Friseurin Martha Ketelhut in ihrem kleinen Frisiersalon in ihrem Wohnhaus in Ihlienworth. Sie sah sich während des Lockdowns im April dem Vorwurf ausgesetzt, Kunden illegal frisiert zu haben. Das Amtsgericht Cuxhaven stellte das Bußgeldverfahren gegen sie ein. Foto: Rohde
Friseurin Martha Ketelhut in ihrem kleinen Frisiersalon in ihrem Wohnhaus in Ihlienworth. Sie sah sich während des Lockdowns im April dem Vorwurf ausgesetzt, Kunden illegal frisiert zu haben. Das Amtsgericht Cuxhaven stellte das Bußgeldverfahren gegen sie ein. Foto: Rohde
Friseurin

Nach Corona-Anzeige in Ihlienworth: Kein illegaler Friseur-Salon im Container

von Ulrich Rohde | 24.10.2020

IHLIENWORTH. Das Amtsgericht Cuxhaven gab jetzt einer Ihlienworther Friseurin recht, die sich gegen ein hohes Corona-Bußgeld gewehrt hatte.

Martha Ketelhut hätte kaum überraschter sein können, als sie am 22. April aus dem Garten ihres Sohnes nach Hause zurückkehrte. Polizeiautos blockierten die Auffahrt. Als die Friseurmeisterin - obgleich schon im Ruhestand, führt sie ihren Salon an drei Wochentagen weiter - nähertrat, sah sie sich mit einem erheblichen Vorwurf konfrontiert. Sie soll ihren Salon weitergeführt haben, obwohl sie es während des Corona-Lockdowns nicht durfte.

Martha Ketelhut drohte eine empfindliche Geldbuße. Auch ihre angeblichen Kunden mussten mit einer Ordnungsstrafe rechnen. Nur: Die Friseurin war sich keiner Schuld bewusst. Denn Kunden hatte sie nicht mehr bedient, seit die Schließung aller Friseursalons angeordnet worden war. Gleichwohl zog ihr Fall weite Kreise und wurde von verschiedenen Medien aufgegriffen, auch von unserer Zeitung. Einen Tag nach dem Vorfall titelte die Niederelbe-Zeitung: "Friseurin führt Salon in Baucontainer und wird erwischt." Die Information hatte die Polizeiinspektion Cuxhaven als Pressemeldung herausgegeben. Sie erwies sich im Nachhinein als falsch.

Zu viel Interpretation?

"Die Polizei hat einfach hineininterpretiert, dass ich Kunden frisiert hätte. Aber das stimmte einfach nicht", sagt Martha Ketelhut und erzählt die Geschichte aus ihrer Sicht der Reihe nach: Sie hatte unlängst das Haus, in dem sie früher ihren Salon geführt hatte, verkauft. An ihrem Wohnhaus an der Hauptstraße in Ihlienworth wollte sie sich in einem Anbau ein Zimmer als Salon einrichten, um auch als Rentnerin weiterhin in ihrem Beruf tätig bleiben zu können. Wegen der Umbauarbeiten hatte die 69-Jährige einen Baucontainer gemietet und ihren Salon provisorisch für den Übergang dort eingerichtet. Als die niedersächsische Corona-Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen griff und alle Friseurläden schließen mussten, konnten die Bauarbeiter den Container für Pausen nutzen. Hier gab es eine Toilette und ein Waschbecken. Ihr bewegliches Handwerkszeug - Scheren, Kämme und Föhn - hatte Martha Ketelhut bereits im Wohnhaus verstaut.

"Angeschwärzt worden"

An jenem 22. April besuchte sie eine Stammkundin mit ihrem Bruder. Weil Martha Ketelhut noch nicht wieder da war, setzten sich die Gäste in den Container und warteten auf ihre Rückkehr. Die Kundin wollte ein Shampoo abholen. Die Friseurin geht davon aus, dass die Bewegungen im und am Haus beobachtet worden sind. Allerdings sind offenbar die falschen Schlüsse daraus gezogen worden. "Ich bin bei der Polizei angeschwärzt worden", sagt Martha Ketelhut zu der Anzeige, die bei der Ihlienworther Polizeistation einging. Nicht nur das ärgert sie, sondern auch das Verhalten der Polizeibeamten vor Ort, die aus ihrer Wahrnehmung heraus ein vorgefertigtes Bild von der Sachlage hatten und sich nicht auf ihre Erklärungen und die ihrer Kundin einlassen wollten. Angeblich hätten die beiden Besucher im Container ausgesagt, dass sie sich die Haare schneiden lassen wollten. Dem widerspricht die Kundin allerdings in einer eidesstattlichen Versicherung. Die Veröffentlichung der Pressemitteilung der Polizei tags darauf in den Medien sieht sie als Vorverurteilung und als geschäftsschädigend an. "Das war üble Nachrede", spielt sie auch auf die Personen an, die gegen sie Anzeige wegen des Betriebs eines nicht genehmigten Frisörgeschäfts, wie es im Bericht der Polizei heißt, erstattet hatten.

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Der Vorgang wurde an die Bußgeldstelle des Landkreises Cuxhaven weitergegeben. Von dort erhielt Martha Ketelhut einen Bescheid über eine Bußgeldsumme von 2103,50 Euro. Dagegen setzte sie sich juristisch zu Wehr und erhob Einspruch. Am 1. September landete der Fall beim Amtsrichter Stefan Redlin in Cuxhaven. Der Polizeibeamte, der den Sachverhalt bearbeitet hatte, blieb der Verhandlung urlaubsbedingt fern. Auch die Person, die die Anzeige gestellt hatte, erschien nicht zum Termin im Amtsgericht.

Keine Beweise vorgelegt

Die Aussagen zweier anwesender Zeugen, eines weiteren Polizeibeamten, der an dem Einsatz auf dem Grundstück beteiligt war, und einer der Personen, die die angebliche Geschäftstätigkeit auf dem Grundstück von Martha Ketelhut beobachtet haben wollten, erwiesen sich nach Beurteilung des Amtsrichters als derart uneindeutig, dass sie nichts Klärendes zur Sache beitrugen. Nicht ein einziger klarer Beweis konnte vorgebracht werden, dass die Ihlienwortherin illegal frisiert hatte. Im Gegenteil: Die entlastenden Aussagen überwogen. Also stellte Richter Redlin das Verfahren kurzerhand ein und damit den Ruf von Martha Ketelhut wieder her. Am 14. Oktober lag ihrem Anwalt der Beschluss des Amtsgerichtes schriftlich vor.

Inzwischen ist der kleine Frisiersalon im Anbau ihres Wohnhauses an der Ihlienworther Hauptstraße fertig geworden. An drei Tagen in der Woche frisiert Martha Ketelhut - ganz legal - hier ihre weiblichen und männlichen Kunden. Die haben auch in den schwierigen Tagen der zurückliegenden Monate zu ihr gehalten und sie dazu ermuntert, nicht aufzugeben und sich gegen die ungerechtfertigten Anschuldigungen zur Wehr zu setzen.

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Ulrich Rohde

Redaktionsleiter
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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