
Cuxhaven: So kam es zum Haftbefehl nach verweigertem Test
CUXHAVEN. Seit dem 29. Dezember befindet sich der Veranstaltungsleiter der Corona-Protestbewegung "Cuxhaven geht spazieren" in Untersuchungshaft. Damit wird aber kein Vergehen im Zusammenhang mit einem Sonntagsspaziergang geahndet.
Ein Richter des Amtsgerichts Cuxhaven hatte den Haftbefehl kurz vor Weihnachten erlassen. Was dieser Entscheidung zugrunde liegt und dass diese nichts mit der bloßen Teilnahme an "Sonntagsspaziergängen"zu tun hat, erklärt der Cuxhavener Amtsgerichtsdirektor Andreas Frank.
"Der Haftbefehl ist völlig unabhängig von der Ausgangstat ausgesprochen worden", unterstreicht er. Vielmehr hatte sich der Angeklagte bei dem für den 21. Dezember anberaumten Gerichtstermin geweigert, vor Betreten des Gebäudes das Ergebnis eines zertifizierten Corona-Schnelltests vorzulegen. Im Amtsgerichtsgebäude in der Deichstraße gilt die 3-G-Regel.
90-Minuten-Frist verstreichen lassen
Eine 90-Minuten-Frist, die der zuständige Richter ihm eingeräumt hatte, um in einer der zahlreichen Teststationen in der Umgebung einen Test vornehmen zu lassen, nutzte der Angeklagte nicht. Er blieb somit aus rechtlicher Sicht unentschuldigt dem Termin fern.
Der Richter erließ daraufhin Haftbefehl gemäß Paragraf 230 Abs. 2 der Strafprozessordnung - einen Sicherungshaftbefehl, der die Anwesenheit zum nächsten Termin sichern soll.
Konsequenz war bekannt
Diese Konsequenz sei den Prozessbeteiligten vorher wohlbekannt gewesen, so Andreas Frank. Der Verteidiger habe dem Gericht schon Tage vorher mitgeteilt, dass sein Mandant nicht gewillt sei, sich testen zu lassen; der Richter habe daraufhin die dann drohende Haftanordnung angekündigt. "Dies würde auch für jeden gelten, der nicht ,Sonntagsspaziergänger‘ ist", betont der Amtsgerichtsdirektor.
Nicht jede Regel einzeln aushandeln
"Wir wollen niemanden schikanieren, aber wir können auch nicht mit jedem einzeln die Spielregeln aushandeln", stellt er fest. Er hat für das Amtsgerichtsgebäude im Rahmen des Hausrechts die 3-G-Regel erlassen und hält die Einhaltung für zumutbar. Den körperlichen Eingriff durch einen Test betrachte er als minimal im Verhältnis zum erforderlichen Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Teilnehmenden an Gerichtsverhandlungen. Im übrigen werde die 3-G-Zugangsregelung bis auf wenige Ausnahmen anstandslos von Personen auf dem Weg ins Gerichtsgebäude akzeptiert.
Testverfahren nicht vorgeschrieben
Das Gericht verlange auch nicht zwingend einen Test, der durch einen Nasenabstrich vorgenommen werde. Entscheidend sei, dass eine zertifizierte Teststelle aufgesucht werde. Ein Selbsttest - auch unter Aufsicht - werde nicht anerkannt. Insofern erübrigte sich auch das Vorschlag des Angeklagten, an der Gerichtspforte einen Spucktest unter Aufsicht durchzuführen. Ob zertifizierte Teststationen einen solchen Test anböten, entziehe sich seiner Kenntnis, so Andreas Frank.
Anhänger stellen Lage anders dar
In den sozialen Netzwerken - unter anderem auf dem Telegram-Kanal der Protestbewegung "Cuxhaven geht spazieren" - wird suggeriert, dass der Verhaftung politische Motive zugrunde liegen: Der Beklagte Ali S. sei "eingesperrt" worden, weil er auf einem "Spaziergang" im April 2021 seine Frau vor der Polizei verteidigt habe, heißt es. Unter Hashtags wie "#FreeAli" oder "#FreePapa" wird zu Beschwerden bei Behörden, Mahnwachen und Spenden aufgerufen.
Darum geht es ursprünglich
Im Strafverfahren geht es ursprünglich um einen Vorfall am 25. April: Bei einer Protestaktion soll der Angeklagte zwei Polizeibeamte attackiert und verletzt haben, nachdem zunächst dessen Frau mit diesen aneinandergeraten sein soll. Ihm werden Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte vorgeworfen.
Die Umstände sollten in der Verhandlung am 21. Dezember geklärt werden, die dann aufgrund des verweigerten Tests beendet war, bevor sie begonnen hatte. Das Verfahren soll voraussichtlich heute fortgesetzt werden.
Haftbeschwerde eingereicht
Unterdessen hat der Verteidiger des Angeklagten Beschwerde gegen den Haftbefehl eingereicht - nach Auskunft des Amtsgerichtsdirektors nicht direkt nach dessen Erlass, sondern erst als Reaktion auf die Verhaftung am 29. Dezember. Nach neuerlicher Überprüfung durch den zuständigen Richter beim Amtsgericht Cuxhaven, der an seiner Entscheidung festhält, hat nun das Landgericht Stade über die Beschwerde zu entscheiden.
Präzedenzfälle sind der dortigen Pressesprecherin und Richterin Petra Linzer bis dato nicht bekannt. Eine Entscheidung stand bis zum Redaktionsschluss am Mittwoch aus. Die vermutlich erstmalige Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme dürfte Signalcharakter ausüben.
Im Landgerichtsgebäude in Stade gilt übrigens ebenfalls 3G. Entscheidungen über abweichende Regeln können - genau so ist es auch in Cuxhaven und den anderen Gerichten - in Einzelfällen die jeweiligen Vorsitzenden treffen.
Jeder Häftling wird getestet
Gleich nach der Verhaftung haben Mitstreiter des Angeklagten aus Cuxhaven zu Mahnwachen vor der JVA Bremervörde aufgerufen. Diese haben dort in den vergangenen Tagen regelmäßig außerhalb des Geländes mit wenigen Beteiligten stattgefunden; am Montag hat die Polizei dort Platzverweise ausgesprochen, weil Beteiligte nicht bereit gewesen sein sollen, Masken zu tragen.
Nach Auskunft von Dr. Arne Wieben, Leiter der Justizvollzugsanstalt Bremervörde, kommen alle Gefangenen bei ihrer Ankunft für bis zu 14 Tage in Quarantäne und werden bei Aufnahme einem PCR-Test unterzogen, denen auf Anweisung des Anstaltsarztes weitere folgen können. Die Zugangsstation könne erst nach Freigabe durch den Arzt verlassen werden.