Dr. Alexios Spyropoulos ist Gefäßchirurg und Phlebologe für Helios in Cuxhaven. Im sozialen Netzwerk Instagram klärt er über viele gesundheitliche Themen auf - auch darüber, wie unseriöse Inhalte entlarvt werden. Foto: Reese-Winne
Dr. Alexios Spyropoulos ist Gefäßchirurg und Phlebologe für Helios in Cuxhaven. Im sozialen Netzwerk Instagram klärt er über viele gesundheitliche Themen auf - auch darüber, wie unseriöse Inhalte entlarvt werden. Foto: Reese-Winne
Genau hinschauen

Cuxhaven: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie lieber nicht Ihren Influencer

von Maren Reese-Winne | 18.12.2024

Medizin-Influencer können es auf Follower-Zahlen in sechsstelliger Höhe bringen. Dieser enorme Einfluss ist längst nicht immer durch eine fachliche Qualifikation unterfüttert. Der Cuxhavener Arzt Dr. Alexios Spyropoulos rät zur gesunden Skepsis.

"Es ist gut, Verantwortung für seine eigene Gesundheit zu übernehmen", sagt Dr. Alexios Spyropoulos. Doch das, was der Gefäßchirurg und Phlebologe in jüngster Zeit erlebt, veranlasste ihn kürzlich zu einem Beitrag auf Instagram, in dem er Klartext zu Medizin-Influencern sprach.

"Sehr gute und sehr schlechte Inhalte"

Mit Beiträgen zu medizinischen Themen, Prävention, Fallbeispielen und Einblicken in den Alltag meldet sich der Facharzt - er ist Oberarzt in der gefäßchirurgischen Abteilung der Helios-Klinik Cuxhaven mit ambulanter Sprechstunde im Helios-MVZ Wagnerstraße - selber regelmäßig in dem sozialen Netzwerk Instagram zu Wort. "Es gibt dort sehr gute und sehr schlechte Inhalte", hat er beobachtet - merkwürdigerweise hätten aber oftmals ausgerechnet die Kanäle, in denen häufig irreführende Inhalte verbreitet würden, besonders viel Zulauf. "180.00, 200.000 Follower - das ist richtiger Einfluss. Aber das kann fatal werden, vor allem, wenn es um Krebs geht."

Aufmerksamkeit und Skepsis gegenüber "dem System" erzeugen

"Das sagt Dir kein Arzt" - diese oft verwendete Formulierung soll Aufmerksamkeit erregen und gleichzeitig die Skepsis der Konsumenten befeuern. "Patientinnen und Patienten sollen davon überzeugt werden, dass ihnen ihre Ärztinnen und Ärzte teure Behandlungen und schädliche Stoffe in Form von Medikamenten unnötigerweise verordnen würden, nur um sich zu bereichern. Möglichkeiten, sich auch anders zu heilen, würden ihnen angeblich aktiv verschwiegen, damit sich das System weiter an ihnen bereichern könne", erklärt Dr. Alexios Spyropoulos.

Alternativen sind oft nicht kostenlos zu haben

Wenig überraschend sei das, was dann als Alternative angepriesen wird - Geräte, Coachings, Abo-Modelle oder Nahrungsergänzungsmittel - auch selten kostenlos; dafür aber oft von zweifelhaftem Nutzen, wenn nicht gar gefährlich, warnt der Arzt. Hinter Medizin-Influencern im Netz könnten sich Blender und Betrüger verbergen. "Coach beispielsweise kann sich jeder nennen."

"Erfolgreich ist, wer mit seinen Videos polarisiert"

Warum funktionieren diese Botschaften? Seine Erfahrung: "Erfolgreich ist, wer mit seinen Videos polarisiert, das kommt gut an." Die Videos der selbst ernannten Experten seien professionell gemacht, logisch aufgebaut und pseudowissenschaftlich unterfüttert.

Wer ihnen bedingungslos folge, könne aber im schlimmsten Fall in Lebensgefahr geraten. "Die Angst kranker Menschen wird ausgenutzt. Mancher möchte eben auch gern an einfache Möglichkeiten glauben, statt einer komplizierten Behandlung ins Auge zu sehen."

Frust über Gesundheitswesen treibt Menschen ins Netz

Neben einem gestiegenen Bewusstsein für die Gesundheit treibe ganz sicher auch der Frust über Zeitmangel und lange Wartezeiten im Gesundheitswesen die Menschen ins Netz. "Ob beim Googeln die richtigen Informationen angezeigt werden, weiß man nicht. Also wendet man sich den sozialen Medien zu. Dort werden die Inhalte anders präsentiert. Dabei merkt aber durchaus nicht jeder, dass vieles, was dort verbreitet wird, einfach nur falsch ist."

In systematisch aufgebauten Netzwerken weise der eine Influencer auf den nächsten hin - so könnten sich Heilversprechen ohne wissenschaftliche Grundlage immer weiter verbreiten.  

Einfacher Weg ist oft nur ein leeres Versprechen

"Warum sollte ich Patienten willentlich falsch informieren?", fragt sich der Arzt. "Ich habe gewiss nicht Medizin studiert, um die Menschen krank zu halten." Die Zusammenarbeit der Schul- und der Komplementärmedizin sei in vielen Fällen sogar sinnvoll: "Jeder Mensch braucht seine individuelle Therapie." Das gelinge jedoch nicht mit dem einfachen Weg, den Verschwörungstheorien vorgaukeln wollten. Er als Mediziner könne Heilversprechen hinterfragen - "aber kann es auch der Nichtmediziner?"

Quellenangaben und Art der Annäherung geben Hinweise

Mehr Bewusstsein, das wollte Alexios Spyropoulos mit seinem Reel zu Medizin-Influencern, Scharlatanen und Wunderheilern auf Instagram erreichen. Natürlich sei nicht alles, was dort verbreitet werde, blanker Unsinn. Seriöse Beiträge stächen durch eine sachliche Annäherung, viele Erklärungen, Hintergrundinformationen, Quellenangaben und den Verweis auf echte Studien hervor.

Für Ärzte gilt das Heilmittelwerbegesetz

Noch eine Orientierung: "Ärzte dürfen keine Werbung machen und keine Kooperationen mit Herstellern eingehen. Grundlage dafür ist das Heilmittelwerbegesetz. Für Medizinstudenten zum Beispiel gilt dieses Verbot nicht. Ich würde immer misstrauisch werden, wenn etwas zum Verkauf angeboten wird." 

Ganz besonders legt er Patientinnen und Patienten das große Angebot an Selbsthilfegruppen ans Herz. Das Wichtigste aber bleibe bei Zweifeln das Gespräch mit dem eigenen Haus- oder Facharzt: "Schreiben Sie sich Ihre Fragen auf und nehmen Sie sie mit. Oder holen Sie sich eine zweite Meinung ein", regt er an.

Bewusstsein für seriöse Quellen schaffen

Er wird weiterhin mit der Motivation, aufzuklären, Gesundheitsthemen verständlich darzustellen und Bewusstsein für seriöse Quellen zu schaffen, bei Instagram präsent sein. Auch wenn es dann eben keine 100.000 Follower gibt, sondern bislang nur 2654 (@alexiosspy).

Die Reaktionen auf seine flammende Rede fielen jedenfalls eindeutig aus: "Danke, dass du dafür laut wirst", "Ich hoffe, dass es viele Menschen sehen. Es gibt so viele Scharlatane hier in den sozialen Medien, echt schlimm." und "Mega Beitrag - vielen Dank dafür, genauso ist es nämlich!", hieß es in den Kommentaren.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

(1 Stern: Nicht gut | 5 Sterne: Sehr gut)

Feedback senden

CNV-Nachrichten-Newsletter

Hier können Sie sich für unseren CNV-Newsletter mit den aktuellen und wichtigsten Nachrichten aus der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven anmelden.

Die wichtigsten Meldungen aktuell


Bild von Maren Reese-Winne
Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

Lesen Sie auch...
Städtepartnerschaft

Tradition seit über 30 Jahren: Cuxhavener Tanne für Weihnachtsmarkt in Hafnarfjördur

von Herwig V. Witthohn

Der Weihnachtsmarkt der isländischen Stadt Hafnarfjördur ist der einzige seiner Art und kann auf eine lange Historie zurückblicken. Und seit über drei Jahrzehnten kann er eine besondere Attraktion bieten.

Premiere in den Hapag-Hallen

Cuxhaven: Betriebe zeigen, wie energetische Sanierung gelingt - Messe feiert Premiere

von Tim Larschow

Nach Jahren ohne Baumesse feierte Cuxhaven ein Comeback: Die neue "Haus-Familie-Zukunft" informierte über nachhaltiges Bauen, Energiesparen und die Zukunft des Wohnens - mit großem Interesse und viel Gesprächsstoff. 

Komplexe Schadenslage simuliert

Blaulicht in Cuxhaven: Zugunglück, Feuer und Verletzte bei Kreisbereitschaftsübung

von Tim Larschow

Regen prasselt, Blaulicht flackert, Motoren dröhnen - mitten in Cuxhaven wird der Ernstfall geprobt. Bei der großen Kreisbereitschaftsübung zeigen Feuerwehr und DRK vollen Einsatz. 187 Kräfte waren im Einsatz. Wir haben die Bilder vom Tag.

"Das ist Taktik" 

Akteure in Cuxhaven empört: Führt Engagement für Demokratie nun zu Generalverdacht?

von Maren Reese-Winne

"Dieser Generalverdacht hilft höchstens der fortschreitenden Spaltung der Gesellschaft", sagen Cuxhavener Akteure zur beabsichtigten neuerlichen verfassungsrechtlichen Überprüfung von Nichtregierungsorganisationen im Programm "Demokratie leben!".