärmendes aus den "Abenteuern des Huckleberry Finn" (Mark Twain) und (sogar mit Tiergeräuschen) Rudyard Kiplings "Dschungelbuch", dem Werk, dem die Nobelpreis-Jury 1907 bescheinigte, dass die Menschen hiermit erstmals angefangen hätten, die Tiere mit ihren Seelen zu verstehen.
Zehn Minuten für 1100 Seiten "Buddenbrooks"
Unnachahmlich: der Zehn-Minuten-Ritt durch Thomas Manns "Buddenbrooks" als Klassiker der Weltliteratur "to go" ("Dafür braucht man doch keine 1100 Seiten"). Die Zuhörer schienen jedenfalls nichts zu vermissen, während Bärbel Brandt angesichts der Anzahl der bisherigen Verfilmungen feststellte: "Die Buddenbrooks haben immer Konjunktur."

Mit jeweils einem Witz aus der Welt des Films und vielen Inspirationen für einen ausgedehnten Lese- oder Filmabend entließ das Ensemble seine Gäste in die Feiertage. Der größte Dank galt natürlich Reiner Frericks, ohne dessen umfassende Übersetzungsarbeit es zu dieser Reihe überhaupt nicht gekommen wäre. Er kündigte - so der "große Regisseur von oben" mitspiele - für das kommende Jahr eine Neuauflage an, natürlich wieder am Gründonnerstag. Dabei soll es um nicht weniger als die großen Themen des Lebens Liebe, Lust und Leidenschaft gehen.