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Man hätte meinen sollen, dass die Cuxhavener
Hausfrauen solche Anreize zur Zubereitung
von Seefi sch nicht nötig gehabt
hätten. Aber ab 1911 wurden auch hier bei
uns in den Haushaltsküchen der Mädchenschule
in der Deichstraße sowie in Döse
Seefi schkochkurse angeboten. Das Cuxhavener
Tageblatt warb im Mai 1911 für die
Teilnahme: „Es soll gezeigt werden, daß das
Fischfl eisch sich ebenso gut als das Fleisch
von Warmblütern zur Herstellung verschiedener
Gerichte eignet.“ Die Kurse wurden
ein voller Erfolg! Nach einer allgemeinen
Einführung von Fischereiinspektor Duge
traten die Haushaltslehrerinnen Fräulein
Voß und Fräulein Benöhr in Aktion. Unter
ihrer Anleitung lernten die Hausfrauen
nicht nur, Fisch zu fi letieren, sondern auch,
Fischsuppe mit Fischklößen, Bohnensuppe
mit Fischfl eisch, Fischaufl auf mit Makkaroni
und Fischfrikassee zuzubereiten.
Nach dem 1. Weltkrieg waren Lebensmittel
so knapp, dass zunächst für den Verzehr
von Seefi sch nicht gesondert geworben
werden musste. Kaum erholte sich die Wirtschaft,
gewann der Fleischkonsum wieder
die Oberhand. 1925 engagierte das Fischgeschäft
„Fischer & Wonszak“ in der Schillerstraße
daher die bekannte Volkswirtschaftlerin
Felizitas Obhaus, die im Schaufenster des
Ladens ihre Fischkochkünste vorführte.
In den 1930er-Jahren erlebten Fischkochkurse
in Cuxhaven dann einen zweiten Boom.
An die 1931 gebaute Fischpackhalle VII
(heute Halle VIII) wurde eine Fischlehrküche
angebaut. Im Erdgeschoss des Gebäudes,
in dem heute die Verwaltung des Museums
„Windstärke 10“ untergebracht ist, befand
sich ein Schulungsraum, in dem auch gegessen
werden konnte.
Anders als vor dem Krieg richteten sich die
Kochkurse allerdings nicht mehr an Hausfrauen.
Zielgruppen waren 1932 zunächst
die im Fremdenverkehrsverein zusammengeschlossenen
Hotel-, Gasthof- und Pensionsinhaber
sowie deren Angestellte. Vier Jahre
später hatte sich diese Form der Seefi schpropaganda
„in erfreulichem Maße“ entwickelt
und zog Interessierte aus ganz Deutschland
an. Abteilungs- und Organisationsleiterinnen
der Abteilung Volkswirtschaft, Hauswirtschaftlerinnen
des Deutschen Frauenwerks,
Diät- und Großküchenleiterinnen: Sie alle
wurden in Cuxhaven geschult. Die Kosten des
viertägigen Kurses sowie die Unterbringung
übernahm der Seefi schmarkt Cuxhaven.
Nicht, dass die Damen nur am Strand gelegen
hätten! Auf dem Programm standen
praktische Arbeiten und „belehrende Vorträge“
sowie eine Besichtigung der Auktionshallen.
Beim Schneiden von Fischfi lets
taten sich die Teilnehmerinnen noch etwas
schwer, aber im schlimmsten Fall konnten etwaige
Schnittwunden mithilfe einer „kleinen
sanitären Ausstattung“ der Fischlehrküche
verarztet werden. „Der Rotbarsch wurde in
seiner ganzen Schönheit dem Grillapparat
überantwortet, wo er zu einer Zierde der Mittagstafel
heranreifte.“ Auf dem Speisezettel
stand auch „Sauerkraut mit Cuxhavener
Rippspeer“, das statt des üblichen Kasslers
geräucherten Seelachs enthielt.
Während des Zweiten Weltkriegs war die
Einrichtung der Lehrküche zwar weitgehend
abhandengekommen, aber 1951 konnte der
Seefi schmarkt schon wieder für kostenlose
Kurse für Fisch-Einzelhändler in seiner Lehr-
und Versuchsküche werben. Wer im Internet
in einen der elektronischen Routenplaner die
Adresse „An der Lehrküche, Cuxhaven“ eingibt,
der wird auch heute noch an den ehemaligen
Standort dieser fast vergessenen Cuxhavener
Institution geführt! Jenny Sarrazin
Das Bild zeigt die1931 gebaute Fischpackhalle
VIII mit dem vorderen Anbau
der Fischlehrküche. 1937 wurde parallel
zu Halle VIII eine weitere Halle gebaut.
Beide Hallen bilden zusammen mit
einer modernen Mittelhalle heute das
Museum „Windstärke 10“.