
"An Peinlichkeit kaum zu überbieten": Kommentar zu Windpark-Projekt in Osten
Einen Vertrauensverlust, der die finanziellen Vorteile nicht aufwiegen kann, sieht NEZ/CN-Redakteur Egbert Schröder bei der Handhabe mit dem Windkraft-Projekt in Osten. Ein Kommentar.
Das Schauspiel war an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Auf Biegen und Brechen und möglichst ohne kritische Stimmen aus der Bevölkerung wollte der Ostener Rat - bis kurz vor Sitzungsbeginn - einem Windprojektierer quasi einen Freifahrtschein der Kommune ausstellen, um sein Projekt an höherer Stelle durchzudrücken und an der Oste Windräder jenseits der Höhe von 200 Metern aufstellen zu können. Was hat die Politiker um ihren Bürgermeister Carsten Hubert dabei eigentlich geritten?
Ein Erklärungsversuch: Der Blick in die Gemeindekasse wird den Ausschlag gegeben haben. Die Aussicht, dass das Vorhaben nach jahrelangem Planungs- und Genehmigungsverfahren durch die sogenannte "Akzeptanzabgabe" vielleicht fünf- oder sechsstellige Beträge pro Jahr für die Gemeinde abwirft, hat vor lauter Dollarzeichen in den Augen den Blick auf das Wesentliche blockiert. Natürlich ist es verlockend, dass eine notorisch klamme Kommune langfristig wieder mehr Handlungsspielräume erhält. Aber geht die Rechnung auf, wenn man als Gegenleistung das Vertrauen der Bevölkerung verspielt? Nein, geht sie nicht. Dieser Preis ist zu hoch.
Doch genau auf diesem Weg befindet (oder befand?) sich der Rat. Zu Bürgermeister Carsten Hubert scheint dies noch nicht durchgedrungen zu sein. Es mutet schon ebenso waghalsig wie durchsichtig an, das gewählte Verfahren mit dem Hinweis zu verteidigen, dass man sich ja auf der (privaten) "Windmesse" im Mai über das Ostener Windparkprojekt informieren konnte. Da hätte doch jeder Interessierte etwas zum Windpark in Erfahrung bringen können: "Es ist kein Geheimnis, was der Projektierer vorhat", sagt Hubert.

Da irrt sich der erfahrene Bürgermeister aber gewaltig. Der Ball liegt im Feld der Gemeinde und nicht bei den Bürgern: Wann gab es denn eine öffentliche Präsentation in einem Ratsgremium oder gar eine offizielle Info-Veranstaltung der Gemeinde für die Bevölkerung? Die Antwort ist einfach: Die gab es nicht. Und was eine Firma an ihrem Messestand so mit einzelnen Besuchern plaudert, ist bei einem geordneten Verfahren völlig belanglos. Es ist eine Bringschuld der Gemeinde, einen solchen Planungsprozess transparent und ergebnisoffen zu begleiten und sich nicht bereits vorab auf die Seite der Investoren zu schlagen. Zu dieser Transparenz zählt auch die Einbindung und Information der Bevölkerung, wenn man glaubwürdig bleiben will.
Dass der Rat mit seinem ebenso unüberlegten wie unnötigen Vorstoß als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet ist, müsste eigentlich klar sein. Sinnlos ist die Vorgehensweise außerdem. Auf Kreisebene werden Politik und Verwaltung nicht noch einmal den Fehler begehen und bei der (aktuell laufenden) Aufstellung eines Raumordnungsprogrammes für Windparkstandorte auf lokale Befindlichkeiten Rücksicht nehmen. Beim letzten Mal war es die Ostener Schwebefähre, die als Argument gegen einen Windpark herhalten musste.
Diesmal ist es nicht zuletzt der Hinweis auf die "Energiewende", auf die sich der Rat eigentlich berufen wollte, um auf einmal einen Windpark durchzudrücken. Eine erneute Schlappe vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg wird der Kreis aber nicht riskieren. Da kann der Wunschzettel des Ostener Rates noch so lang sein.