
Das rätselhafte Verschwinden auf Neuwerk: Fragen um die vermisste Cuxhaven-Urlauberin
Bei einem Ausflug auf die Insel Neuwerk verschwindet Maren Holzen aus Braunschweig unter rätselhaften Umständen. Bei der Suche tappen alle im Dunkeln. Die Stimmen von Ehemann, der Polizei und dem Wirt, bei dem sie zuletzt eingekehrt ist.
Es sollte ein schöner, erholsamer Kurzurlaub in Cuxhaven werden. Doch die Fahrt ans Meer wird für eine Familie aus Braunschweig zum Albtraum: Die Ehefrau und zweifache Mutter Maren Holzen (53) verschwindet bei einem Ausflug auf die Insel Neuwerk spurlos.
Polizei, Inselbewohner und ihr Ehemann Ingmar Holzen (55) suchen nach ihr - doch was wirklich mit der 53-Jährigen passiert ist, bleibt rätselhaft.
Ein gewöhnlicher Ausflug nach Cuxhaven
Es beginnt mit einem völlig gewöhnlichen Ausflug zum Wattenmeer in Cuxhaven. Am 19. Mai machen Maren Holzen und Ingmar Holzen gemeinsam eine Radtour.
Danach entscheidet sie sich, mit einem Wattwagen nach Neuwerk zu fahren und spricht spontan einen Kutscher an, erinnert sich Ingmar Holzen. Ihr Mann bleibt wegen seiner Pferdeallergie zurück. Gegen 17.15 Uhr beginnt die Fahrt Richtung Neuwerk. "Sie wollte schon immer mal da hin und ich hatte nichts dagegen", sagt er.
Eine ungewöhnliche SMS und ein Bier auf Neuwerk
Grundsätzlich sei es nicht ungewöhnlich, dass sie kurzfristig für mehrere Tage alleine unterwegs ist, betont er. Doch eine SMS macht ihn dann doch stutzig: Nach ihrer Abreise schreibt sie ihrem Mann: "Hallo Ingmar! Ich bleibe auf Neuwerk‘".
Das sei untypisch: "Sie hat noch nie mit Ausrufezeichen geschrieben." Diese Nachricht ist das letzte Lebenszeichen, das Ingmar Holzen von seiner Frau erhält.

Nur eine Person hat Maren Holzen mit Sicherheit nach dieser Nachricht noch lebend gesehen und gesprochen: Hans-Werner Fock bietet nicht nur Wattfahrten an, sondern betreibt auch das Restaurant und Hotel "Das alte Fischerhaus" auf Neuwerk. An jenem Himmelfahrtswochenende war viel los auf der Insel und in der Gaststube, trotzdem erinnert sich Hans-Werner Fock an die 53-Jährige:
"Sie wirkte völlig normal. Sie hat ein Bier bestellt und ich habe sie gefragt, ob sie den Wattwagen zurück verpasst hat. Sie meinte sowas wie: ,Ja, aber das war gewollt´. Ich habe ihr ein Zimmer angeboten, aber sie wollte sich das noch mal überlegen. Dann hat sie ihr Bier ausgetrunken und ist gegangen. Ich habe mit allen Gastronomen auf der Insel gesprochen: Sie ist hier in keinem Hotel untergekommen."
Wurde sie von der Flut überrascht?
Mit den anderen Inselbewohnern, Hoteliers und Gastronomen rätselt er, was mit der Frau passiert sein könnte. "Eines ist sicher: Sie ist morgens weder zu Fuß gegangen noch mit dem Wattwagen zum Festland gefahren. Es waren nicht viele Menschen unterwegs und die Wattwagenfahrer hätten sie gesehen. Wir wissen allerdings nicht, ob sie mit dem Schiff gefahren ist. Das ist ziemlich groß - bei 500 Leuten hat man keinen Überblick, wer mitfährt", erklärt der Wirt.
Eine weitere Möglichkeit wäre, dass sie sich doch noch abends zu Fuß auf den Weg gemacht hat. "Aber vor dem Einsetzen der Flut hätte sie es nicht bis nach Cuxhaven geschafft - dann wäre sie wahrscheinlich ertrunken", sagt Hans-Werner Fock.

Genau dieses Horrorszenario hat auch ihr Ehemann vor Augen - vor allem, weil Maren Holzen zeitweise unter depressiven Schüben litt. "Wir befürchten, dass sie einen Aussetzer hatte und abends durchs Watt gelaufen ist, weil sie zurück wollte", sagt Ingmar Holzen.
Er rechnet inzwischen mit dem Schlimmsten. Trotzdem ist er zurück nach Braunschweig gefahren und versucht dort verzweifelt, das Familienleben aufrecht zu erhalten.
Ehemann aus Braunschweig: "Ich muss für meine Kinder da sein"
"Ich kann ja nicht einfach aufgeben. Das Leben geht weiter und ich muss für meine Kinder da sein", erklärt er mit brechender Stimme.
Das Paar hat eine 23-jährige Tochter und einen 15-jährigen Sohn. "Besonders für ihn ist das natürlich schlimm, weil er noch so jung ist", sagt der Vater. Er schweigt kurz, dann fährt er fort: "Natürlich hoffe ich noch, aber naheliegend ist es, dass sie ertrunken ist", sagt er.
Ingmar und Maren Holzen knapp ein Vierteljahrhundert verheiratet
Seit 31 Jahren sind Ingmar und Maren Holzen ein Paar - seit 24 Jahren verheiratet. "Nach so vielen Jahren kennt man jede Mimik des Partners und ich will mir nicht vorstellen, was sie wahrscheinlich erlebt haben muss."
Zum jetzigen Zeitpunkt wünscht sich Ingmar Holzen vor allem eines: Gewissheit - "aber im Moment sieht es so aus, als wenn ich nicht mal das bekomme. Ich habe Angst, dass sie gar nicht mehr gefunden wird."
Polizei Cuxhaven hat noch keine Antworten
Auch die Polizei kann bisher keine Antworten auf seine Fragen liefern. "Wir haben die Insel Neuwerk und das Festland nach der Frau mehrmals abgesucht. Wir sind uns sicher, dass sie sich nicht auf der Insel versteckt hält, weil man sich dort nicht länger - ohne Essen und Trinken - aufhalten kann", sagt Stephan Hertz, Sprecher der Polizei Cuxhaven.
Sein Kollege Lüder Kath ergänzt: "Es ist ein ungewöhnlicher Fall, weil so vieles unklar ist. Wir können immer noch nichts ausschließen, und es kommen weiterhin Hinweise, denen wir nachgehen. Aber je länger es dauert, desto größer ist erfahrungsgemäß die Wahrscheinlichkeit, dass sie tot ist."
Von Luise Maria Langen