
Schule, Stress, Social Media: Cuxhavener Jugendliche spricht über ihre Realität
Die Ferien stehen vor der Tür und für Schüler im Kreis Cuxhaven heißt es jetzt: durchatmen. Vorher haben wir mit einer Schülerin über das gesprochen, was sie bewegt: Erlebnisse, psychische Belastung und die Frage, warum viele von hier weggehen.
Sie ist 17, engagiert, reflektiert - und offen für ehrliche Worte. Im Interview mit Redakteurin Denice May erzählt Anna Strate, Schülerin und Schülervertreterin vom Cuxhavener Amandus-Abendroth-Gymnasium, warum psychischer Stress an Schulen oft übersehen wird, wie groß der Leistungsdruck wirklich ist und was Jugendlichen in der Region fehlt.
Die letzten Stunden sind vorbei, die Klassenräume werden leerer, die Ferien stehen vor der Tür. Was war in diesem Schuljahr für dich das Highlight?
Das Schuljahr hatte viele spannende Momente, aber das absolute Highlight war für mich unser Ausflug nach Hamburg, inklusive eines Besuchs der Elbphilharmonie und der Titanic-Ausstellung. Es war beeindruckend, die Architektur der Elbphilharmonie zu sehen und in die Geschichte der Titanic tiefer einzutauchen.
Wie wichtig sind solche Gruppenerlebnisse für Schülerinnen und Schüler? Hat der Ausflug zum Beispiel den Klassenzusammenhalt verändert?
Ja. Meiner Meinung nach sind Gruppenerlebnisse, wie beispielsweise unser Ausflug nach Hamburg, definitiv wichtig für Schülerinnen und Schüler. Sie fördern nicht nur den Klassenzusammenhalt, sondern auch die persönliche Entwicklung der Schüler. Unsere Hamburg-Exkursion hat dazu beigetragen, uns besser kennenzulernen, unseren Zusammenhalt gestärkt und zu einer verbesserten Kommunikation und Teamarbeit geführt.
Was denkst du, wird aktuell an Schulen zu wenig thematisiert, obwohl es für die Zukunft wichtig wäre?
Ich denke, an Schulen wird noch zu wenig über finanzielle Bildung und psychische Gesundheit gesprochen. Es ist wichtig, dass wir lernen, wie man mit Geld umgeht, was Steuern sind, wie Versicherungen funktionieren oder wie man einen Mietvertrag liest. Das sind Dinge, die uns im "echten Leben" direkt betreffen werden, aber kaum im Lehrplan vorkommen. Auch der offene Umgang mit psychischem Stress und die Vermittlung von Bewältigungsstrategien sollte einen größeren Stellenwert bekommen, da viele Jugendliche damit zu kämpfen haben.
Gibt es Ideen aus eurer Schülerschaft, wie man solche Themen besser in den Unterricht integrieren könnte?
Ideen in der Schülerschaft sind auf jeden Fall vorhanden. Die Integration von Themen wie finanzieller Bildung, psychischer Gesundheit und psychischem Stress in den Schulunterricht ist unglaublich wichtig und notwendig, besonders in einer Zeit, in der diese Themen zunehmend relevanter werden. Diese Themen könnten effektiv in verschiedene Unterrichtsbereiche integriert werden. Finanzielle Bildung könnte in die Mathematikstunden integriert werden, indem Schüler lernen, wie man mit Zinsen, Krediten und Schulden umgeht oder wie man eine einfache Budgetrechnung durchführt. Im Sportunterricht könnten im Kontext von körperlicher Gesundheit und Fitness Achtsamkeit, Stressbewältigung und psychische Gesundheit thematisiert werden, um zu zeigen, wie wichtig es ist, sowohl körperlich als auch geistig gesund zu bleiben.
Wie gut fühlt ihr euch auf das "Leben danach" bezüglich Ausbildung und Studium vorbereitet?
Auf das "Leben danach" fühlen wir uns gut vorbereitet. In Fächern wie zum Beispiel Politik bekommen wir schon sehr gute Grundlagen vermittelt. Auch bei Projekttagen wird uns präsentiert, welche Studien- und Ausbildungsinhalte es gibt. Sicherlich kann es nicht genug Workshops und/oder Projekttage geben, die sich gezielt mit den praktischen Aspekten des Berufslebens auseinandersetzen.

Wie präsent ist Leistungsdruck unter Jugendlichen heute - vor allem in Bezug auf Noten, Zukunft, Vergleiche?
Leistungsdruck ist extrem präsent unter uns Jugendlichen. Das fängt schon bei den Noten an, die als Türöffner für die Zukunft gesehen werden. Jeder vergleicht sich, sei es mit Mitschülern in der Klasse oder online über Social Media. Der Druck, gute Noten zu haben, den perfekten Studienplatz zu bekommen oder eine Top-Ausbildung zu finden, ist allgegenwärtig. Man hat oft das Gefühl, dass ein kleiner Fehltritt schon das Ende aller Träume bedeuten könnte. Das kann ganz schön belasten.
Viele berichten von psychischem Stress, auch in Zusammenhang mit Schule - wird das deiner Meinung nach ausreichend ernst genommen?
Ich glaube, das Thema des psychischen Stresses ist ein wichtiges Thema auch an den Schulen. Der Druck durch Noten und die hohe Menge an zu bewältigendem Lernstoff sind stets präsent. Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass Lehrer die Anzeichen von psychischem Stress erkennen und frühzeitig ihre Unterstützung anbieten. Meiner Meinung nach ist es meistens sehr schwer, die Signale von psychischem Stress zu erkennen.
Was würdest du dir konkret wünschen? Regelmäßige Check-ins, eine Vertrauenslehrkraft oder einen Schulpsychologen?
Ich würde mir wünschen, dass Schulen regelmäßig Workshops und Präventionsprogramme anbieten, die auf psychische Gesundheit und Stressbewältigung fokussiert sind. Diese sollten nicht nur reaktiv sein (also erst bei bestehenden Problemen), sondern präventiv, damit die Schüler lernen, wie sie ihre psychische Gesundheit pflegen können, bevor sie in Schwierigkeiten geraten. Ebenso wichtig ist meiner Meinung nach ein regelmäßiger Check-in mit einer Vertrauenslehrkraft. So könnten Schülerinnen und Schüler in einem sicheren Rahmen regelmäßig über ihre Sorgen und Herausforderungen sprechen, sei es in Bezug auf den schulischen Druck, ihre mentale Gesundheit oder persönliche Probleme. Diese Check-ins müssten nicht immer lang sein, aber sie würden den Schülern die Möglichkeit geben, sich gehört zu fühlen und Unterstützung zu bekommen.
Wie groß ist der Einfluss von Social Media auf euer Denken und Handeln - in Bezug auf Selbstwertgefühl, Politik oder Gruppenzugehörigkeit?
Der Einfluss von Social Media auf unser Denken und Handeln ist riesig. Einerseits ist es toll, mit Freunden in Kontakt zu bleiben und neue Dinge zu entdecken. Andererseits kann es auch extrem belastend sein. Der ständige Vergleich mit dem scheinbar perfekten Leben anderer kann das Selbstwertgefühl stark beeinträchtigen. Auch in Bezug auf Politik und Gruppenzugehörigkeit spielt Social Media eine große Rolle. Oft beginnt Cybermobbing außerhalb der Schulzeit, hat aber direkte Auswirkungen im Klassenraum.
Es ist immer eine Gratwanderung, die Plattformen sinnvoll zu nutzen und gleichzeitig nicht zu vergessen, was wirklich im Leben zählt.
Wenn du an den Kreis Cuxhaven denkst - was fehlt Jugendlichen hier ganz konkret?
Im Bereich Cuxhaven fehlt Jugendlichen konkret vor allem mehr Vielfalt bei Freizeitangeboten und attraktiven Treffpunkten. Klar gibt es Sportvereine und Jugendzentren, aber oft sind die Angebote begrenzt oder richten sich nicht an alle Interessen.
Es fehlen Orte, an denen man sich treffen, sich austauschen oder kreativen Aktivitäten nachgehen kann, die nicht immer gleich organisiert sind.
Was wäre ein Treffpunkt oder Angebot, das du dir hier konkret wünschen würdest?
Ich würde mir ein Jugendcafé speziell für Jugendliche mit langen Öffnungszeiten wünschen. Das wäre wirklich eine großartige Möglichkeit, um einen sicheren und einladenden Treffpunkt zu schaffen, an dem sich Jugendliche versammeln und ihre Freizeit gemeinsam verbringen können. Das bietet nicht nur eine gute Möglichkeit, soziale Kontakte zu knüpfen, sondern auch, sich kreativ und aktiv zu betätigen.
Was müsste passieren, damit junge Menschen hier bleiben oder gerne zurückkehren?
Damit junge Menschen im Kreis Cuxhaven bleiben oder gerne zurückkehren, braucht es Perspektiven, die über traditionelle Berufe hinausgehen und auch zukunftsorientierte Branchen nach Cuxhaven locken. Schön wäre, wenn in Cuxhaven auch diverse Studiengänge angeboten werden könnten.
Und wie sehen deine Pläne aus? Bleibst du nach der Schule in Cuxhaven oder siehst du deine Zukunft eher anderswo?
Ich habe noch keine hundertprozentige, klare Vorstellung, was ich nach dem Abitur machen möchte. Der Weg, den ich einschlagen möchte, kann sich immer wieder ändern. Vielleicht starte ich mit einer Ausbildung im medizinischen Bereich und entscheide später, ob ich doch ein Studium anstrebe. Es ist auch möglich, dass ich beide Wege miteinander kombiniere. Ein Praktikum oder eine Freiwilligenarbeit vorab könnten mir helfen, mehr Klarheit zu gewinnen. Der wichtigste Schritt ist, mir die Zeit zu nehmen, um herauszufinden, was mir wirklich Spaß macht und wo ich mich langfristig sehen kann.