
Abtauchen, wegfliegen oder durchhalten: So überlebt Cuxhavens Tierwelt den Winter
Während Gänse in Formation über das Watt ziehen und Igel sich ins Laub verkriechen, läuft im Cuxland ein großes Wintermanöver an. Was jetzt draußen passiert - und was wir tun können, um den tierischen Nachbarn durch die kalte Jahreszeit zu helfen.
Wenn die Sonne im Oktober tiefer steht und die Nächte feucht und kalt werden, verändert sich das Leben im Cuxland. Was für viele Menschen der Beginn der gemütlichen Jahreszeit ist, bedeutet für Tiere vor allem eines: überleben. In Gärten, Hecken, Wäldern und Wattgebieten beginnt ein großes Sortieren - zwischen denen, die schlafen, die fliehen oder die einfach durchhalten.
"Diese Winterruhephasen beginnen in der Regel, wenn die Lufttemperaturen dauerhaft unter etwa 10 Grad fallen", erklärt Martin Behrmann, Vorsitzender des Nabu Land Hadeln. Dann stellen viele Arten ihren Stoffwechsel um, suchen Verstecke oder begeben sich auf weite Reisen.
Von Schläfern, Ruhenden und Erstarrten
Im Kreis Cuxhaven sind es vor allem Igel, Haselmäuse und Fledermäuse, die einen echten Winterschlaf halten. Ihr Körper fährt alle Funktionen stark herunter, die Temperatur sinkt, Herz und Atmung verlangsamen sich. Erst wenn es wieder wärmer wird, erwachen sie.
Andere Tiere, etwa Dachse, Biber oder Eichhörnchen, halten dagegen nur Winterruhe. Behrmann erklärt, dass diese gleichwarmen Tiere keinen festen Winterschlaf kennen. Sie bleiben in ihren Bauten und Höhlen, senken ihre Körpertemperatur leicht ab, werden aber zwischendurch wach - etwa um Vorräte zu fressen oder sich kurz zu bewegen.

Drastisch reagieren auch Amphibien und Reptilien. Frösche, Kröten, Molche oder Eidechsen fallen in eine Winterstarre: Sie bewegen sich nicht, essen nichts, ihr Körper passt sich völlig der Umgebung an. Sie suchen sich feuchte, frostfreie Plätze unter Wurzeln, Steinen oder Totholz. Auch viele Insekten, darunter Schmetterlinge wie der Kleine Fuchs oder das Tagpfauenauge, Marienkäfer, Wespen oder Florfliegen, überstehen so den Winter. Selbst Fische verlangsamen in kaltem Wasser ihre Körperfunktionen extrem - von Atemfrequenz über Herzschlag bis zur Verdauung.
Wenn der Himmel sich füllt
Über den Wattflächen kündigt sich der Winter schon lange an, bevor die ersten Schneeflocken fallen. Ab Ende September sammeln sich tausende Wildgänse, Enten und Watvögel zu eindrucksvollen Formationen am Himmel. "Spektakulär sind sicher die Schwärme von Wildgänsen, wie zum Beispiel Bläss-, Nonnen-, Grau- und Saatgänse, ebenso tausende Pfeifenten, Goldregenpfeifer und Kiebitze", sagt Behrmann.

Er weist darauf hin, dass sich durch mildere Winter inzwischen auch das Verhalten mancher Zugvögel verändert hat. So ziehen Arten wie Ringeltauben oder Stare oft nur noch kurz oder bleiben ganz im Norden, wenn Frost und Schneedecke ausbleiben. Störche kehren inzwischen häufig schon Ende Februar in ihre Brutgebiete zurück.
Wenn Ordnung zur Störung wird
Während viele Tiere Energie sparen müssen, bringen Menschen sie häufig in Schwierigkeiten. Gartenarbeiten mit Laubbläser oder Motorsense können fatale Folgen haben. "Die Gartenpflege in der Ruhezeit der Tiere ist eine ernsthafte Belastung", warnt Behrmann, "weil dann der Stoffwechsel der betroffenen Tiere hochgefahren wird, was viel Energie kostet, die am Ende eines längeren Winters dann fehlt."
Auch im Watt ist Rücksicht gefragt. Störungen durch Spaziergänger oder Wassersportler sind dort zwar alltäglich, doch, wie Behrmann betont, "nicht anders, als wenn der Seeadler auf Beutesuche ist". Die meisten Vögel halten sich ohnehin in den entfernten Wattbereichen auf und weichen bei Flut auf Wiesenflächen an Land aus.

Einfach helfen - auch im eigenen Garten
Behrmann ist überzeugt: Schon kleine Maßnahmen können einen großen Unterschied machen. Er rät, im Garten eine Ecke unbearbeitet zu lassen und dort Laub und Totholz zu sammeln. Das bietet Schutz für Igel, Insekten und viele andere Tiere. Auch Fruchtstände von Pflanzen könnten über den Winter stehen bleiben - sie sind eine wertvolle Nahrungsquelle für Singvögel.
Der Nabu Land Hadeln unterstützt die Igelpflege im Landkreis Cuxhaven, vermittelt Pflegestellen für verletzte Vögel und beteiligt sich an der bundesweiten Wintervogelzählung, die wertvolle Daten zum Bestand vieler Arten liefert. "Außerdem führen wir jährlich Beratungen zum Anlegen naturnaher Gärten durch - inklusive Empfehlungen zu Blühwiesen und Heckenanlagen", ergänzt Ursel Richelshagen, stellvertretende Vorsitzende des Nabu Land Hadeln.

Zwischen Erfolg und Sorge
Insgesamt gibt es in der Region sowohl erfreuliche als auch bedenkliche Entwicklungen. "Sehr positiv blicken wir auf die Brutentwicklung der Weißstörche und der Kraniche", sagt Behrmann. Auch Gänse- und Entenvögel hätten in den letzten Jahren zugenommen, ebenso der Seeadler, dessen Bestand mittlerweile auf gutem Niveau liege. Sorgen bereiten dagegen die Singvögel und Wiesenvögel, deren Zahl lokal wie bundesweit sinkt.
Ein bisschen Wildnis darf bleiben
Für Behrmann liegt die wichtigste Hilfe der Menschen in einer Haltung, die Platz lässt: "Es hilft immer all unseren Gartentieren, wenn ein kleiner Bereich des Gartens nicht Opfer unserer Ordnungsliebe wird."

Denn jeder Laubhaufen, jedes unaufgeräumte Eckchen ist in dieser Jahreszeit ein wertvoller Rückzugsort. Wer im Winter Vögel füttert, sollte laut Behrmann zudem "auf artgerechtes Futter und regelmäßige Hygiene am Futterplatz" achten. Und Nisthilfen reinigt man am besten "schon ab Spätsommer und befreit sie von Parasiten".
Draußen mag es still und karg wirken, doch unter Laub, Holz und Eis pulsiert das Leben weiter - verlangsamt, verborgen, aber strategisch. Während über dem Watt die Gänse rufen und im Garten der Igel schläft, zeigt sich, wie anpassungsfähig die Tierwelt des Cuxlands ist. Und wie viel davon abhängt, dass wir sie in Ruhe lassen.
