
Vierte Impfung gegen Corona: Erste Heimbewohner in Cuxhaven geimpft
KREIS CUXHAVEN. In einigen Seniorenheimen in Cuxhaven impft der Arzt Klaus-Gerrit Gerdts manche Patienten zum vierten Mal gegen das Coronavirus. Ein Virologe erklärt, für wen die vierte Impfung aktuell Sinn macht.
Eine offizielle Marschrichtung seitens des Landes, des Bundes oder der Stiko (Ständige Impfkommission) gibt es dafür nicht, der Landkreis ist entsprechend zurückhaltend. "Die Initiative zur vierten Impfung ging von den Heimen aus, wir haben das nicht aktiv angeboten", erklärt Gerdts, der für das DRK als Betriebsarzt arbeitet. Weil er auch den Booster in einigen Pflegeheimen bereits vor der offiziellen Stiko-Empfehlung verabreicht habe und das inzwischen fünf Monate her sei, hätten ihn einige Pflegeheime um die vierte Impfung gebeten. "Wegen Omikron gibt es gerade derart viele Infektionen, dass die Bewohner geschützt werden sollen", so Gerdts. Außerdem solle die Funktionsfähigkeit der Pflege aufrecht erhalten werden. "Wir impfen auch Personal", so Gerdts.
Viertimpfung angeboten
Christian Stollmeier, Leiter der Abteilung Pflege beim DRK Cuxhaven Hadeln bestätigt das. "Ich habe gelesen, dass in Bremen in den Heimen eine Viertimpfung angeboten wurde und dann unseren Betriebsarzt Herrn Gerdts gefragt", so Stollmeier. Etwa die Hälfte der Bewohner habe das Angebot einer vierten Impfung angenommen, ebenso wie einige Beschäftigte. "Das war ein freiwilliges Zusatzangebot, das als ein Baustein im Kampf gegen größere Ausbruchsgeschehen genutzt wird", so Stollmeier.
Israel und USA als Vorbild
Gerdts stützt sein Vorgehen auf die Daten aus Israel und den USA. Zum einen sei inzwischen klar, dass der Immunschutz der Boosterimpfung nach vier bis fünf Monaten nachlasse. Israel biete die Viertimpfung deshalb routinemäßig Personen ab 18 Jahren an. "Die USA bieten die vierte Impfung Menschen mit Vorerkrankungen an und es zeigt sich, dass das Risiko identisch ist mit dem Risiko der anderen Impfungen", so Gerdts. Die Schutzwirkung sei hingegen gegeben, die Fachliteratur liefere dafür eindeutige Hinweise. "Warum sollten wir also die vierte Impfung demjenigen, der sie haben möchte, nicht anbieten?", fragt Gerdts.
Landkreis Cuxhaven hält sich zurück
Der Landkreis Cuxhaven, der für die Durchführung der Impfkampagne des Landes verantwortlich ist, gibt sich bei dem Thema zurückhaltender. "Wir bieten die Viertimpfung nicht regulär bei den mobilen Teams an, sondern halten uns an die Stiko-Empfehlung", sagt Sprecherin Kirsten von der Lieth. Die Stiko empfehle eine vierte Impfung bisher nur für immunsupprimierte Patienten, also Menschen deren Immunsystem geschwächt ist. "Das ist eine individuelle Entscheidung nach medizinischer Indikation", sagt von der Lieth. Wenn ein niedergelassener Arzt die vierte Corona-Impfung für medizinisch notwendig erachte, sei es ihm im Rahmen seiner ärztlichen Kompetenz überlassen, die Impfung vorzunehmen. "Wir sind allerdings abwartend unterwegs", sagt von der Lieth.
KVN wartet mit Viertimpfung ab
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) hält sich noch zurück. "Eine offizielle Empfehlung Stiko zur vierten Impfung gibt es noch nicht. Zu dünn ist derzeit die Datenlage", sagt Sprecher Detlef Haffke. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach habe sich zuletzt eher zurückhaltend geäußert. "Er nannte die israelischen Ergebnisse "enttäuschend" und empfahl die Booster-Impfung nur bei Schwerkranken", führt Haffke aus. Die KVN wünsche sich schnelle Entscheidungen, welche Empfehlungen und Zeitabstände für welche Paten gelten. "Gerade bei hochbetagten Menschen, beispielsweise in Altersheimen, liegt die Booster-Impfung zum Teil nun schon sechs Monate zurück", so Haffke.
Omikron-Impfstoff im April
Und auch wenn es in Deutschland offenbar Ärzte gebe, die eine vierte Impfung anbieten, solle, wer auf der ganz sicheren Seite bleiben wolle, lieber abwarten. Zudem setze die KVN auf einen an die Omikron-Variante angepassten Wirkstoff, dessen Zulassung im April erwartet werde. "Bis dahin hat auch die Stiko eine Empfehlung für die vierte Impfung abgegeben", so Haffke.
Virologe ordnet ein
Der Virologe Professor Andreas Dotzauer, Leiter des Laboratoriums für Virologie an der Universität Bremen, erklärt, für wen die vierte Impfung Sinn macht. "Die Viertimpfung bietet schon einen höheren Schutz als der Booster, wenn auch nicht mehr ganz so hoch wie die Impfungen davor", sagt Dotzauer grundsätzlich. Experten schätzten, dass die vierte Impfung etwa drei bis vier Mal höher vor schweren Verläufen und etwa zwei mal höher vor einer Infektion schützt, als die Impfungen davor.
"Wild drauflos impfen" nicht sinnvoll
"Es stellt sich aber die Frage: Wie sinnvoll ist die vierte Impfung überhaupt?", sagt Dotzauer. Denn die bisherigen Daten aus Israel zeigten, dass eine vierte Impfung bei Risikopatienten im Zeitraum von vier bis sechs Monaten nach der Booster-Impfung Sinn macht. "Wild drauflos impfen macht hingegen keinen Sinn", so Dotzauer.
Impfstoff müsse angepasst werden
Wenn jetzt willkürlich jeder eine vierte Impfung erhalte, führe das zu einem neuen Problem: "Das Immunsystem ist lernfähig. Je häufiger es in Kontakt mit einem bestimmten Antigen kommt, hier ist es das Spike-Protein, desto besser erkennt es genau dieses. Durch die bessere Anpassung der Antikörper an die spezifische Antigenstruktur geht die Eigenschaft verloren, verschiedene Strukturvarianten des Antigens noch gut zu erkennen", erklärt er. In den aktuellen Impfstoffen dienten die Proteine der ersten Virusvariante als Antigen. "Das heißt: Wenn die neuen Virusvarianten kommen, binden die Antikörper nicht mehr so gut, die Impfung für die Varianten wird schwächer", so Dotzauer. Deshalb müsse der Impfstoff also jetzt angepasst werden.
Wiederholungsimpfungen notwendig
Das sei auch einer der Gründe für die Zurückhaltung der Stiko eine Empfehlung für eine Viertimpfung heraus zugeben. Außerdem fehle es der Stiko an einer breiten Datenlage. Dotzauer sagt deshalb, für Menschen in der Risikogruppe sei eine vierte Impfung sinnvoll. Für andere nur dann, wenn vier bis sechs Monate seit der Booster-Impfung vergangen seien. "Es ist schon so, dass eine vierte Impfung das Immunsystem noch einmal hochpusht", so Dotzauer. Grundsätzlich gehe er davon aus, dass Wiederholungsimpfungen zum Schutz vor Corona notwendig sein werden. "Aber man weiß zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mit welchem zeitlichen Muster und mit welchem Impfstoff", so Dotzauer.
Herbst wieder viele Infektionen
Dass sich die Lage angesichts der vielen Omikron-Infektionen aber der akzeptablen Entwicklung in den Krankenhäusern entspannt, glaubt Dotzauer nicht. "Die Situation im Moment ist labil, ich gehe davon aus, dass wir im Herbst wieder ein ähnliches Bild haben wie in diesem Jahr." Durchseuchung und der damit verbundenen Hoffnung auf Herdenimmunität winkt Dotzauer ab. "Durch den milden Verlauf der Omikron-Variante bildet sich auch nur eine schwächere Immunreaktion als etwa bei einer Impfung. Das Risiko für eine erneute Ansteckung bleibt also", so der Experte. Wichtig sei deshalb jetzt, den Impfstoff anzupassen und die Schutzmaßnahmen aufrecht zu erhalten.