Schöpfwerksmeister Uwe von See kann sich auf die Maschine im "Dieselschöpfwerk" verlassen. Sie arbeitet auch nach 100 Jahren noch problemlos und pumpt Wasser in die Elbe. 1953 wurde gleich nebenan ein zweites Schöpfwerk, das Elektroschöpfwerk Otterndorf, erbaut. Foto: Hartmann
Schöpfwerksmeister Uwe von See kann sich auf die Maschine im "Dieselschöpfwerk" verlassen. Sie arbeitet auch nach 100 Jahren noch problemlos und pumpt Wasser in die Elbe. 1953 wurde gleich nebenan ein zweites Schöpfwerk, das Elektroschöpfwerk Otterndorf, erbaut. Foto: Hartmann
70 Schöpfwerke in der Region

Ohne sie wäre im Kreis Cuxhaven ständig "Land unter"

12.07.2022

KREIS CUXHAVEN. Uwe von See ist der Herr über die Wasserstände des Hadelner Deich- und Gewässerverbandes. Er kontrolliert 70 Schöpfwerke zwischen Cuxhaven, Otterndorf, Neuenwalde und Lamstedt.

Fleißig sorgen deren Pumpen dafür, dass die Menschen im tieferliegenden Hinterland der Elbe sicher wohnen und wirtschaften können. Dafür genügt dem Fachmann im Schöpfwerk Otterndorf heute der Blick auf den Computer. Hier laufen alle Daten aus den Gräben, Flüssen und Seen ein. In Echtzeit. Früher war das anders. Handarbeit und weite Wege gehörten zum Tagewerk. Am Montag gab es was zu feiern. Wir mussten früher regelmäßig raus, um sämtliche Schöpfwerke im Beritt persönlich zu kontrollieren", erinnert sich der gelernte Landmaschinenmechaniker aus Steinau.

20 Mitarbeiter kontrollierten alle zwei Tage rund 800 Kilometer Gräben. Und wenn irgendwo ein Schaden festgestellt wurde, zum Beispiel an einer Pumpe, dann legten die Männer vor Ort gleich fachkundig Hand an. "Das war vor allem zeitaufwendig", sagt von See. Seit 30 Jahren arbeitet er nun schon beim Unterhaltungs- verband und sorgt mit seinem Team dafür, dass auf der insgesamt 63.000 Hektar großen Fläche kein "Land unter" herrscht. Das gilt für kleine Polderflächen beispielsweise in Neuenwalde und Steinau, das gilt für größere Gewässer, wie die Seen in Bad Bederkesa und Flögeln, das gilt für den Hadelner Kanal. Überall sind Messpunkte, die ihre Ergebnisse auf digitalem Wege ins Schöpfwerk nach Otterndorf senden. Rund um die Uhr.

Computer meldet sich

"Wir haben die 70 Stationen stets im Blick", beruhigt von See, "sobald die Wasserstände hier oder da einen kritischen Wert übersteigen, meldet sich der Computer, ein rotes Licht blinkt auf, und wir können per Knopfdruck die Pumpleistungen zielgenau steigern." Und wieder wirft der Mann mit dem grau-braunen Kurzhaarschnitt einen Blick auf den Bildschirm, der in seinem kleinen Büro im Schöpfwerk Otterndorf steht. Das gehört zu seinem Job. "Heute ist alles ruhig", sagt er betont gelassen, "es hat in den vergangenen Wochen vergleichsweise wenig geregnet."

Die Schöpfwerksanlage an der Otterndorfer Schleuse ist die größte Pumpanlage des Medemverbandes. "Sie hat schon 100 Jahre auf dem Buckel", sagt von See, "und sie läuft immer noch ohne Probleme." 24.000 Liter Wasser pro Sekunde - das entspricht dem Inhalt von rund 160 Badewannen - kann die Maschine aus dem Hinterland in die Elbe pumpen, wenn's nötig ist. Die Wassermassen aus Medem und Hadelner Kanal werden in die Druckkammer gepumpt. Ist der Wasserstand der Elbe niedrig genug, öffnen sich die Schleusentore im Deich automatisch.

Zweites Mündungsschöpfwerk

Da die Kapazitäten des ersten Schöpfwerkes nicht ausreichten, baute der Unterhaltungsverband 1953 gleich nebenan ein zweites Mündungsschöpfwerk, das sogenannte Elektroschöpfwerk Otterndorf. Hier sind zwei Pumpen stationiert. Diese können 10.000 beziehungsweise 12.000 Liter pro Sekunde in die Elbe drücken. Erst beide Schöpfwerke brachten die erwünschte Entlastung: Das Hinterland konnte "normal" bewirtschaftet werden. Rund 500 Meter Luftlinie von diesen beiden Schöpfwerken entfernt, baut das Land Niedersachsen seit vier Jahren eine neue Kanalschleuse, die Wasser aus dem Hadelner Kanal in die Elbe entlässt. Weil der Deich, der Überschwemmungen verhindern sollte, in Otterndorf aus statischen Gründen nicht weiter erhöht werden konnte, musste eine leistungsstärkere Stauschleuse her.

Während die neue Hadelner Stauschleuse errichtet wurde, baute das Land wenige Meter entfernt ein Notschöpfwerk. Kosten: rund zwei Millionen Euro. Drei Pumpen in diesem Notschöpfwerk übernahmen vorübergehend die Funktion der Stauschleuse. "Das Wasser muss raus, und zwar immer", betont von See. Im Bedarfsfall drücken die drei Pumpen dieses Notschöpfwerks jeweils 4000 Liter pro Sekunde aus dem Kanal in die Elbe.

Kanalschleuse ist übergeben

Am Montag wurde die Hadelner Kanalschleuse - das Projekt hat annähernd 30 Millionen Euro gekostet - offiziell ihrer Bestimmung übergeben. Der Probebetrieb in den letzten Tagen hat gut funktioniert, jetzt kann nichts mehr schiefgehen. Nach der Eröffnung der Stauschleuse übernimmt der Hadelner Deich- und Gewässerverband das Notschöpfwerk und betreibt es weiter. Während die Pumpen des Otterndorfer Schöpfwerks hauptsächlich die Entwässerung der Medem übernehmen, fließt über die Kanalschleuse das Wasser aus dem Hadelner Kanal in die Elbe. Im Bedarfsfall können die Pumpen des Otterndorfer Schöpfwerks über einen Durchstich bei der Entwässerung des Hadelner Kanals behilflich sein.

Jetzt sind wir optimal aufgestellt", sagt denn auch von See und zeigt sich angesichts des fortschreitenden Klimawandels erleichtert. "Sturmfluten sind hier ,oben' ja normal, und damit hatten wir bislang auch keine Probleme, aber die Extremwettereignisse mit Starkniederschlägen nehmen doch merklich zu." Der Boden sauge die Wassermassen in solchen Fällen einfach nicht schnell genug auf - Gräben liefen voll, Überschwemmungen drohten. Solche Situationen hat von See schon oft erlebt. "Im Winter 1998 beispielsweise gab es viel Schnee in unserer Region", erinnert sich der Steinauer. "Als dann die Schneeschmelze einsetzte, hatten wir richtig viel Wasser auf den Ländereien. Da waren unsere Pumpen am Limit." Aber letztlich habe man auch diese Extremsituation bewältigen können.

Steigende Energiepreise

Was dem Schöpfwerksmeister größere Sorgen bereitet, sind die steigenden Energiepreise. "Unser Verband muss für alle Anlagen pro Jahr allein 500.000 Euro Stromkosten zahlen", sagt von See. Keiner wisse, wie sich diese Situation entwickeln werde. Doch der Schutz der Menschen im Viereck zwischen Cuxhaven, Otterndorf, Neuenwalde und Lamstedt ginge vor - koste es, was es wolle. "Wir haben eine große Verantwortung", sagt von See. "Ohne unsere Schöpfwerke wäre hier ständig ,Land unter'". Spricht's und wirft wieder einen Blick auf seinen Bildschirm. "Alles ruhig", sagt er, die Wasserstände draußen im Land sind im Normbereich."

Von Andreas Schoener

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