Handwerk statt Studium: Wie ein junger Raumausstatter in Cuxhaven seine Berufung fand
Abitur in der Tasche, Studium eine Option - entschieden hat er sich fürs Handwerk: Timo Hogrefe aus Wanna arbeitet als Raumausstatter in Cuxhaven und wurde ausgezeichnet. Sein Werdegang zeigt schon lange, wie gut dieser Beruf zu ihm passt.
Wenn Timo Hogrefe heute einen Raum betritt, sieht er mehr als Möbel, Farben und Stoffe. Er sieht Möglichkeiten: wie Linien zusammenlaufen könnten, wo ein warmer Ton den Raum öffnet oder ein bestimmter Stoff Ruhe in den Raum bringt. Diese Art, Räume zu betrachten, begleitet den 22-Jährigen aus Wanna schon lange - nur war ihm früher nicht klar, dass daraus einmal sein Beruf werden würde.
Hogrefe arbeitet als Raumausstatter bei der Firma Wohltmann, einem kleinen Betrieb, in dem er vom ersten Kundenkontakt über das Aufmaß bis hin zu Polsterarbeiten, Bodenverlegung und Montage alles mitbekommt. Kürzlich wurde er von der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade ausgezeichnet, weil er in seiner Abschlussprüfung besonders überzeugte.
Schon frühe Spuren im Kinderzimmer
Aufgewachsen im Cuxland, ging er in Otterndorf aufs Gymnasium. Einen klaren Berufswunsch hatte er damals nicht, aber eine Konstante zog sich durch: Räume haben ihn interessiert. Wie ist etwas eingerichtet, warum wirkt ein Zimmer stimmig? Schon mit Lego baute er nicht nur Häuser, sondern richtete sie ein. "Ich habe immer schon irgendwie mit Architektur gespielt", sagt er. Im Kunst-Leistungskurs kritzelte er nebenbei Grundrisse und Formen, zu Hause schraubte und bastelte er mit seinem Vater in der Garage. Gestaltung und handfeste Arbeit lagen bei ihm schon früh dicht beieinander.
Als das Abitur näher rückte, stand Innenarchitektur als Studienidee im Raum, fühlte sich aber zu theoretisch an. Vor allem wusste er nicht, wo er Design und Handwerk wirklich verbinden könnte. Die Antwort kam zufällig: Bei einem Spaziergang im Cuxhavener Lotsenviertel entdeckte er einen Firmenwagen von Wohltmann Raumausstattung. "Da hat es sofort Klick gemacht", erinnert er sich. Er fragte im Betrieb an, machte ein Probearbeiten - und begann im August 2022 seine Ausbildung.
"Überqualifiziert fürs Handwerk?" - eine Gegenposition
"Nach dem Gymnasium ein Handwerk anfangen - bist du dafür nicht überqualifiziert?" Diesen Satz hat Timo Hogrefe oft gehört. Er widerspricht: Das Abitur habe ihm in der Ausbildung eher geholfen - beim Verstehen von Abläufen, beim Planen, beim strukturierten Arbeiten. Auch, dass der Betrieb klein ist, sieht er als Vorteil: Während viele seiner Mitschülerinnen und Mitschüler nur einen Bereich sahen, begleitet er Aufträge komplett - vom Boden bis zur Wand, vom Polstern bis zu Gardinen, vom Ausmessen bis zur Montage. "Das hat mir unglaublich viel gebracht", sagt er.
Vier Tage Kabine: Prüfung unter Zeitdruck
Im Rahmen der Abschlussprüfung musste Timo eine leere Holzkabine komplett ausstatten. Sein Schwerpunkt: Polstern. In vier Tagen fertigte er einen Sessel selbst an, legte den Boden, bespannte die Wände, nähte Gardinen und erledigte zusätzliche Arbeitsproben wie das Beziehen einer Treppenstufe - alles unter strengen Zeitvorgaben. Genau diese Mischung aus Präzision, Gestaltung und handwerklichem Können mag er an seinem Beruf.
Sein Blick für Proportionen und Komposition stammt aus dem Zeichnen, sein handwerkliches Können aus der Werkbankzeit mit seinem Vater. Beides braucht er: beim Polstern, Montieren, Zuschneiden - und manchmal auch beim Möbeltragen aus dem dritten Stock.
Offen für den nächsten Schritt
Seit gut einem halben Jahr ist der 22-Jährige ausgelernter Raumausstatter und fest übernommen. Wie es weitergeht, hält er sich offen. Ein Studium, eine Weiterbildung zum Interior Designer - beides kann er sich vorstellen. Reizvoll fände er es, noch stärker in die Planung einzusteigen und Kundinnen und Kunden zu zeigen, welche Gestaltungsmöglichkeiten sie haben. "Man kann niemandem einen Geschmack vorschreiben", sagt er. "Aber man kann zeigen, was gut zusammenpasst." Wichtig ist ihm, fachlich und finanziell voranzukommen. "Ein bisschen perfektionistisch" sei er schon - und genau das motiviert ihn, sich weiterzubilden.
Timo Hogrefes Weg zeigt, dass ein Handwerksberuf keine Notlösung sein muss, sondern eine bewusste Entscheidung: für einen Alltag, in dem Ideen nicht auf dem Papier bleiben, sondern Gestalt annehmen.