Die Aufnahme zeigt die Instagram-Seite der getöteten Ursula B.: Natur- und Landschaftsaufnahmen der Wahl-Otterndorferin stießen in diesem Forum auf große Resonanz; ihrem Hobby, der Fotografie, ging die 67-Jährige nach Zeugenberichten mit großer Leidenschaft nach. Foto: Koppe
Die Aufnahme zeigt die Instagram-Seite der getöteten Ursula B.: Natur- und Landschaftsaufnahmen der Wahl-Otterndorferin stießen in diesem Forum auf große Resonanz; ihrem Hobby, der Fotografie, ging die 67-Jährige nach Zeugenberichten mit großer Leidenschaft nach. Foto: Koppe
Kammer stellt Fragen

Mordprozess vor dem Landgericht: Was für ein Mensch war das Opfer?

von Kai Koppe | 03.10.2025

Am zweiten Verhandlungstag ging es nicht allein um Geschehnisse zur Tatzeit. Die Richter versuchten auch die Lebensumstände der getöteten Schweizerin zu rekonstruieren. 

Von Kai Koppe

Otterndorf/Stade. Einem Mann war sie im Frühjahr 2020 an die Küste gefolgt. Ursula B. verband mit diesem Schritt womöglich mehr als nur eine neue Beziehung: Mit der Übersiedlung nach Otterndorf tat sich für die aus der Schweiz stammende Mittsechzigerin anscheinend ein neues Lebensgefühl auf. Und das wollte sie nicht mehr missen, auch nicht, als ihre Partnerschaft irgendwann auseinanderbrach. 

B. blieb in Otterndorf. Sie habe die Weite der flachen Landschaft geliebt: "Das Meer war ihre Welt", erinnert sich ein Nachbar, den die 3. Große Strafkammer in den Zeugenstand gerufen hat. Am zweiten Verhandlungstag geht es in den Vernehmungen nicht allein um die Frage, was am 23. Oktober 2022 in einer Doppelhaushälfte im Baugebiet Am Medembogen geschehen sein mag. Welche Art von Mensch die Getötete gewesen ist, versucht die Kammer um den vorsitzenden Richter Marc-Sebastian Hase in Erfahrung zu bringen.

Ihre Leidenschaft für die Fotografie war bekannt

Versuche, das Wesen einer Person in Adjektive zu pressen, ergeben immerhin das Bild einer aufgeschlossenen, selbstbewussten und empathischen Frau. In der Siedlung war sie offenbar integriert, mit Begeisterung ließ sie sich auf ihre Wahlheimat ein. Der Job bei einer Hausboot-Vermietung wurde Berichten zufolge zu einer Berufung. Mit großer Leidenschaft fotografierte sie außerdem die Natur in ihrer Umgebung. Auf einem Online-Foto-Portal lassen sich ihre Aufnahmen bis zum heutigen Tage betrachten, das letzte Bild zeigt einen Sonnenuntergang - entstanden am Vortag ihres Todes, am Sahlenburger Strand. 

Ein Handy, das ihr als Kamera diente, habe sie stets "am Mann getragen", berichtet ein Nachbar. Über die Lebensumstände des Opfers vermag er allerdings wenig zu sagen. So freundlich Ursula B. ihrer Umwelt begegnete, so verschwiegen behandelte sie offenbar Teile ihrer Biografie: Inwieweit sie zu Lebzeiten in ein Familienunternehmen in der Schweiz involviert war, entzieht sich sogar der Kenntnis ihres früheren Lebensgefährten, auch auf eine Frage nach den finanziellen Verhältnissen der Frau muss er passen. "Geld war nie ein Thema." Allerdings - und das lässt die Kammer aufhorchen - spricht er davon, dass man sich in der Zeit, in der beide Bett und Tisch teilten, keinerlei Geschenke gemacht hat. 

Einen 62-Jährigen, der vor dem Landgericht Stade auf der Anklagebank sitzt, verband eine zeitweilige Affäre mit der Getöteten. Er will sehr wohl etwas von der sieben Jahre älteren Frau bekommen haben: einen Tafelbarren, 50 Gramm Feingold. Und: Während sie Nachbarn maximal auf ihre Terrasse bat, gewährte Ursula B. dieser Zufallsbekanntschaft Zutritt zu ihrer Wohnung. Glaubt man den Schilderungen des Beschuldigten, drängt sich der Schluss auf, dass B. zielstrebig nach einem Abenteuer gesucht hat.

Gab es weitere Männer in ihrem Leben? Der Angeklagte deutet dergleichen an, indem er in seiner Einlassung von einer Verabredung spricht, die Ursula B. am Abend ihres Todestages gehabt haben soll. Beunruhigt ob dieses Besuchs will er am fraglichen Abend zur Adresse seiner Liebhaberin gefahren sein. Vor Ort entdeckte eine Anwohnerin gegen 22 Uhr einen dunklen Kombi: das Auto des Beschuldigten, ist sie sich sicher. Doch wer hat sich im Haus befunden? Ungeklärt bleibt auch die Frage, warum schon ab den Nachmittagsstunden die Rollläden heruntergezogen waren - wo die Getötete es nach Zeugenaussagen doch gar nicht "hell" genug haben konnte.

Die Auffindesituation wirft Fragen auf

Ein Beamter der Tatortgruppe beschreibt, dass er die Räume bei seinem Eintreffen als ungewöhnlich stark beheizt empfunden hat. Der Leichnam der Frau habe sich im Bett befunden, vollständig unter der Decke verborgen. Drei Tage nach dem mutmaßlichen Todeszeitpunkt sollen auf dem Wege der Augenscheinnahme keine Spuren von Fremdeinwirkung mehr auszumachen gewesen sein. Unabhängig davon dokumentierte die Polizei einige Merkwürdigkeiten: So fand sich ein Zigarettenstummel auf dem Schlafzimmerteppich der als "ordentlich" beschriebenen Hausbesitzerin. Ein Stapel Wäsche schien sauber gefaltet worden zu sein. Ungewöhnlich aus Sicht der Ermittler: Er lag am Fußende des Bettes, auf jener Decke, unter der sich die Tote befand.

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Kai Koppe

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Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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