Jürgen Vietor vor der Breguet Atlantic, die heute als Torwächter vor dem Kasernentor aufgestellt ist. Vor seinem Wechsel zur Lufthansa hatte er in Nordholz diesem Flugzeugtyp geflogen.  Foto: privat
Jürgen Vietor vor der Breguet Atlantic, die heute als Torwächter vor dem Kasernentor aufgestellt ist. Vor seinem Wechsel zur Lufthansa hatte er in Nordholz diesem Flugzeugtyp geflogen. Foto: privat
Mein Moment im Jahr 2024

Wie ein Gespräch mit dem Piloten der "Landshut"  Zeitgeschichte greifbar machte

von Maren Reese-Winne | 01.01.2025

Zwei Männer und eine junge Dame haben Redakteurin Maren Reese-Winne aus Cuxhaven im Jahr 2024 ganz besondere Momente verschafft. Dazu gehörte eine der einprägsamsten Begegnungen ihres bisherigen - immerhin schon über 37-jährigen - Berufslebens.

Eine der einprägsamsten Begegnungen des Jahres 2024 und meines Berufslebens ereignete sich im Januar 2024. Bei den Recherchen zum 60-jährigen Jubiläum des MFG 3 in Nordholz hatte ich einen bekannten Namen entdeckt: Einer der Ehemaligen war Pilot Jürgen Vietor.

Der Mann, der im "Deutschen Herbst" die von Terroristen entführte Lufthansa-Maschine "Landshut" auf ihrer letzten Etappe geflogen hatte, während der Anführer der Luftpiraten die Waffe gegen ihn richtete. Es ist ein Stück deutscher Geschichte, auch meiner Geschichte.

Auch Kindern konnten die dramatischen Geschehnisse damals nicht entgehen

Wie alle, die in den 70er-Jahren groß geworden sind, kannte auch ich die Fahndungsplakate mit den Portraits der RAF-Mitglieder, hatte Entführungen, Anschläge und die Reaktion der Politik mitbekommen. Im Oktober 1977 stand ich als Elfjährige mit meinen Eltern am Zaun des Gefängnisses Stuttgart-Stammheim, wo die Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe einsaßen. Wir waren auf Verwandtschaftsbesuch in der Nähe und spähten nun gespannt hinüber, um Aktivitäten zu erblicken. Denn die Freilassung der Terroristen war eine Forderung der Terroristen, die die "Landshut" in ihrer Gewalt hatten. Jürgen Vietor war zum Zeitpunkt der Flugzeugentführung Co-Pilot neben Kapitän Jürgen Schumann.

Die "Landshut" bei flirrender Hitze in Dubai, wo es statt der heutigen Wolkenkratzer nur Wüstensand gab. Foto: AP/picturealliance

Wie es weiterging, ist in Streiflichtern im Kopf geblieben: Verhandlungsführer Hans-Jürgen Wischnewski im durchgeschwitzten Hemd; Bundeskanzler Helmut Schmidt, entschlossen, dem Erpressungsversuch standzuhalten; der Mord am "Landshut"-Kapitän Jürgen Schumann und am entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer; der GSG 9-Einsatz; der Selbstmord der Terroristen; Jürgen Vietor, wie er seiner verletzten Kollegin die Treppe hinunterhalf.

Co-Pilot Jürgen Vietor und die am Bein verletzte Stewardess Gabi Dillmann verließen am 18. Oktober 1977 in Frankfurt als erste die Lufthansa-Maschine "Köln", mit der die befreiten Geiseln zurückgebracht worden waren. Foto: Heinz Wieseler/dpa

Zeit beim MFG 3 hat  ihn mitgeprägt

Das alles ging mir durch den Kopf, als ich die E-Mail an ihn verfasste. Würde er mir überhaupt antworten? Wollte er überhaupt an das Geschehen erinnert werden? Die Antwort kam prompt: "Na klar, ich melde mich!" Wir verabredeten uns und der 81-jährige Jürgen Vietor beschrieb mir neben Details des Irrflugs auch lebhaft seine bis heute nicht abgerissene Verbindung zum MFG 3.

Die Grafik zeichnet die Stationen der entführten "Landshut" nach. Grafik: dpa

Dass ihm die Fliegerei auf der Breguet Atlantic und die Zeit als Soldat in Nordholz bei der fliegerischen Herausforderung (Nachtflug mit der ramponierten Maschine durch tropische Gewitter nach Mogadischu) und der psychischen Ausnahmesituation (immer den Tod vor Augen) geholfen haben, davon ist er überzeugt.

Jürgen Vietor als Lufthansa-Kapitän - natürlich vor einer Boeing 737. Foto: privat

Jürgen Vietor erinnert zusammen mit anderen Überlebenden bis heute als Zeitzeuge an das Geschehen von damals. Nicht nur darüber, sondern auch über seine Zeit bei der Lufthansa und seine Begeisterung für Cuxhaven als Wohnmobilist auf der "Platte" konnte er fesselnd erzählen. Für mich war das tief beeindruckend. Trotz der traumatischen Erlebnisse hat Jürgen Vietor nicht zugelassen, dass auch sein Leben zerstört wurde.

Jürgen Vietor am 23. September 2017 auf dem Flughafen Friedrichshafen, wo die "Landshut" als Fracht aus Brasilien nach Deutschland zurückkehrte. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Olympischer Glanz durch "unseren Mann in Paris"

Sehr viel heiterer war der Hintergrund im Sommer bei den Olympischen Spielen. Der im Vorort Colombes (Austragungsort der Hockey-Wettbewerbe) wohnende Cuxhavener Arne Mickeleit erklärte sich sofort bereit, für uns als Olympia-Reporter tätig zu werden und schickte mit seinen Augenzeugenberichten einen Hauch olympischen Glanz nach Cuxhaven.

Arne Mickeleit genoss die Olympischen Spiele an weltbekannten Stätten in Paris und seinem Wohnort Colombes. Foto: privat

Er verabredete sogar Interviews mit Mitgliedern der beiden deutschen National-Hockeyteams, besuchte das Deutsche Haus und schwamm in der friedlich feiernden Menge mit. Ein Lichtblick in einer Zeit, in der alles nur schwierig zu sein scheint!

Arne Mickeleit mit seiner Tochter beim Spiel der Hockeydamen um die Bronzemedaille im Stadion in Colombes. Foto: privat

Ein Baby in der Familie toppt einfach alles

Doch es geht noch besser - verrät die frisch gebackene Oma an dieser Stelle. Mit der kleinen Lotta als jüngstem Familienmitglied kann das Jahr 2025 ja nur sensationell werden. Möge es auch Ihnen viele glückliche Momente bringen!

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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