CDU zieht Konsequenzen im Protokoll-Streit: Anzeige gegen Cuxhavens Oberbürgermeister
Der Eklat um mutmaßliche Falschangaben in einer Ratsniederschrift spitzt sich zu: Zuerst hatte Rüdiger Kurmann ("Die Cuxhavener") rechtliche Schritte angekündigt. Die aktuelle Initiative kommt von der CDU. "Die Cuxhavener" wollen ebenfalls handeln.
Der Auslöser für die jüngste Eskalation auf Ratsebene ist eine Audioaufnahme. Das Tondokument, aus dem Unstimmigkeiten zwischen dem tatsächlichen Verlauf einer Ratssitzung und deren Verschriftlichung hervorgehen sollen, ist auf der Basis eines in der jüngsten Sitzung getroffenen Mehrheitsbeschlusses gelöscht worden. Die CDU-Ratsfraktion reagierte auf diese Nachricht, indem sie noch am Mittwoch eine Strafanzeige gegen den Oberbürgermeister vorbereitete. Die Ratsfraktion "Die Cuxhavener" kündigte an, ihrerseits die Justiz einzuschalten.
Rechtliche Schritte hatte Ratsherr Rüdiger Kurmann bereits am vergangenen Donnerstag in Aussicht gestellt: Als sich in der Sitzung (resultierend aus einer von Rot-Grün beschlossenen Niederschriften-Genehmigung) abzeichnete, dass die eingangs erwähnte Tonbandaufnahme wohl gelöscht werden würde, hatte Kurmann die Sitzung verlassen - verbunden mit dem Hinweis, er werde Anzeige wegen des Versuchs der Urkundenunterdrückung erstatten. "Es gibt Situationen, in denen ich es nicht verleugnen kann, dass ich Polizist gewesen bin", kommentierte der Kriminalhauptkommissar a. D. im Nachgang des Ratsabends. Nach seinen Worten drängt die "Cuxhavener"-Fraktion dem OB gegenüber weiterhin auf Akteneinsicht. Und: Dass man seine Ankündigung zur Stunde noch nicht umgesetzt hat, sei kein Zeichen für einen Sinneswandel. Weil inzwischen bekannt wurde, dass die Aufzeichnung vom 29. Oktober 2024 (dem Datum von Oliver Ebkens Abberufung aus mehreren städtischen Gremien) im Anschluss an die jüngste Ratssitzung tatsächlich gelöscht worden ist, sei die Notwendigkeit, rechtliche Maßnahmen zu ergreifen, sogar umso mehr gegeben.

Laut CDU nur noch eine Frage der Unterschrift
Dass die Christdemokraten diejenigen sein werden, die als erste Strafanzeige gegen Oberbürgermeister Uwe Santjer erstatten, hat Kurmann zufolge technische Gründe. In Gesprächen, die am Mittwochvormittag stattfanden, hat sich nach seinen Angaben herauskristallisiert, dass die CDU einen entsprechenden Antrag bereits ausformuliert habe. Tatsächlich hatten örtliche Unionsspitzen bereits beim traditionellen "Martinsgansessen" am Dienstagabend durchblicken lassen, mit einer Anzeige höchstens bis zur Wochenmitte warten zu wollen. Aktuell müsse das Schreiben nur noch von seinen Fraktionsmitgliedern unterschrieben werden, antwortete Fraktionschef Thiemo Röhler im Laufe des Mittwochs auf eine Nachfrage unserer Redaktion. Er sprach auch von den möglichen Folgen: Sollte die Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht bestätigt sehen, müsse der OB sein Amt bis zum Ende der Ermittlungen ruhen lassen. Diese Forderung soll bereits auf der CDU-Veranstaltung vom Vorabend zu hören gewesen sein.
Auf das umstrittene Ratsprotokoll angesprochen, wies der gelernte Jurist auf Diskrepanzen hin, die sich zum Beispiel im Vergleich zu einer Sitzungsvorlage aus dem vergangenen Frühjahr auftun. Darin beschreibt die Stadtverwaltung die Position der Kommunalaufsicht, die (Thema: Ausschuss-Abberufung des ehemaligen SPD-Ratsherren Ebken) dieselbe als unwirksam eingestuft hatte. Begründung: Ein für die Abberufungen notwendiges Ratsvotum wurde nicht erhoben. Die Niederschrift hingegen nennt ein Abstimmungsergebnis: 37-mal "Ja", null Gegenstimmen, null Enthaltungen.

Santjer: "Keine explizite Abfrage Ja oder Nein"
Er habe die Situation seinerzeit anders bewertet - auch mit Rücksicht auf die im Rat gängige Praxis bei Ausschussumbesetzungen, erklärte Uwe Santjer. Gegenüber unserem Medienhaus sprach er davon, dass am 29. Oktober "keine explizite Abfrage Ja oder Nein" stattgefunden habe. Angekommen sei gleichwohl, dass in puncto der Ausschussumbesetzungen unter den anwesenden Ratsmitgliedern ein Konsens bestehe. "Aber genau dieser Punkt ist ja auch der Grund dafür, warum es nach einem Hinweis der Kommunalaufsicht einen zweiten Wahlgang gegeben hat", ergänzte der Oberbürgermeister, der dem Vorwurf der Dokumentenunterdrückung klar widersprach: Die Tonaufzeichnung sei kein zwingend anzufertigendes Dokument, sondern ein Hilfsmittel, das allein als Gedächtnisstütze zur Erstellung des Sitzungsprotokolls gedacht sei. Letzteres wiederum erstelle die Verwaltung übrigens in der Rolle eines Dienstleisters für den Rat. Wenn dieser Rat (wie am Donnerstag geschehen) die Niederschrift beschließe, sei der Vorgang abgeschlossen - und die Löschung der Aufnahme werde vollzogen. "Das ist rechtlich einwandfrei", so der OB.
Santjers Parteikollege Gunnar Wegener appellierte angesichts einer wachsenden Eskalation an die Ratsopposition: "Als SPD-Vorsitzender möchte ich ausdrücklich darum bitten, wieder zu einer sachorientierten, konstruktiven Zusammenarbeit mit unserer Fraktion zurückzukehren." Sich gegenseitig mit rechtlichen Schritten zu bedrohen, halte er für nicht zielführend, betonte der Mehrheitsführer und wandte sich dabei namentlich an den Vorsitzenden der CDU/Die Demokraten-Gruppe: "Thiemo Röhler hat sich das Band angehört. Wenn er dabei zu der Auffassung gekommen ist, dass etwas nicht stimmt, hätte er in der letzten Ratssitzung die Möglichkeit gehabt, Änderungen vorzutragen". Im Falle einer anderen Niederschrift (dem Protokoll für die Sitzung vom 13. März, die Red.) sei dies ja genau so geschehen. "Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich die Hand reichen und darum bitten, die vielen wichtigen Beschlüsse, die es in dieser Ratsperiode noch zu fassen gilt - so weit es geht - gemeinsam zu verabschieden."
