Immer wieder ging der Blick am Abend der Bundestagswahl aufs Handy. Doch die Ergebnisse wurden nicht besser. Enak Ferlemann (links) verlor sein Direktmandat für die CDU. Auch Parteifreund Lasse Weritz (rechts) war alles andere als begeistert. Archivfoto: Schoener
Immer wieder ging der Blick am Abend der Bundestagswahl aufs Handy. Doch die Ergebnisse wurden nicht besser. Enak Ferlemann (links) verlor sein Direktmandat für die CDU. Auch Parteifreund Lasse Weritz (rechts) war alles andere als begeistert. Archivfoto: Schoener
CDU-Mann erklärt die Verluste

Nach Wahl-Niederlage in Cuxhaven: Wie es für Enak Ferlemann weitergeht

29.10.2021

KREIS CUXHAVEN. Für die CDU war der Wahlabend ein Desaster. Nicht nur auf Bundesebene. Auch der erfahrene CDU-Grande Enak Ferlemann hat eine heftige Niederlage erlitten.

Enak Ferlemann hat den Wahlkreis verloren. Polit-Neuling Daniel Schneider (SPD) eroberte Cuxhaven-Stade II. Sein Amt als Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium verliert Ferlemann, wenn die Ampel-Koalition kommt. Wie er mit dem Amtsverlust fertig wird, warum der CDU-Bundestagswahlkampf so schlecht gelaufen ist und welche Chancen er jetzt noch "seiner" A20 gibt, verrät der 58-Jährige vor einer Sitzung der CDU-Kreisverbände am kommenden Wochenende im Gespräch mit Inga Hansen.

Vier Wochen ist die Bundestagswahl her. Haben Sie den ersten Schock verdaut?

Da gab es nichts zu verdauen. Ich habe von vornherein nicht damit gerechnet, dass es viel besser für uns ausgeht.

Aber das muss doch ein Schock gewesen sein. Es war die größte Wahl-Niederlage der Geschichte für die CDU. Und Sie selbst haben mehr als zwölf Prozentpunkte verloren, wurden vom SPD-Mann Daniel Schneider, einem absoluten Polit-Neuling, klar auf die Plätze verwiesen ...

Natürlich ist das enttäuschend. Aber diese Niederlage hat sich abgezeichnet. In unserem Wahlkreis spiegelt sich immer der Bundestrend wider. Auch diesmal. Niedersachsenweit haben wir als CDU um die 11, 12 Prozentpunkte verloren.

Machen Sie es sich da nicht zu einfach? Schließlich haben Sie auch bei den Erststimmen kräftig verloren ...

Das stimmt. Aber auch da hat der Bundestrend durchgeschlagen. Das kann man als Kandidat vor Ort nicht kompensieren. Auch wenn man noch so gute Arbeit gemacht hat.

Es lag also nicht an Ihnen? Aus Ihrer Partei ist zu hören, dass man Sie wiederholt gebeten hat, in den sozialen Medien präsenter zu sein?

Es ist sicher so, dass die CDU in den sozialen Medien weniger präsent war als andere. Aber das muss die Bundesebene übernehmen, nicht der Kandidat vor Ort.

Aber Sie selbst hätten doch auch mehr posten können?

Da kann man mehr machen, sicher. Aber am Wahlergebnis hätte das auch nichts geändert. Die Leute wollten den Wechsel.

Warum? Was hat die CDU denn aus Ihrer Sicht falsch gemacht?

Eine Menge. Wir hatten den falschen Kanzlerkandidaten, haben eine falsche Kampagne geführt und das Ganze auch noch schlecht kommuniziert.

Glauben Sie denn, dass Sie es mit Markus Söder geschafft hätten?

Ja. Mit ihm als Kandidaten hätten wir die 30-Prozent-Marke geknackt. Und dann hätten wir über Schwarz-Grün diskutiert oder über Jamaika. Armin Laschet kam einfach nicht an. Die große Masse der Menschen hat ihm nicht zugetraut, die Nachfolge von Angela Merkel anzutreten. Und deswegen haben sie der CDU nicht so vertraut wie in den Vorjahren.

Was bemängeln Sie an der Kampagne?

Unser Wahlkampf war inhaltsleer. Es ging um persönliche Befindlichkeiten und darum, dass der Kandidat zum falschen Zeitpunkt gelacht hat, statt um die großen Themen. Wie die Frage, wie wir nach Corona den Wirtschaftsaufschwung hinbekommen oder wie wir mit der gigantischen Verschuldung umgehen, die Deutschland aufgebaut hat. Der politische Gegner hat seine Themen gesetzt, wir haben das versäumt. Wir hätten mehr polarisieren müssen, um unsere Stammwähler zu mobilisieren. Aber wir haben gedacht, ein "Weiter so" genügt. Markus Söder hätte das anders angefangen, da bin ich sicher.

Harsche Kritik. Werden Sie das auch an diesem Sonnabend bei der bundesweiten Kreisvorsitzenden-Konferenz vorbringen, zu der die CDU-Spitze eingeladen hat?

Auf jeden Fall. Die Partei wird sich ja jetzt neu aufstellen, mit neuem Vorstand und neuem Präsidium. Und das ist absolut richtig, nach solch einem Wahl-Desaster muss es einen kompletten Neuanfang geben.

Wen wünschen Sie sich denn als neuen Vorsitzenden?

Wir brauchen auf jeden Fall eine drastische Verjüngung des Vorstands. Ich finde, die Generation der 40- bis 50-Jährigen sollte künftig die Geschicke der CDU lenken.

Da bleibt ja nur Jens Spahn, oder? Jedenfalls wenn man die Bewerber nimmt, die derzeit kursieren ...

Carsten Linnemann, der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, ist auch noch keine 50. Aber wir sind ja noch nicht so weit. Bislang gibt es ja noch gar keine offiziellen Bewerber. Wir werden am Sonnabend erst mal darüber sprechen, wie die Wahl eines neuen Vorsitzenden vonstattengehen soll. Und dann wird es einen Tag geben, bis zu dem alle Bewerber ihren Hut in den Ring werfen können.

In der Nach-Merkel-Ära sind bislang nur die Namen von Männern gefallen, wenn es um den neuen Vorsitzenden geht. Gibt's keine Frau, die das könnte?

Selbstverständlich gibt es bei uns sehr gute und kluge Frauen. Das muss man abwarten, wer sich da ins Spiel bringt. Wie gesagt, wir stehen ja erst am Anfang.

Was ist mit David McAllister? Wäre er ein Kandidat?  

Da müssen Sie ihn fragen.

Im Moment diskutiert die Partei vor allem über das Verfahren, wie die neue Führung bestimmt werden soll. Ob von den Mitgliedern oder - wie es in der CDU bislang praktiziert wurde - von den Delegierten eines Parteitags. Was meinen Sie?

Ich bin für den Mittelweg. Wir sollten die Mitglieder befragen, die Kreisverbände könnten ein Stimmungsbild ihrer Mitglieder einholen oder eine Befragung machen. Aber die Entscheidung über die neue Führung sollte ein Parteitag fällen. Allein deshalb, weil wir für einen Mitgliederentscheid die Satzung ändern müssten, und das würde Monate dauern. Für uns als CDU ist wichtig, dass wir uns baldmöglichst kraftvoll aufstellen und die Oppositionsaufgabe annehmen. Die Bürger wollen nicht, dass wir uns monatelang mit uns selber beschäftigen.

Zurück zu Ihnen: Der neue Bundestag hat sich gerade konstituiert, wenn die Ampel-Verhandlungen so weiterlaufen, kann man wohl noch vor Weihnachten mit einer neuen Regierung rechnen. Das heißt, Sie müssen Ihr Amt als Verkehrsstaatssekretär bald abgeben, nach zwölf Jahren. Fällt Ihnen das schwer?

Natürlich hätte ich mir vorstellen können, meine Arbeit dort fortzusetzen. Aber als Politiker muss man wissen, dass man ein Mandat oder ein Amt auf Zeit hat. Man muss immer damit rechnen, dass das zu Ende geht. Bei mir passiert das jetzt, und das muss man akzeptieren.

Und Sie wollen jetzt wirklich als einfacher Abgeordneter die harte Oppositionsbank drücken? Sie haben doch nach so langer Zeit im Ministerium bestimmt lukrative Angebote aus der Wirtschaft?

Ja, die gibt es. Aber ich bin Politiker aus Leidenschaft. Ich werde Parlamentarier bleiben.

Haben Sie denn die Sorge, dass Ihre Themen, wie zum Beispiel die A20, durch die Ampel beerdigt werden könnten?

Eindeutig ja. Man muss abwarten, was im Koalitionsvertrag ausgehandelt wird und wer das Verkehrsressort übernimmt. Aber es kann sein, dass die Elbe-Weser-Region der große Verlierer dieser Regierung wird.

Der große Verlierer?

Ja. Weil wichtige Infrastruktur-Projekte wie die Küstenautobahn, auf die wir hier dringend angewiesen sind, gekippt werden könnten. Und weil den Landwirten und dem Mittelstand womöglich schwere Zeiten bevorstehen.

Parlamentarische Staatssekretäre

Parlamentarische Staatssekretäre unterstützen das jeweilige Regierungsmitglied bei der Erfüllung der Regierungsaufgaben. Sie vertreten den ihnen übergeordneten Bundesminister im Deutschen Bundestag, im Bundesrat und im Kabinett und pflegen Kontakte zu den Parteien und Verbänden.

Parlamentarische Staatssekretäre müssen grundsätzlich Mitglieder des Deutschen Bundestages sein. Sie sind keine Beamtinnen oder Beamten, sondern stehen zum Bund in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis eigener Art, für das der Gesetzgeber spezielle Regelungen geschaffen hat.

Sie werden auf Vorschlag der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Bundesminister, für den dieser tätig werden soll, vom Bundespräsidenten ernannt und können jederzeit entlassen werden oder ihre Entlassung verlangen. Ihre Amtszeit endet mit dem Verlust des Abgeordnetenmandats oder dem Ausscheiden des zuständigen Ministers aus der Bundesregierung. Quelle: Bundesregierung

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

(1 Stern: Nicht gut | 5 Sterne: Sehr gut)

Feedback senden

CNV-Nachrichten-Newsletter

Hier können Sie sich für unseren CNV-Newsletter mit den aktuellen und wichtigsten Nachrichten aus der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven anmelden.

Die wichtigsten Meldungen aktuell


Lesen Sie auch...
Gesundheit

Neue Gruppe in Otterndorf: Selbsthilfe für Krebspatienten im Kreis Cuxhaven

von Wiebke Kramp

KREIS CUXHAVEN. Christiane Steffens (65) aus Otterndorf möchte Krebspatienten Mut machen. Ihnen soll der Rücken gestärkt werden, sich gegenseitig zu stützen und Austausch zu pflegen.

Am 12. November ist es soweit

Musicalsongs im Programm der Cuxhavener Sportgala

von Herwig V. Witthohn

CUXHAVEN. Sport und Kultur vereint - dass dies passt haben die Besucherinnen und Besucher der Cuxhavener Sportgala schön öfter erkennen können. Und auch bei der Gala am 12. November, 19 Uhr wird es wunderbare Songs zu hören geben.

Erstaufnahme-Einrichtungen

Wird die Kaserne in Cuxhaven eine Sammelunterkunft für Geflüchtete?

CUXHAVEN. Angesichts der steigenden Zahl an Schutzsuchenden in Niedersachsen will das Land weitere Sammelunterkünfte schaffen.

Mittelfinger gezeigt?

Nach umstrittener Geste: Verfahren gegen Cuxhavener Politiker Wegener eingestellt

von Kai Koppe

CUXHAVEN. Ein mutmaßlicher "Stinkefinger" gegen einen Querdenker-Aufzug hat für den Cuxhavener SPD-Politiker Gunnar Wegener kein gerichtliches Nachspiel.