Marcel Suchomel wandert mit seinem elektrischen Rollstuhl und zwei Solarpanels durch das Cuxland. Foto: Jan Iven
Marcel Suchomel wandert mit seinem elektrischen Rollstuhl und zwei Solarpanels durch das Cuxland. Foto: Jan Iven
Wanderer mit viel Gepäck

Obdachloser von der B73 jetzt im Kreis Cuxhaven unterwegs: Nächste Etappe steht bevor

23.09.2023

Autofahrer im südlichen Kreis Cuxhaven wundern sich derzeit über einen kuriosen Wanderer, der mit reichlich Gepäck - und Solarpaneele - unterwegs ist. Im Gespräch berichtet Marcel Suchomel von seinem Leben auf der Straße.

Mit Sack und Pack sieht man ihn in diesen Tagen im Cuxland an der Straße sitzen. Das Gesicht verborgen hinter einem wilden Bart, Sonnenbrille, Mütze und Kopfhörern. Neben ihm sein elektrischer Rollstuhl mit Anhänger, auf dem er seine Habe transportiert, die er in drei Mülltonnen aufbewahrt. Dazu zwei Solarpanels, die sein Gespann mit Energie versorgen. Bei Beverstedt wurde er kürzlich gesichtet, dann bei Bramstedt.

In acht Jahren 100 Kilometer zurückgelegt

Nun sitzt er zwischen Weißenberg und der Autobahn an der Kreisstraße und wartet, bis die Sonne die Akkus auflädt. Mit Passanten unterhält er sich gern. "Ich bin vor acht Jahren in Hamburg losgelaufen", erzählt der Mann, der Marcel Suchomel heißt und ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen stammt. Drei Jahre hatte er in Hamburg in einer Garage gelebt. Dann musste er weg, es hatte "Vorkommnisse" gegeben.

"Ich hatte die Wahl zwischen Hannover und der B73", erzählt der 42-Jährige ohne Erklärung. Er entschied sich für die B73 und wandert seitdem Richtung Westen. Etwa 100 Kilometer ist er in den acht Jahren vorangekommen, wobei er einige Umwege eingelegt hat. Zwei Jahre lang lebte er auf einem Rastplatz bei Buxtehude. Doch irgendwann hatte er zu viel Müll angehäuft. "Parkplatz-Nomade baut Pyramide an der B73" titelte eine Zeitung. Wegen "Eigengefährdung" wurde er von einem Gericht in eine Klinik eingewiesen.

Aus der Klinik wieder auf die Straße

Nun ist Suchomel wieder auf der Straße unterwegs. Sein Ziel? Der Wanderer versteht die Frage nicht geografisch. Die Antwort ist eine komplizierte Erläuterung seines Weltbildes: eine Mischung aus Science-Fiction und Esoterik, die viele als Spinnerei bezeichnen würden. Er geht davon aus, dass er sich irgendwann häuslich niederlassen kann, wenn er nur lange genug wandert. "Vielleicht werde ich mit einem Hubschrauber oder einem Ufo abgeholt", sagt er.

Bürgergeld kriegt er nicht, sagt er. Unterwegs würden ihn immer wieder Menschen mit Essen versorgen. Und Zigaretten. Und Cola, die er hauptsächlich trinkt. Er macht sich keine Sorgen. Früher hat er in der Gastronomie gearbeitet, aber das sei lange her. Mittlerweile kursiert das eine oder andere Video von ihm im Internet, wo er von einigen Leuten gefeiert wird. Suchomel hat zwar ein Tablet, auf dem er sich Notizen macht, aber keinen Internet-Anschluss und kein Telefon.

Mit seinem Rollstuhl transportiert er seine Habseligkeiten, während er selbst geht. In seinen Pausen sitzt er auf einem Cola-Kasten, der unter einer Decke verborgen ist, und lehnt an einer Mülltonne. Auch nachts schläft er so. Seine Notdurft entsorgt er in Plastiktüten. Eigentlich sagt er: "Die Kacke kommt in Plastiktüten."

Lagerplatz wird sauber hinterlassen

Mit Vermüllung gibt es offenbar keine Probleme. Sein Lagerplatz ist sauber, wenn man mal von dem Durcheinander auf seinem Gefährt absieht. Die Gemeinde Beverstedt bestätigt dies: "Er hat seine Aufenthaltsorte sauber hinterlassen", teilte Sprecherin Sarah von Salzen mit. Einige Beverstedter hätten sich bei der Gemeinde nach ihm erkundigt. Manche kannten ihn aus den Medien und hätten ihm Lebensmittel gebracht.

Auch der Polizei sind keine Beschwerden bekannt. Die Beamten haben den Wanderer einmal kontrolliert, nachdem sich einige Bürger Sorgen um ihn gemacht hatten.

Wohin geht die Wanderung?

Und wohin führt es den Wanderer nun? Eigentlich will er das gar nicht verraten. Nur so viel: "In Sandstedt soll es ja eine Fähre geben. Dann kommt Brake. Und irgendwann Holland." Das wären dann noch einmal 100 Kilometer.

Von Jan Iven

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