In Otterndorf ist die Jugendherberge seit 1984 in dem denkmalgeschützten Ziegelbau an der Schleusenstraße untergebracht. Hier lebte und wirkte einst der Maler und Grafiker Carl Langhein (1872 - 1941). Foto: Kramp
In Otterndorf ist die Jugendherberge seit 1984 in dem denkmalgeschützten Ziegelbau an der Schleusenstraße untergebracht. Hier lebte und wirkte einst der Maler und Grafiker Carl Langhein (1872 - 1941). Foto: Kramp
Geschichte und aktuelle Lage

Spüldienst und Stockbetten: 100 Jahre Jugendherberge in Cuxhaven und Otterndorf

von Christian Mangels | 22.07.2020

KREIS CUXHAVEN. Vor 100 Jahren, im Juli 1920, schwappte die Idee der Jugendherbergen ins Cuxland. Die Geschichte der Unterkünfte im Kreis Cuxhaven.

Was als einfache Unterkunft im Keller der Ritzebütteler Schule begann, hat sich heute zu einem modernen Tourismusangebot gewandelt. Die Herbergen müssen sich behaupten gegen die preiswerte Konkurrenz und ein angestaubtes Image. Die Corona-Krise macht die Herausforderung nicht einfacher.

Es ist nur eine kleine, unscheinbare Meldung, aber sie kündigt Großes an: "Die Jugendherberge der Stadt Cuxhaven ist soweit eingerichtet, daß sie schon in den nächsten Tagen dem Betrieb übergeben werden kann. In den gut ausgetrockneten Kellerräumen der Ritzebütteler Schule geben 100 Matratzen den müden Wanderern eine wohnliche Lagerstatt, zum Zudecken hat das hiesige Jugendamt Wolldecken bereit gestellt", berichten die Cuxhavener Zeitung, das Cuxhavener Tageblatt und die Zeitung "Alte Liebe" im Juli 1920 übereinstimmend. Es ist die Geburtsstunde der Jugendherbergen in der Cuxhavener Region.

Sechs Jahre, nachdem auf der Burg Altena im Sauerland die erste Jugendherberge der Welt eingerichtet wurde, war die Idee nun auch an der Elbmündung angekommen. Initiatoren vor Ort waren die Cuxhavener Lehrer Karl Waller und Walter Höpcke, begeisterte Wandervögel. Sie sorgten dafür, dass in Cuxhaven preiswerte Unterkünfte für die wandernde Jugend geschaffen wurden.

Der Keller in der Ritzebütteler Schule - die Matratzen stammten aus den Unterkünften des früheren Kriegsflugplatzes Nordholz - war allerdings nur eine Übergangslösung. Bereits 1921 fand Karl Waller eine deutlich attraktivere Unterkunft für die jungen Besucher: das Feuerschiff "Senator Hargraves" - die erste schwimmende Jugendherberge Deutschlands. Die Übernachtungsgäste waren begeistert vom "romantischen Leben an Bord". "Abends saß man gemeinsam an Deck und sang seine Lieder", schwärmte die Cuxhavener Zeitung.

Stadt kaufte Militärbaracke

Die Idee der Jugendherbergen gewann mehr und mehr an Popularität. Um die vielen Wanderer unterbringen zu können, kaufte die Stadt 1926 eine ehemalige Militärbaracke, die sich auf dem heutigen Parkplatz an der Ecke Mozartstraße/Wagnerstraße befand. 30 Mädchen und 50 Jungen fanden dort Platz - viel zu wenig für die vielen Leute, die nach Cuxhaven kamen.

Im Jahr 1934 erhielten die Gäste eine standesgemäße Unterkunft: Die Jugendherberge kam im Ove-Ovens-Haus, dem ehemaligen Duhner Kurhaus, unter. Die Einrichtung, in bester Position am Duhner Strand gelegen, war eine Zeit lang Deutschlands größte Jugendherberge und genoss einen legendären Ruf. Zum Bedauern vieler treuer Gäste wurde das Haus in den 1970er-Jahren abgerissen. Eine zusätzliche Jugendherberge mit Schlafgelegenheiten für 30 bis 40 Wanderer befand sich an der Stickenbütteler Dorfstraße. Betrieben wurde sie bis Ende der 1960er-Jahre. Seit 1974 befindet sich die Cuxhavener Jugendherberge im Schlensenweg in Duhnen.

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Nicht nur in der Stadt Cuxhaven, sondern auch auf dem Land verbreitete sich die Idee der Jugendherbergen rasch. So wurde in der Wingst bereits in den 1920er-Jahren eine Herberge für junge Wanderer erbaut. Im Adressbuch von 1925 findet sich der Eintrag: "Meierhaus, Herbert, Arbeiter. Wanderbleibe Dobrock 450." Das Jugendherbergswerk übernahm das Haus einige Jahre später. Heute befindet sich die Wingster Jugendherberge an der Molkereistraße und bietet Platz für 200 Gäste.

In der Stadt Otterndorf ist die Jugendherberge seit 1984 in einem denkmalgeschützten, über eine wunderschöne Allee zugänglichen Ziegelbau an der Schleusenstraße untergebracht. Einst lebte und arbeitete hier der Maler und Grafiker Carl Langhein (1872 - 1941). 2016 und 2017 wurde die Jugendherberge umfangreich umgebaut und modernisiert.

Konzept stark gewandelt

Das Konzept der Jugendherberge hat sich in den vergangenen 100 Jahren stark gewandelt. Statt Graubrot, Stockbetten und dem berüchtigten Hagebuttentee erwarten die Besucher heute modern eingerichtete Zimmer, Getränkeautomaten und ein abwechslungsreicher Speiseplan. Und auch die Gäste haben sich verändert: Neben Schulklassen checken immer mehr Familien und Freizeitgruppen in den Herbergen ein. "Die Jugendherbergen sind heute moderne Freizeit- und Bildungsstätten mit einem breiten Angebot für Gäste aus aller Welt", sagt Katharina Pauly vom Landesverband Nordmark der Deutschen Jugendherbergen.

Eigentlich lief alles ziemlich rund für die Jugendherbergen im Cuxland - doch dann kam Corona. Wegen der Pandemie brach das traditionelle Kerngeschäft der Herbergen mit Klassenfahrten und Gruppenreisen nahezu vollständig weg. "Die Situation war dramatisch", sagt Niels Strahmann, Leiter der Otterndorfer Jugendherberge.

Mittlerweile haben die Jugendherbergen in Duhnen und Otterndorf ihren Betrieb wieder aufgenommen - mit einem strengen Hygienekonzept. Die Wingster Jugendherberge wird ihre Pforten voraussichtlich am 31. August 2020 wieder öffnen.

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Christian Mangels

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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