
Ganz so ungestört sollten die Jahre in Ritzebüttel
dann aber doch nicht werden. Seine
Gedichte in „Landleben“ geben darüber bis
ins kleinste Detail erschöpfend Auskunft.
Und das sind durchaus nicht nur all die kleinen
täglichen Dinge in der Familie, im Umgang
mit den Menschen, das nie endende
Staunen über die Schönheit und die Unbilden
der Natur hier oben an der Küste, sondern
auch all das was für den Hamburgischen
Amtmann auf Schloss Ritzebüttel so anfällt.
Eine unangenehme Überraschung wurde ihm
gleich zu Beginn seiner Amtszeit präsentiert:
Als ihn nämlich der Hamburger Rat am 8.
August 1735 darüber informierte, dass sich
ein dänisches Geschwader anschickt, „das
Amt Ritzebüttel im Handstreich zu nehmen“.
Zwar fand der Krieg am Ende nicht statt, doch
für Brockes bedeutete die wochenlang drohende
Kriegsgefahr, sich von jetzt auf gleich
mit Fragen wie Taktik, Strategie und Versorgung
für Soldaten und Bevölkerung vertraut
zu machen.
Zu Recht verweist Jürgen Rathje, Herausgeber
und Kommentator der Brockes-Edition
des Wallstein Verlages, in seinem Vorwort
zum „Landleben in Ritzebüttel“ auf etwas,
was die darin enthaltenen Gedichte ganz wesentlich
von denen der anderen Bände des
„Irdischen Vergnügen in Gott“ unterscheidet.
Wenn Brockes’ „Landleben“-Gedichte von
Getreideanbau und Viehwirtschaft erzählen,
die Verwandlung von Äckern, Feldern und
Wiesen im Verlauf des Jahres schildern, „entstehe
… eine Handlung“. Und genau das ist
es. Der Leser erfährt aus ihnen eine Unmenge
von dem, was in diesen sechs Jahren hier geschehen
ist, was sich verändert hat, was neu
hinzugekommen ist und was Bestand hatte.
Wenn man so will, verbirgt sich in Brockes’
Dichtung ein ganzes Stück Geschichte des
Amtes Ritzebüttel auch mit sehr genauen
Ausblicken auf die Kirchspiele Groden und
Döse, bis hin nach Neuwerk und sogar Helgoland.
Zu entdecken gibt es unendlich vieles
in diesem Neudruck des „Landleben in Ritzebüttel“.
Lange war hierorts die Beschäftigung
mit Brockes’ Dichtungen während seiner
Amtszeit auf dem Schloss auf die „Kleinteiligkeit“
seiner heute ohnehin nicht mehr „lesbar“
Naturlyrik ausgerichtet. Eher belächelnd
wurde hingenommen, was er da über die Blumen
und Pfl anzen im Garten, den Zahn und
den sonstigen Schmerz im Hause Brockes
dichtete. Der so vielfältige historische und
kulturhistorische Aspekt stand da eher nicht
im Vordergrund des Interesses. Das kann sich
mit der neuen Ausgabe ändern.
Deren ganz großes Prä ist auch in diesem siebten
Band des „Irdischen Vergnügen in Gott“
der Anmerkungs-Apparat. Er liefert wichtige
Hinweise zu der oben zitierten „Handlung“
in den Gedichten, schlüsselt sie auf, macht
sie durchschaubar. So zum Beispiel bei den
Erntefesten, die Brockes anordnete und zu
denen er ein Libretto verfasste. „Erndte-Feyer
in Ritzebüttel, 1736“ heißt das entsprechende
Gedicht. Und zwei Seiten weiter fi ndet man in
der Ausgabe unter der Überschrift „Musicalische
Andacht zur Zeit der Erndte“ sowohl die
„Einrichtung“ als auch die Texte von Aria und
Arioso und den von Brockes vorgegebenen
Predigttext.
Hierbei handelt es sich, wie in der Anmerkung
nachzulesen, „um eine überlieferte,
ausdrücklich für den Gottesdienst bestimmte
geistliche Dichtung“. Die einzige von Brockes
übrigens, denn sein Passionsoratorium von
1712 war nicht für den kirchlichen Gebrauch
geschrieben…“. Gemeinsam ist beiden die
Verwendung „allegorischer Gestalten, die
hier als ‚Erinnerung’, ‚Betrachtung’ und ‚Chor
erkenntlicher Seelen’ auftreten“. Die Musik
zu Brockes’ „Erndte-Feyer“ stammt von Johann
Höved (1715 – 1799), der – ein Schüler
Georg Philipp Telemanns – 1736 Küster und
Organist an St. Abundus Groden im hamburgischen
Amte Ritzebüttel geworden war.
Für besagte vom Amtmann für Sonntag, den
11. August, angeordnete „Erndte-Feyer“, war,
wie im Amtprotoll von 1737 vermerkt, die Kirche
mit Maibäumen geschmückt. Morgens
und abends waren die Kanonen abgefeuert
worden. Zur „Aufführung“ der Musik in der
Kirche hatte Brockes die „Cantores aus dem
Hadelschen eingeladen“. Den Text zur Musik
ließ er drucken „und an die Leute in der
Kirche austeilen“. Nachzulesen ist das auch
schon bei Georg Hindrichson in seinen in den
Jahren 1897 bis 1899 veröffentlichten Aufsätzen
„Brockes und das Amt Ritzebüttel“, neu
herausgegeben im Reprint von 1982 der Verlagsgesellschaft
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