Neuer IHK-Präsident bringt frischen Wind in die Elbe-Weser-Wirtschaft
Sebastian Vossmann hält nichts von großen Auftritten - und steht doch plötzlich an der Spitze von 50.000 Betrieben im Elbe-Weser-Raum. Während er politisch für weniger Bürokratie trommelt, kämpft seine eigene Scheren-Manufaktur ums Überleben.
Sebastian Vossmann (54) ist in der Öffentlichkeit bislang nicht groß in Erscheinung getreten. Seit September steht er an der Spitze der IHK Elbe-Weser mit Sitz in Stade. Er repräsentiert etwa 50.000 Betriebe mit grob geschätzt 150.000 sozialversicherungspflichtigen Jobs. Das ist schon eine Hausnummer. Vossmann nimmt es offenbar gelassen. Wenn er redet, dann Klartext - oft mit einem Lachen versehen.
Die neue IHK: nahbar, locker, unprätentiös
Er scheint gut in die neue Führungsriege der Industrie- und Handelskammer zu passen. Hauptgeschäftsführer Christoph von Speßhardt (51), seit drei Jahren im Amt, ist auch eher der lässige Typ. Als "kreativ, niedrigschwellig, unkompliziert" hat ihn das Stader Tageblatt beschrieben. Von Speßhardt kriegt für sein Amt gutes Geld, Vossmann nicht. Der Präsident arbeitet ehrenamtlich. Aber er hat Macht.

"Viel, sehr viel", sagt Vossmann von dem ihm eigenen Lachen begleitet. Wenn er wollte, könnte er viel entscheiden, zum Beispiel über die Zukunft seines Hauptgeschäftsführers. Aber daran denkt er überhaupt nicht.
Vossmann will nur sagen: Er hat als Präsident, zusammen mit seinen Stellvertretern, eine hohe Entscheidungsbefugnis. "Ich hab sie aber noch nicht ausgespielt", sagt er. Aus Stade kommen zwei Vizepräsidenten: Sabine Hesse und Ralf Trabandt.
Warum tut er sich das an, wenn es kein Geld dafür gibt?
Er war zuvor schon IHK-Vize-Präsident und habe sich oft über politische Entscheidungen, und wie sie hemmend auf die Wirtschaft wirken, beschwert. Meckern allein reicht nicht, er kommt jetzt ins Machen.
"Das ist ein toller Job, eine schöne Aufgabe", beschreibt er sein neues Amt - auch wenn die im Bewerbungsgespräch angedeuteten 15 Termine pro Jahr bereits nach zwei Wochen besetzt werden mussten.
Er könne als IHK-Präsident viele Themen ansprechen, auf die Politik einwirken. Seine Stimme werde gehört. Und dann gibt es die Termine, die ihm am Herzen liegen: zum Beispiel die Bestenehrung bei den IHK-Azubis. Es sei beeindruckend, so viele junge, motivierte Leute zu sehen.
Mit Verstand und Weltoffenheit
Sebastian Vossmann bringt viel mit für das neue Amt. Er hatte diverse Jobs, auch im Ausland. Er selbst nennt wirtschaftliches Verständnis und Weltoffenheit als zwei seiner Stärken. Das bestätigt ihm der Hauptgeschäftsführer.
Vossmann habe internationale Luft geschnuppert und als gebürtiger Stader eine starke regionale Verbundenheit, sagt von Speßhardt. Seine Eltern führten einst die Lebensmittel-Kette "Viets". Auch der Vater saß im IHK-Präsidium. Für von Speßhardt ist Vossmann ein "hanseatischer Tausendsassa". Er pflege eine klare Kante, sei offen, ehrlich und konstruktiv, ein "echter Gewinn".

Offen ist er auch, was sein Unternehmen, die Scheren-Manufaktur Paul in Harsefeld, anbelangt. Täglich würden 3500 Scheren in hoher Qualität produziert, mit Stahl aus Deutschland oder Österreich. Die Scheren werden mit 62 Handgriffen zusammengesetzt. Früher waren es 10.000. Der Absatz stockt.
Ungewisse Zukunft der Harsefelder Scheren
Vossmann weiß nicht, ob Ende nächsten Jahres noch produziert wird in Harsefeld, wenn die Firma eigentlich ihr 140-jähriges Bestehen feiern möchte. Die Konkurrenz aus dem Ausland ist zu billig. Von den einst 120 Mitarbeitern sind nur noch 38 geblieben. Tendenz: fallend.
Klare Worte findet er auch zur Standardkritik an der IHK und der Zwangsmitgliedschaft für die angeschlossenen Unternehmen. Er habe die IHK immer gut genutzt zur Beratung oder um an Fördergelder zu gelangen. Er habe das Mehrfache des Mitgliedsbeitrags wieder herausgeholt. Das empfehle er jedem. Er will aber auch, dass die IHK näher heranrückt an seine Mitglieder, nahbarer, greifbarer wird, mehr auf die vielfältigen Angebote hinweist.

Der Politik schreibt er derweil ins Stammbuch, den Unternehmen mehr Eigenverantwortung zu übertragen, nicht alles kontrollieren zu müssen. Das fange mit dem Abbau der alles lähmenden Bürokratie an. Sein Unternehmen müsse zum Beispiel regelmäßig den Terrorismus-Check bestehen. "Dabei bin ich doch nur ein armer Scherenschleifer", sagt Vossmann und lacht.

Vossmann ist umtriebig und voller Ideen. Zusammen mit seiner Frau betreibt er in Engelschoff-Neuland Pferdezucht. Und ihr Dackel Greta ist zum Markennamen geworden, hat mehrere 1000 Follower in den sozialen Medien. Dort macht Greta Werbung für kleine Hundetragetaschen. Dieses Geschäft läuft.
Von Lars Strüning