Der ehemalige Tagebau hat sich über Jahrzehnte in ein artenreiches Süßwasserbiotop verwandelt. Foto: Thomas Heckmann
Der ehemalige Tagebau hat sich über Jahrzehnte in ein artenreiches Süßwasserbiotop verwandelt. Foto: Thomas Heckmann
Faszination und Risiko

Nach dem tödlichen Unfall: So riskant ist das Tauchen im Kreidesee Hemmoor wirklich

von Tamina Francke | 23.05.2025

Nach dem Tod eines Tauchers im Kreidesee stellt sich erneut die Frage: Wie riskant ist das Tauchen in Hemmoor (Kreis Cuxhaven)? Während manche den See als "Todessee" bezeichnen, liefern Experten und Behörden eine differenzierte Einschätzung.

Der jüngste Tauchunfall im Kreidesee in Hemmoor, bei dem ein 34-jähriger Niederländer ums Leben kam, hat bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Obwohl sofort eingeleitete Rettungsmaßnahmen - unter anderem durch zufällig anwesende Feuerwehrtaucher - rasch erfolgten, kam für den Verunglückten jede Hilfe zu spät. Die genauen Umstände des Unglücks sind bislang unklar. Doch der tragische Vorfall wirft einmal mehr die Frage auf: Wie gefährlich ist der See wirklich?

Sichtweiten unter Wasser sind außergewöhnlich

In Tauchkreisen gilt der Kreidesee Hemmoor als eines der anspruchsvollsten, aber auch faszinierendsten Süßwasserreviere Deutschlands. Die Sichtweiten unter Wasser sind außergewöhnlich - teils über 30 Meter - und die Tiefe von bis zu 60 Metern macht den See auch für technische Taucher attraktiv.

Für Außenstehende steht der See jedoch häufig im Zusammenhang mit Berichten über Tauchunfälle. Ein verzerrtes Bild, wie Hemmoors Samtgemeindebürgermeister Jan Tiedemann gegenüber den Cuxhavener Nachrichten und der Niederelbe-Zeitung meint: "Natürlich kennt man Hemmoor überregional auch durch die Schlagzeilen - aber die Realität ist differenzierter. Der Kreidesee ist ein professionell betriebener Tauchplatz mit strengen Sicherheitsvorgaben."

Der Kreidesee bei Hemmoor aus der Vogelperspektive: Ein beliebtes Ziel für Taucher - mit bis zu 60 Metern Tiefe und außergewöhnlicher Sicht. Foto: Schröder

"Die Alarmierungsketten sind eingespielt"

Seit Mitte der 1990er-Jahre gibt es eine offizielle Tauchbasis vor Ort, Schulungsangebote und eine eng mit den Behörden abgestimmte Rettungsstruktur. "Die Alarmierungsketten sind eingespielt, auch die Feuerwehr ist eingebunden. Bei jedem Verdachtsmoment wird sofort reagiert", betont Tiedemann. Für viele Besucher sei der See ein Highlight: "Zehntausende Gäste jährlich, internationale Taucher, aber auch Urlauber."

Tauchen mit Verantwortung - was Profis sagen

Eine fachliche Einschätzung kommt aus dem Tauchbetrieb Helgoland GmbH mit Sitz in Bremerhaven. Sprecher Hannes Schade kennt den Kreidesee seit Jahren: "Ich bin selbst schon bis auf 65 Meter getaucht. Die Sicht spielt für die Sicherheit eine untergeordnete Rolle - entscheidend sind die Ausrüstung und vor allem der Erfahrungsstand der Taucher." Besonders in größeren Tiefen könne sogenannter Tiefenrausch auftreten: eine durch Stickstoffsättigung ausgelöste Wirkung, die Euphorie, Benommenheit oder auch Panik hervorrufen kann. "Wenn das kommt und man es nicht erkennt, kann es gefährlich werden - je tiefer, desto verhängnisvoller", so Schade.

Er zieht einen Vergleich zur Autobahn: "Auch dort entscheidet jeder selbst, ob er 130 oder 200 Kilometer pro Stunde fährt. Wer Ausrüstung und sich selbst im Griff hat und sich an die Regeln hält - insbesondere das Buddy-System, also zu zweit unterwegs ist - kann hier sicher tauchen."

Der Kreidesee beherbergt zahlreiche künstlich platzierte Objekte - sie dienen als Tauchziele und Trainingsstationen. Foto: Mangels

Allermeisten Tauchgänge verlaufen problemlos

Dass Risiken beim Tauchen bestehen, steht für Schade außer Frage - etwa durch Kälte, Stresssituationen oder technische Fehler. Doch das gelte nicht nur für den Kreidesee: "Unfälle können überall passieren - auch auf einer Treppe."

Ein wichtiger Punkt bleibt häufig unbeachtet: Die allermeisten Tauchgänge in Hemmoor verlaufen völlig problemlos. Jeden Tag sind Dutzende Taucher im See unterwegs - ohne Zwischenfälle. Tiedemann betont: "Die Wahrnehmung von außen ist häufig durch die Berichterstattung über tragische Einzelfälle geprägt. Wer den See kennt, weiß, dass hier mit großer Professionalität gearbeitet wird."

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Tamina Francke

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

tfrancke@no-spamcuxonline.de

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