Feuchtigkeit und marode Leitungen: Bei dem Verfahren ging es um Missstände im Hochhaus am John-Brinckman-Weg. Foto: Reese-Winne
Feuchtigkeit und marode Leitungen: Bei dem Verfahren ging es um Missstände im Hochhaus am John-Brinckman-Weg. Foto: Reese-Winne
Gericht bestätigt Missstände

Missstände in Wohnung in Cuxhaven: Alpha Property Management bleibt Verhandlung fern

von Maren Reese-Winne | 16.01.2024

Die Gegenseite erschien nicht, als es am Dienstag im Amtsgericht Cuxhaven um unsägliche Verhältnisse in der Wohnung einer 94-jährigen Bewohnerin im Hochhaus der insolventen Alpha Real Estate im Stadtteil Süderwisch ging.

Die Missstände in der Wohnung der damals 93-Jährigen hatten schon im August 2023 in Cuxhaven Schlagzeilen gemacht. Der Bericht unseres Medienhauses über das im Spülbecken hochkommende und auf den Fußboden überschwappende Schmutzwasser, wachsende Schimmelkolonien und die hilflosen Reaktionen des Vermieters erreichte auch den damaligen Alpha-Real-Estate-CEO (Geschäftsführer) Peter Buhrmann, der sich - wenig begeistert - zu Unrecht angegriffen sah. Natürlich wünsche er niemandem solche Wohnverhältnisse, verteidigte er sich in einem Telefonat und beteuerte, dass eine Reparatur längst beauftragt sei - wenn nur die Handwerksbetriebe Kapazitäten hätten ...

Freie Bahn für den Schimmel

Passiert ist seither bis auf hilflos erscheinende Erstmaßnahmen nichts in der Erdgeschosswohnung im John-Brinckman-Weg 5, in der die inzwischen 94-Jährige nach wie vor lebt. Schwarze Schimmelschichten bahnen sich ihren Weg entlang der Fußleisten, in den Ecken, hinter dem Bett entlang und inzwischen auch an Schlafzimmerwand und -decke.

Im Schlafzimmer blüht der Schimmel nicht nur am Boden, sondern auch an der Decke. Foto: red

Mietminderung um 50 % nun auch gerichtlich anerkannt

Verhältnisse, die eine Mietminderung um 50 Prozent allemal rechtfertigten, so Jörg Wichmann, Richter am Amtsgericht Cuxhaven. Die Familie der Mieterin, die seit einem Jahr nur noch 400 statt 800 Euro monatlich überweist, hat es nun schriftlich, dass diese Minderung gerichtsfest ist - zumal die Gegenseite diese Mängel inzwischen auch anerkannt hat.

Formaler Gegner der Mieterin in diesem Zivilverfahren war die Alpha Property Management GmbH & Co. KG, eine der Unter-Gesellschaften im Alpha Real Estate-Geflecht. Sie versah die Hausverwaltungsaufgabe und befindet sich ebenfalls seit dem 27. November 2023 im Insolvenzverfahren in vorläufiger Eigenverwaltung.

"Wohnung vergammelt täglich mehr"

Anhand der vorliegenden Fotos hielt Richter Jörg Wichmann einen Verbleib in der Wohnung für kaum zumutbar. In sicherlich drei Räumen müsse bei einer Reparatur der Estrich raus, vermutete der Schwiegersohn der Bewohnerin, der an ihrer Stelle im Gerichtssaal die Verhältnisse schilderte. "Die Wohnung vergammelt täglich mehr. Es wäre schon etwas getan, wenn wenigstens kein Schmutzwasser mehr aus der nächsthöheren Wohnung hineinfließen würde. Es müsste jemand kommen, um die Schäden zu beurteilen und zu reparieren."

Gewohntes Wohnumfeld wiegt im Alter schwer

Zu seiner Enttäuschung konnte jedoch gemäß der Anklage in diesem Verfahren der Vermieter nicht dazu verteilt werden, endlich die notwendigen Reparaturen vornehmen zu lassen. Darauf hätte die Familie gehofft. Die Schwiegermutter wolle unbedingt in ihrer vertrauten Umgebung bleiben. Sie arrangiere sich lieber mit den widrigen Verhältnissen, als an Auszug zu denken, berichtet der Schwiegersohn nach der knappen Stunde im Gerichtssaal auf dem Flur.

Unappetitliche Brühe landet in der Wohnung

Er hat Fotos dabei und zeigt, wie der Schimmel sich immer weiter seinen Weg bahnt. Angefangen habe alles im November 2022: Plötzlich stieg das Wasser im Spülbecken der Seniorin nach oben, sobald die Mieter in den höheren Etagen ihre Spül- oder Waschmaschinen anstellten oder den Stöpsel an ihren Handspülbecken zogen. Die unappetitliche Brühe musste per Hand aus dem Becken geschöpft und mit einem Eimer ins Bad geschleppt werden; wenn sie überschwappte, stand der Küchenboden unter Wasser.

Der Blick ins Schlafzimmer zeigt einen sich ausbreitenden Schimmelbefall. Foto: red

Unternehmen seien beauftragt worden, mit Spiralen die Leitungen frei zu machen und hätten dabei Sorge geäußert, damit noch größere Schäden auszulösen. Mit Chlorspray sei vergeblich versucht worden, dem Schimmel zu Leibe zu rücken. "Als es uns reichte und wir das Spülbecken verschlossen, kam das Wasser beim Mieter der darüberliegenden Wohnung hoch", berichtet der Schwiegersohn.

Loch im Boden sollte Problemlösung darstellen

In der Wohnung der 94-Jährigen sammelte sich das Wasser nun nicht mehr in der Spüle, aber dafür in einer schon stark angeschimmelten Küchenecke. "Lösung": "Es wurde ein Loch in den Boden gebohrt, damit das Wasser nun in den Keller läuft." Dieser Zustand soll bis heute anhalten.

Der Schimmel dehnt sich über immer mehr Räume aus und hat längst das Schlafzimmer erreicht. Foto: red

Richter übt Kritik an Praxis der Wohnungsgesellschaften

Dass Wohnungsgesellschaften ihre Mieter so im Regen stehen lassen können, bewegte Richter Wichmann, der auch stellvertretender Amtsgerichtsdirektor ist, zu deutlicher Kritik, zumal es sich um keinen Einzelfall handle. So krass sei es bis vor zwei Jahren in Cuxhaven nicht gewesen, bemerkte auch Rechtsanwalt Ulf Grabow, der auch Vorsitzender des Mietervereins Cuxhaven ist.

Genau genommen sind es zwei Vermietungsgesellschaften in Cuxhaven, die vor allem 2023 von sich reden gemacht haben - neben der Alpha Real Estate die Nord Wohnen Portfolio 1 GmbH, die irgendwann beschloss, die Zahlungen für die Trinkwasserversorgung einzustellen und ihre Mieter im Gorch-Fock-Viertel damit in erhebliche Bedrängnis brachte. Ein perfides Spiel: "Die Menschen sind ja auf die Wohnungen angewiesen", hieß es im Gerichtssaal.

Angst vor hohen Gerichtskosten schwingt immer mit

Die rechtliche Handhabe ist für betroffene Mieterinnen und Mieter begrenzt. Auch die Familie der 94-Jährigen steht nun vor der Frage, ob sie es wagen kann, die Wohnungssanierung einzuklagen, ohne doppelt und dreifach bei den Kosten des Verfahrens draufzuzahlen. Der Schwiegersohn erwägt, die Stadt Cuxhaven einzuschalten und um Hilfe im Rahmen des Niedersächsischen Wohnraumschutzgesetz zu bitten.

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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