
Fotos: Sammlung van Herpen (1), Sammlung Mangels (1)
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sang und Gitarre, die Bassgitarre und Schlagzeug
in ziemlich hellem und kurzen Stakkato
– im Gegensatz zu den Engländern, die hart,
laut und erbarmungslos spielten.“
Das Repertoire der Gruppen bestand in erster
Linie aus Standardnummern des Rock’n’Roll
– von Chuck Berry bis Elvis Presley. Aber
auch Themen der Filmmusik und Instrumental
Nummern der „Shadows“ wurden gespielt.
Einflüsse kamen von der Steel Guitar
geprägten Musik aus Hawaii und den lateinamerikanischen
Rhythmen.
Für den Band-Nachwuchs in Cuxhaven war
diese so neue, phänomenale Spielweise Balsam
für die musikalische Seele. Geradezu
andächtig lauschten die jungen Musiker den
exotischen Klängen: „Einen Rausch nach
dem anderen habe ich mir geholt“, erinnert
sich Rolf „Zotty“ Brockhoff von den „Rhythm
Brothers“. Er war Stammgast bei den Auftritten
der Indo-Bands. Vor allem im „Studio
200“ hat er sich so manche Anregung für den
eigenen musikalischen Werdegang geholt.
Dort spielte im Juni 1965 die indonesisch-holländische
Formation „The Ravens“. Kreativer
Kopf der Band war der damals 19-jährige Musikstudent
Hans van Eyck. Einem Reporter
der „Cuxhavener Presse“ verriet der junge
Holländer, dass er von einer Plattenkarriere
träume. Sein Traum ging einige Jahre später
tatsächlich in Erfüllung: 1969 landete er mit
der niederländischen Band „Tee Set“ einen
Riesenhit, der sogar den Sprung in die amerikanischen
Charts schaffte: „Ma belle Ami“.
Eine weitere Indo-Band, die bei den jungen
Cuxhavenern einen besonderen Eindruck
hinterließ, war die Gruppe „Oety & The Real
Rockers“ – eine fünfköpfige Kapelle, die unter
anderem im Gasthaus „Stadt Hamburg“
spielte. Einziger Holländer in der sonst rein
indonesischen Band war der Bassist Louis
van Herpen, von den Cuxhavenern liebevoll
„Piccollo“ genannt.
Der junge Niederländer hatte den Namensgeber
der Band, Oety Johannes, 1963 bei einem
Auftritt in Rotterdam kennen gelernt. Für seine
Deutschland-Tour brauchte Oety dringend
einen Bassisten und lockte den noch nicht
einmal volljährigen Louis mit vollmundigen
Versprechungen in die Band: „Oety hat nur
geschwärmt über das viele Geld und über diese
wunderschönen deutschen Fräuleins.“Van
Herpen sagte zu, und selbst der Vater unterstützte
die musikalischen Pläne seines
Sohnes. „Und so dampfte ich ab Richtung
Deutschland, die ganze Familie winkte mir
nach. Tante Mientje hat hinterher gerufen,
ich solle doch bitte mit keinen fremden Männern
mitgehen. Und so saß ich im Zug Richtung
Deutschland-Cuxhaven.“
Dort, hoch oben im Norden Niedersachsens,
spielte Louis van Herpen das erste Mal gemeinsam
mit „Oety & The Real Rockers“.
Die Überraschung war groß, als er die übrigen
Bandmitglieder kennen lernte: „Nur Indos,
und ich als einziger Weißer. Jetzt konnte
mich nichts mehr umhauen. Der einzige, der
mit mir sprach, war Oety. Die anderen hatten
einen Indo erwartet, also waren die auch enttäuscht.
Na, dann aufbauen, umkleiden und
auf die Bühne ohne Proben, voll ins kalte
Wasser. 20 Uhr Saal auf, 300 Leute rein, und
da waren sie dann, die Fräuleins. So ist es drei
Wochen gegangen: Am Tage geprobt, abends
von 20 Uhr bis 4 Uhr auf der Bühne. Gesprochen
haben wir immer noch nicht viel, das hat
gedauert. Aber ich war verbissen und ein Zurück
wollte ich mir nicht geben.“
Nicht gerade zimperlich ging es offenbar in
den Gaststätten und Bars zu, wenn die Indo-
Bands spielten. Oft ging es bei den Streitigkeiten
um die Gage. Louis van Herpen kann
sich an einen besonders „schlagfesten“ Abend
erinnern: „In Cuxhaven haben wir mal nach
dem Spielen am Ende des Monats die ganze
Außenbeleuchtung demoliert, weil der Besitzer
nur die halbe Gage ausgezahlt hatte.“
Jens-Christian Mangels
Real Rockers“, eine fünfköpfige Kapelle,
Hamburg“ spielte. Einziger Holländer in der sonst
Bassist Louis van Herpen (links).