Nichts geht mehr bei diesem Altkleidercontainer auf dem Karl-Grote-Platz in Altenwalde: Bei den davorgestellten Säcken und lose herumfliegenden Textilien ist klar, dass diese in diesem Moment nur noch für den Müll und nicht mehr für die Weiterverwertung taugen. Foto: Reese-Winne
Nichts geht mehr bei diesem Altkleidercontainer auf dem Karl-Grote-Platz in Altenwalde: Bei den davorgestellten Säcken und lose herumfliegenden Textilien ist klar, dass diese in diesem Moment nur noch für den Müll und nicht mehr für die Weiterverwertung taugen. Foto: Reese-Winne
Branche in der Krise 

Altkleidersammlung (nicht nur) in Cuxhaven: Wie eine gute Idee in die Hose geht

von Maren Reese-Winne | 17.07.2025

Seit Anfang 2025 dürfen Altkleider nicht mehr im Hausmüll entsorgt werden. Doch der ohnehin in Deutschland sehr ausgeprägte Sammeleifer hat seine Schattenseiten: Volle Container, mangelnde Erlöse. Auch Cuxhaven ist Schauplatz dieser weltweiten Krise.

Anfang des Jahres ist die neue EU-Verordnung zur Altkleiderentsorgung in Kraft getreten. Altkleider dürfen ab sofort nicht mehr im Hausmüll entsorgt werden dürfen. Aber wie weit gilt das wirklich? Tatsächlich könnte, was seither geschieht, einer ganzen Branche den Todesstoß versetzen.

Eins vorweg: Natürlich kann jeder wie bisher Kleidungsstücke an Freunde verschenken, auf dem Flohmarkt verkaufen oder an wohltätige Organisationen spenden. Sinnvoll ist, was die Lebensdauer eines Kleidungsstücks verlängert.

Altkleiderspenden werden in Kategorien aufgeteilt

Ein neues Leben ist grundsätzlich auch für Spenden vorgesehen, die in einem der zahlreichen Altkleidercontainer in der Stadt Cuxhaven landen. Horst Müller, Leiter des Fachbereichs Technische Dienste, gibt einen kleinen Crashkurs in Sachen Altkleiderverwertung: Der Inhalt der Kleidersäcke werde grob in drei Kategorien eingeteilt: 1. gut erhaltene Second-Hand-Ware, 2. getragene und abgenutzte Kleider, Bettwäsche und Ähnliches, 3. verschlissene, verschmutzte Textilien. "Mit denen kann niemand etwas anfangen, sie verschmutzen im Gegenteil noch die gut erhaltenen Waren."

Was dreckig und kaputt ist, darf weiter in die Tonne

Ergo: Alles, was hierzu zählt, gehört auch heute noch in die Restmülltonne. "Die Leute denken, sie dürfen gar nichts mehr in die Restmülltonne werfen. Aber das ist ein Irrglaube", erklärt Horst Müller.

Vor zunehmende Probleme stelle die Recycling- und Entsorgerbranche aber auch die Kategorie 2, mit der auf dem Second-Hand-Markt nichts mehr zu holen sei, nicht mal in einer Altkleiderklasse, die es wirklich gibt und als "Afrikaware" zu Ballen gepresst kiloweise verkauft und um den Globus geschickt wird.

Durcheinander bei den Fasern macht Recycling fast unmöglich

"Diese Ware ist nur noch stofflich zu werten", erklärt Horst Müller. Diese Verwertung sei tatsächlich auch Absicht des Gesetzgebers bei der neuen EU-Verordnung gewesen. Das Problem: Zahlreiche unterschiedliche Fasern schon in einem einzigen Kleidungsstück machen die sortenreine Trennung so gut wie unmöglich. Immer mehr billig produzierte Altkleider müssen deshalb als Abfall entsorgt werden.

Weltweit sind Absatzmöglichkeiten weggebrochen

Wenn sich einmal Müll angesammelt hat, wächst die Versuchung, seine Sachen einfach dazuzustellen. Hier bei den Glas- und Altkleidercontainern auf dem Karl-Grote-Platz in Altenwalde. Foto: Reese-Winne

Die Mengen und die minderwertige Qualität treffen auf eine Branche, die sich seit geraumer Zeit mit einer desolaten Situation konfrontiert sieht: Der osteuropäische Markt ist durch den russischen Angriffskrieg kollabiert, die afrikanischen Länder werden mit China-Ware geflutet, der Preis für Altkleider liegt am Boden. "Die Absatzmöglichkeiten sind zusammengeschmolzen", so Müller. Große, auch alteingesessene Unternehmen hätten bereits Insolvenz angemeldet, und das, obwohl die Altkleidersammlung in Deutschland bislang gut funktioniert habe: "Rund 64 Prozent der Kleidung werden zurückgeführt, das ist besser als in den meisten Ländern der EU. Ziel sind 75 Prozent." 

Altkleiderberge sammeln sich immer schneller an

Viele Verwerter kämen nun mit dem Leeren der Container im üblichen Rhythmus nicht mehr nach oder stellten die Sammlung gleich ein. "So wächst das Risiko für Müllansammlungen im Stadtgebiet", sagt Müller und meint damit Szenerien, wie sie tagtäglich zum Beispiel am Alten Weg, am Schneidemühlplatz und zurzeit auch am Karl-Grote-Platz in Altenwalde zu sehen sind, weil Kleider säckeweise oder lose neben die Sammelbehälter geworfen werden. Dabei sei das Unternehmen East-West aus Debstedt zum Glück noch ein zuverlässiger Partner bei den Abfuhren.

Altkleidercontainer auf dem Karl-Grote-Platz in Altenwalde: Kleidersäcke werden aus Bequemlichkeit vor dem Container abgestellt, wenn dieser voll ist. Foto: Reese-Winne

Wege aus dem Dilemma müssen noch gefunden werden, einer könnte in einer besseren Kennzeichnungspflicht der verarbeiteten Materialien bestehen. Verbraucher könnten über den Kauf nachhaltigerer Mode nachdenken, Second-Hand-Ware kaufen, Kleidung länger tragen oder reparieren.

Deshalb bleibt die Tonne nicht ungeleert stehen

Eines ist jedenfalls sofort möglich: Wirklich unbrauchbare, kaputte und verschmutzte Teile lieber doch im Hausmüll zu entsorgen. Niemand müsse befürchten, dass die Tonne deshalb ungeleert an der Straße stehen bleibe, versichert Müller. 

Abfallberaterin Karen von Thaden bittet außerdem darum, eben schnell zum nächsten leeren Kleidercontainer zu fahren und Säcke nicht einfach davor abzustellen, wo die Behälter voll sind. Die Standorte der Glas- und Altkleidercontainer sind im Abfuhrkalender (kostenlos erhältlich in vielen städtischen Dienststellen sowie online) verzeichnet. Über kurz oder lang soll außerdem eine App helfen, blitzschnell den nächsten Sammelplatz zu finden. 

Am Altkleidercontainer an der Bahn in Franzenburg breiteten sich diese Fasern weiträumig aus, nachdem offenbar ein abgelegter Sack geplatzt war. Foto: Reese-Winne

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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