
"Leisten hier Pionierarbeit": Freiwillige im Ahlenmoor im Einsatz für die Umwelt
Es ist das größte Moorvernässungsprojekt Europas, und es ist in vollem Gang: die Wiederherstellung von 200 Hektar wertvollem Hochmoor im Ahlenmoor. Wer sich aber ein schrittweises Zurück zum unberührten Naturzustand vorstellt, liegt völlig falsch.
Jan Heusmann ist kein Freund von Konfrontation. Wesermündes Landvolk-Vorsitzender äußert sich gerne vorsichtig und wohl abgewogen. Doch beim Thema Moorvernässung - dem Reizthema für die Landwirte im Cuxland - ist das anders. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir hier die ganze Gegend so umgraben wie das derzeit in Ahlen-Falkenberg passiert", betonte der Vertreter des Bauernverbands im März.
Millionenschweres Projekt zur Moorvernässung
Heusmann spielte auf das größte Experiment in der Moor-Geschichte an - die Wiederherstellung von 200 Hektar Hochmoor zwischen Flögeln und Wanna. Ein Projekt, das von seiner Größe wie von seiner Umsetzung her alle bisherigen Moorvernässungen in den Schatten stellt. Finanziert wird das millionenschwere Projekt aus einem Klimafonds, den der Naturschutzbund Nabu zusammen mit der Handelskette Rewe, dem Geldgeber, aus der Taufe gehoben hat.

Verwirklicht wird es in kleinen Schritten. An diesem Vormittag haben sich etwa 20 Freiwillige, Nabu-Mitglieder und Jugendliche aus der Jugendwerkstatt Hemmoor, im Niemandsland zwischen Flögeln und Wanna eingefunden. Sie werden Torfmoose aussäen. In Handarbeit. Martin Behrmann greift in einen der Big Bags und holt eine der unscheinbaren Pflanzen hervor: "Die sind rar geworden und heutzutage einiges wert", erzählt der Vorsitzende des Nabu Land Hadeln.
Torfmoose sind die Baumeister der Moore
Torfmoose sind die Baumeister der Moore. Vor allem der wertvollen Hochmoore, die ausschließlich mit Regenwasser gespeist werden. "Die Torfmoose wachsen nach oben. Sie saugen dabei das Wasser auf und ziehen so den Wasserstand mit nach oben, wie ein Schwamm", erläutert Torfmoos-Experte Eric Thieme. Aber nicht nur das.

Torfmoose legen sich wie ein Teppich über das Moor und verhindern so, dass Sauerstoff an den Boden herankommt und der Torf sich zersetzt. So sind unberührte Hochmoore in der Lage, enorme Mengen an Kohlendioxid zu binden, und sind so wichtige CO2-Speicher. Das ist der Grund, warum die Politiker in Berlin und Hannover die Moore wieder vernässen wollen.
"In der Natur würde das 50 bis 100 Jahre dauern"
In der Natur braucht das Wachstum der Torfmoose allerdings enorm viel Zeit. Denn Torfmoose sind sensible Pflanzen, die sich erst durchsetzen, wenn andere Pflanzen wie Gräser und Binsen auf dem nährstoffarmen Boden nicht mehr gedeihen könnten. "In der Natur", sagt Behrmann, "würde das 50 bis 100 Jahre dauern". Zeit, die die Menschheit angesichts des fortschreitenden Klimawandels nicht mehr hat. Deshalb findet hier im Ahlenmoor ein groß angelegter, maschineller Umbau des Bodens statt.

Und deshalb stehen an diesem Vormittag freiwillige Helfer, um die Torfmoose per Hand auszusäen. Zu Fuß geht es tief hinein ins Gelände. Zu einer Fläche, die von einem schmalen Wassergraben eingefasst ist. Auf diesen 3000 Quadratmetern sollen Torfmoose gezüchtet werden. Nebenan gedeihen schon erste Moose, die Fläche wurde schon im vergangene Jahr als Zuchtfläche hergerichtet.
Drei Jahre dauert es, bis daraus ein dichter, grüner Teppich entsteht, sagt Eric Thieme. Den kann man dann abernten und auf den Flächen drumherum aussäen. "Das ist so, als wenn man Rosen schneidet. Aus dem Schnitt wachsen wieder neue Torfmoose."
30 bis 60 Zentimeter Erde wurden abgetragen
Allerdings nur, wenn der Boden nährstoffarm ist. Deshalb sind im Ahlenmoor als erstes die Bagger angerückt. Auf allen Flächen, die demnächst vernässt werden, wurde die obere Erdschicht, 30 bis 60 Zentimeter, abgetragen. Es ist das, was Jan Heusmann "umgraben" nennt. Der Grund: Die Flächen hier waren vorher Wiesen, die durch die intensive Landwirtschaft jahrelang gut mit Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphat versorgt wurden. "Darauf könnte kein Torfmoos gedeihen", sagt Thieme. Mit dieser Erde wurden dann die Entwässerungsgräben zugeschüttet und Wälle gebaut - die Voraussetzung, damit die Flächen immer nasser werden.

Eric Thieme weiß, wovon er spricht. Der Agraringenieur ist Experte für Renaturierung bei der Firma Gramoflor und heute eigens aus Vechta angereist. Seine Firma wiederum, einst ein reines Torfabbau-Unternehmen, hat sich quasi vom Saulus zum Paulus gewandelt. "Wir rekultivieren unsere Torabbau-Gebiete schon seit mehr als einem Jahrzehnt, in dem wir nicht nur vernässen, sondern dort auch wieder neue Torfmoose ansiedeln", erzählt er.
Diese Technik kommt nun auch bei dem großangelegten Vernässungsprojekt im Ahlenmoor zum Zug. Im Herbst 2026, erzählt Thieme, soll auf 3 Hektar der erste Polder angelegt werden. "Und wenn das Wetter mitspielt und alles klappt, sollen dann jedes Jahr 15 weitere Hektar folgen." Bis 2040 dann die kompletten 200 Hektar vernässt sind. "Es ist Pionierarbeit, die wir hier leisten", sagt Thieme, "aber es ist Pionierarbeit für eine gute Sache."
Von Inga Hansen