Glücklich nach der Premiere: Das Schauspielerensemble aus dem Stück "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl". Vorn die Hauptdarsteller Basra, Jaizy, Julie-Marie, Max und Josie (v.l.). Foto: Reese-Winne
Glücklich nach der Premiere: Das Schauspielerensemble aus dem Stück "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl". Vorn die Hauptdarsteller Basra, Jaizy, Julie-Marie, Max und Josie (v.l.). Foto: Reese-Winne
Über Klassengrenzen hinweg

Wie ein Theaterprojekt Jugendliche aus Cuxhaven über sich hinauswachsen lässt

von Maren Reese-Winne | 27.05.2025

Nach den ersten Momenten ließ das Zittern nach: Mit viel Mut und Fleiß brachten drei Klassen der Oberschule Cuxhaven-Mitte mit dem Jugendbuchklassiker "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" ein (wieder) hochaktuelles Thema auf die Bühne.

Während einer Projektwoche nach Ostern wuchsen drei Klassen der Oberschule Cuxhaven-Mitte auf eine Weise zusammen, wie ihre Lehrkräfte es noch nicht erlebt hatten. Das Ergebnis - eine Aufführung des Kinderbuchklassikers "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" als szenisches Theaterstück mit Musik - riss am Montag bei der Premiere das Publikum von den Sitzen. 

Vom ersten Moment an wurde im Saal der Freien Evangelischen Gemeinde der Bezug in die Gegenwart mit der Schilderung einer Mitschülerin über ihre eigene Flucht aus der Ukraine im August 2022 greifbar.

Zurück ins Berlin des Jahres 1933

Dann wurden die Zuschauer in die Zeit versetzt, in der Autorin Judith Kerr die Erinnerungen ihrer Hauptperson Anna - die in Wirklichkeit sie selbst ist - beginnen lässt: Berlin, Februar 1933. Der neunjährigen Anna und ihrem älteren Bruder Max bleibt die aufgeheizte politische Stimmung kurz nach der Machtergreifung Hitlers nicht verborgen. Als ihr Vater, der berühmte Schriftsteller und Journalist Alfred Kerr, unvermittelt fort ist und sie bald darauf ebenfalls in die Schweiz flüchten müssen, sind sie plötzlich ein Teil davon. Obwohl nicht religiös, wird ihre jüdische Herkunft nun zu einer Bedrohung.

Für alle eine Schauspielpremiere

Plötzlich Flüchtling zu sein, Besitz zurückzulassen - auch das geliebte rosa Plüschkaninchen und die Spielesammlung -, arm zu sein, skeptisch betrachtet zu werden und schließlich wieder weiterreisen zu müssen an unbekannte Orte mit einer unbekannten Sprache - all das brachten die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler aus den Klassen 9a, 9 c und 8 b, obwohl es für alle eine Schauspielpremiere war, anrührend und einfühlsam auf die Bühne.

Gänsehaut und Taschentuch

Dabei hatten sie erst am selben Morgen den ersten Generaldurchlauf des Stücks gespielt; im übrigen ohne jedes Eingreifen, wie ihre stolzen Klassenlehrerinnen Anne Gerlach, Kirsten Bührig und Carolin Jeß bemerkten. "Die Gänsehaut und das Taschentuch waren da", verrät Carolin Jeß.

Plötzlich mit der Rolle zusammengewachsen

Vor dem vollen Saal am Abend habe sie in den ersten Momenten noch gezittert, berichtet Hauptdarstellerin Julie-Marie Herz, doch dann habe sie sich plötzlich wirklich wie Anna und nicht mehr als Julie gefühlt. Zusammen mit Max Wilke in der Rolle von Annas Bruder Max, Basra Abdullahi Osman (als einzige aus der Klasse 7b) als Mutter und Jaizy Hoza als Vater (aus Ruanda erst vor einem Jahr an die Schule gekommen) hatte sie die meisten Textpassagen zu lernen und auch diverse Szenenwechsel zu überstehen. Eine Fleißarbeit, die aber auch sehr viel Spaß gemacht habe, wie Julie und Max erzählen.

Erleichtertes Lächeln im aufbrandenden Beifall. Foto: Reese-Winne

In der Gemeinschaft zählen alle Mitwirkenden

Doch zum Gesamtbild zählten noch viel mehr Mitwirkende: Zum Beispiel als Schauspieler in den Rollen von "Onkel Julius", Freundin, Französischlehrerin, Verkäufer, Vermieterin oder Nazi-Streife (auch ohne Hakenkreuze beklemmend) oder als Gestalterinnen oder Gestalter der Bühnendekoration. Vor allem Valentin Kopotilov und Melissa de Jesus Ribeiro brachten sich über die Maßen bei der künstlerischen Gestaltung ein. Nicht zu vergessen: Josie Lützler, die mit dem fein gesungenen Titel "Irgendwo auf der Welt gibt's ein kleines bisschen Glück" - das erste Mal live am Klavier begleitet - das Stück auf wunderbare Weise umrahmte und immer wieder mit Zwischenrufen Artikel des Grundgesetzes in den Raum rief und damit wiederum die Verbindung zur Gegenwart herstellte. Eine Rolle, die ihr als Mitglied des Jugendbeirats ganz bewusst zugedacht worden war.

Doch auch diejenigen, die hinter den Kulissen organisierten, dokumentierten oder für das Catering sorgten, waren ein Teil des Gesamtwerks, das am Tag danach von den Jahrgängen 7 bis 10 (und einer 6. Klasse) abermals gefeiert wurde. Eine Form der Schule, die, wenn es nach den Beteiligten ginge, direkt so weitergehen könnte. Auch, wenn zu den Vorbereitungen natürlich die Lektüre des Buchs ebenso wie weitere Unterrichtseinheiten dazu in mehreren Fächern gezählt hatten.

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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