Blick in die Vergangenheit: Wo heute Taucher abtauchen, förderten einst Tausende Arbeiter Kreide für die Zementproduktion. Foto: Sina Schuldt/dpa
Blick in die Vergangenheit: Wo heute Taucher abtauchen, förderten einst Tausende Arbeiter Kreide für die Zementproduktion. Foto: Sina Schuldt/dpa
Industriestandort

Tauchrevier mit Vergangenheit: Kreidesee in Hemmoor ist mehr als ein Unglücksort

von Tamina Francke | 24.05.2025

Ein tödlicher Unfall rückt den Kreidesee in Hemmoor in den Fokus. Doch das Gewässer ist mehr als nur ein Tauchspot mit Risiken - seine Geschichte reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Ein Blick auf die industrielle Vergangenheit des Sees.

Am Mittwoch (21. Mai 2025) kam es am Kreidesee in Hemmoor erneut zu einem tödlichen Tauchunfall. Die genauen Umstände sind noch nicht abschließend geklärt. Doch das tragische Ereignis lenkt einmal mehr den Blick auf den See, der längst überregional bekannt ist - nicht nur wegen seiner Tiefe, sondern auch wegen seiner Entstehung.

Industriestandort mit weltweitem Einfluss

Ursprünglich ist der Kreidesee kein natürliches Gewässer. Seine Wurzeln reichen zurück ins Jahr 1862, als zwei Hamburger Kaufleute in Hemmoor ein Zement- und Ziegelwerk gründeten. Bei Bohrungen stießen sie auf große Kreidevorkommen - ein wertvoller Rohstoff für die damals boomende Zementproduktion.

In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich die "Portland-Cementfabrik Hemmoor" zu einem der größten Arbeitgeber der Region. Rund 2000 Menschen arbeiteten zeitweise auf dem Gelände. Der in Hemmoor hergestellte Zement wurde weltweit exportiert - laut Überlieferung sogar beim Bau des Fundaments der Freiheitsstatue in New York verwendet.

Vom Tagebau zum See

In den 1960er-Jahren geriet der Betrieb wirtschaftlich unter Druck. 1976 wurde die Produktion eingestellt, kurz darauf die Pumpen abgeschaltet, die das Gelände bislang trocken gehalten hatten. Über mehrere Jahre füllte sich der Krater mit Grund-, Quell- und Regenwasser - 1982 war der heutige Kreidesee entstanden.

Was als stillgelegtes Industrieareal begann, entwickelte sich langsam weiter. Seit den 1990er-Jahren ist der See vor allem bei Tauchern beliebt - wegen seiner Sichtweite, der Tiefe von maximal 60 Metern und der ungewöhnlichen Unterwasserlandschaft. Neben versenkten Fahrzeugen und Booten finden sich dort auch Überbleibsel der Zementfabrik.

Als die Zementproduktion noch florierte: die Abbaugrube der Hemmoorer Fabrik. Foto: Zementmuseum Hemmoor/Marco Tohoff

So eindrucksvoll der See ist, so fordernd kann er auch sein. Experten weisen immer wieder darauf hin, dass nicht der See selbst das Risiko darstellt, sondern der Umgang mit der Tiefe und den technischen Herausforderungen. Wer hier taucht, sollte gut ausgebildet und ausgerüstet sein - und sich der Verantwortung bewusst.

Auch die Natur kehrt zurück

Was mit industriellem Abbau begann, ist heute ein Gelände mit unterschiedlichen Nutzungen: Der Kreidesee steht für die Geschichte der Region, zieht Freizeitsportler an und bietet zugleich Lebensraum für verschiedene Tiere. Neben Fischarten wie Forellen, Barschen oder Rotfedern leben Amphibien, Schnecken und Krebse im See. Der jüngste Unfall erinnert daran, dass der See Herausforderungen birgt. Seine Entstehung bleibt dennoch ein bemerkenswertes Beispiel für den strukturellen Wandel nach dem Ende industrieller Nutzung.

Versenkte Fahrzeuge und Geräte schaffen eine besondere Atmosphäre für Taucher. Foto: Jens-Uwe Lamm

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Tamina Francke

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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