
In zwei Minuten: Explosives Wetterphänomen verursacht Sturm über Cuxhaven (mit Video)
Es waren Szenen, die es nur selten in Cuxhaven zu sehen gibt: Wie eine Walze rollte das Unwetter am Sonnabend nach einem heißen Sommertag über Cuxhaven hinein. Alles Wissenswerte zum beeindruckenden Wetterphänomen und ein Video gibt es im Artikel.
Wie eine Walze rollte das Unwetter am Sonnabend nach dem Ende eines heißen Sommertags über Cuxhaven hinein. Und so lautet auch der Fachbegriff für das, was viele in eindrucksvollen Bildern festhielten: Böenwalze.
Alles, was innerhalb von allenfalls drei Minuten passierte, ist in den Aufzeichnungen der Messstation an der Alten Liebe in Cuxhaven festgehalten - nur kein Tornado, denn den gab es offenkundig nicht.
Extrem-Wetter in Cuxhaven: Klassischer Kaltfrontdurchzug
Das Wetterereignis verdunkelte den Himmel über Cuxhaven und der Küste gegen 21 Uhr innerhalb weniger Minuten. "Ein klassischer Kaltfrontdurchzug", erklärt Frank Kahl, Experte des Deutschen Wetterdienstes. Die Kaltluft traf auf sehr warme Luft, die tagsüber mit südlicher Strömung aus dem Mittelmeerraum herangeführt worden war. Eine durchaus explosive Lage, die sich kurz vor Eintreten des Ereignisses in einer amtlichen Unwetterwarnung niederschlug. Minutengenau wurde für 21 Uhr das Eintreffen eines schweren Gewitters vorhergesagt.
Von Sekunde zu Sekunde wurde es dunkler (Video-Auszug). Foto: Führer
Orkanböen setzten in Cuxhaven schlagartig ein
Innerhalb von ein bis zwei Minuten fiel die Temperatur von 26 auf 16 Grad, es begann zu schütten und gleichzeitig verzeichneten die Messgeräte schlagartig einsetzende Orkanböen. Die schnellste fegte gegen 21 Uhr mit einer Geschwindigkeit von fast 116 km/h über Cuxhaven hinweg, "das entspricht einer Windstärke 11", so der Experte. Es war der dritthöchste an diesem Tag in Deutschland gemessene Wert, getoppt nur durch Spiekeroog und den Leuchtturm Alte Weser.
Extrem-Wetter in Cuxhaven: Nur ein schmaler Streifen
Das Geschehen konzentrierte sich auf einen schmalen Streifen von West nach Ost, in dem auch die Ostfriesischen Inseln (Spitzenwert der stärksten auf Spiekeroog registrierten Böe: 127,1 km/h) ordentlich etwas abbekamen, während auf Helgoland das Geschehen bereits deutlich abgemilderter ablief.
Die schlagartig einsetzen Böen zeigten am Boden die typischen Folgen eines Sommersturms. Die voll belaubten Bäume boten dem Sturm ordentlich Angriffsfläche, die Zelte für rund 600 Teilnehmer des Beachvolleyballturniers am Strand in Duhnen flogen davon oder liefen voll Wasser, Dächer wurden abgedeckt und Gegenstände durch die Gegend gewirbelt.
Kurz nach 20.30 Uhr zog das heftiges Unwetter über der Stadt Cuxhaven auf. Hier ist deutlich die Struktur der Böenwalze zu erkennen. Foto: Francke
Kein Tornado in Cuxhaven: Weder Verdachtsfall noch bestätigtes Ereignis
Nur einen Tornado, von dem in den sozialen Netzwerken hie und da die Rede war, können die Wetterexperten nicht bestätigen: "Es gibt weder Hinweise auf einen Verdachtsfall noch auf ein bestätigtes Ereignis", versichert Frank Kahl und erklärt die Terminologie: In der Meteorologie werde das umgangssprachlich als "Windhose" bezeichnete Phänomen nur noch ausschließlich als Tornado betrachtet. In Cuxhaven sei es nicht dazu gekommen, wenn auch die Wetterlage mit der Kombination von Energie in der Atmosphäre und der Windscherung das hätte hergeben können. "Die tieferliegenden Wolken zogen von West nach Ost durch, die Wolken in den höherliegenden Schichten von Süd nach Nord", erklärt er. Hierdurch entstand eine fast um 90 Grad versetzte Windscherung.
Diese Gewitterwolken haben es in sich
Videos zeigen im Zeitraffer die charakteristische rotierende Bewegung in der Böenwalze, die auch als Squall Line bezeichnet wird, wie Bernd Kunitz, der Leiter der Wetterstation auf dem Marinefliegerhorst in Nordholz, ergänzt. Die oft bedrohlich dunkel herannahenden, bogenförmigen Gewitterwolken könnten bis zu zwölf Kilometer mächtig sein, die Temperaturen darin auf minus 40 Grad oder noch darunter sinken. Die Böenwalze berge die Gefahr extremer Turbulenzen und Böen in sich. In Nordholz wurde die stärkste Böe mit 54 Knoten, etwa 100 km/h (Windstärke 10) registriert.
In der Schillerstraße mussten die Feuerwehrleute nicht nur diesen einen, sondern gleich mehrere umgefallene Bäume beseitigen. Foto: Kugler
Die Gewalt des Wettereignisses bekamen die Cuxhavener Rettungskräfte zu spüren. In der Schillerstraße wurden mehrere Bäume entwurzelt, ebenso in Altenwalde und Sahlenburg. Für die Kräfte der Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehren war der Abend ebenso beendet wie für die Kräfte der IuK (Facheinheit Information und Kommunikation), des DRK und der DLRG-Ortsgruppe Cuxhaven. Während viele mit der Unterbringung und Versorgung der rund 600 Zeltlager-Bewohner in der Notunterkunft in den BBS Cuxhaven beschäftigt waren, hatten die anderen damit zu tun, die Straßen wieder freizubekommen. Immerhin bei bald nachlassendem Niederschlag.
Auch in der Schillerstraße wütet der Sturm. Hier kippen gleich mehrere Bäume um. Foto: Kugler