Drohnen über der Nordseeküste sorgen zunehmend für Aufmerksamkeit bei den Sicherheitsbehörden. Foto: Felix Kästle/dpa
Drohnen über der Nordseeküste sorgen zunehmend für Aufmerksamkeit bei den Sicherheitsbehörden. Foto: Felix Kästle/dpa
Daniela Behrens im Interview

Drohnen, Sicherheit, AfD: Innenministerin spricht Klartext über Risiken im Norden

09.11.2025

Von Drohnen über der Nordsee bis zur Gefahr hybrider Kriegsführung: Innenministerin Daniela Behrens warnt im Interview mit der Nordsee-Zeitung vor neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen.

Frau Behrens, vor ein paar Tagen haben Sie die Berufsbildenden Schulen Schiffdorf besucht. Was hat Sie als Innenministerin dorthin geführt?

Jugendliche liegen mir am Herzen, auch wenn es nicht ganz einfach ist, miteinander ins Gespräch zu kommen. Die BBS Schiffdorf haben jetzt den Impuls aufgegriffen und wir haben zwei Stunden lang debattiert - über Tiktok, Sicherheit oder auch darüber, wie man Politikerin wird. Ein Schüler hat mich zum Beispiel gefragt, wann ich mal einen Kompromiss eingehen musste, den ich blöd fand.

Was haben Sie geantwortet?

Die Teillegalisierung von Cannabis hat mir schon einiges abverlangt.

Zurzeit beschäftigen Sie ganz andere Fragen. Wie bewerten Sie die aktuelle Sicherheitslage, die unterschwellige Gefahr, die mitschwingt, etwa wenn Drohnen über kritischer Infrastruktur gesichtet werden?

Wir sprechen von einer hybriden Bedrohungslage. Der russische Präsident Putin hat die Ukraine überfallen. Aber er richtet sein Augenmerk auch auf Europa und dort hauptsächlich auf die Länder, die die Ukraine unterstützen, also auch Deutschland. Wir erleben seit geraumer Zeit Spionage, mutmaßlich auch in Form von Drohnenflügen über kritischer Infrastruktur, auch in unserer Region. Die Polizei registriert das, weil diese Beobachtungen gemeldet werden. Ich möchte aber auch deutlich sagen, dass nicht jede Drohne am Himmel einen Spionagefall darstellt - die Drohnentechnik erfreut sich auch in Deutschland großer Beliebtheit und ist daher in vielen Haushalten zu finden. Wir brauchen in diesem Bereich eine hohe Sensibilität, zugleich aber auch eine Portion Besonnenheit. Drohnen sind aus Sicht der Sicherheitsbehörden insbesondere dort relevant, wo von ihnen offensichtliche Gefahren ausgehen können.

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens im Gespräch mit Lokalredaktionsleiter der Nordsee-Zeitung, Dirk Bliedtner, und Reporterin Heike Leuschner über aktuelle sicherheitspolitische Herausforderungen. Foto: Polgesek

Seit Monaten wird viel über Drohnensichtungen und den Umgang damit diskutiert. Warum ist das Thema erst jetzt so präsent?

Aktuell liegt uns lediglich ein begrenzt valides Lagebild vor. Einerseits werden Drohnen gemeldet, die jede Privatperson im Baumarkt kaufen kann. Wir verzeichnen aber auch Meldungen von größeren, mutmaßlich militärischen Drohnen, vor allem in der Deutschen Bucht. Wir haben zahlreiche Instrumente zur Überwachung des Luftraumes, aber die sind bisher nicht ausreichend gut vernetzt, und wir als Länder haben wenig Zugriff darauf. Deswegen brauchen wir ein gemeinsames Lagebild. Zurzeit führe ich in der Innenministerkonferenz eine Debatte darüber, wie wir - der Bund und die Länder - uns besser miteinander abstimmen. Wir brauchen ein gemeinsames Drohnenabwehrzentrum, und eine gemeinsame Strategie.

Warum haben wir ein solches Abwehrzentrum nicht bereits?

Das kann nur der Bundesinnenminister beantworten. Vor der Sommerpause in Rostock haben Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ein gemeinsames Vorgehen bei der Abwehr von Drohnenbedrohungen vereinbart. Dabei geht es um eine möglichst abgestimmte Beschaffung im Bereich der Drohnenabwehrtechnik, damit diese im Rahmen der Amtshilfe jeweils untereinander zur Verfügung gestellt werden kann und dadurch Synergieeffekte erzielt werden. Aber wir werden allein mit polizeilichen Mitteln und dem, was wir als Länder tun können, nicht gegen eine hybride Kriegsführung aus Russland ankommen. Deshalb muss der Bund das Thema aufgreifen und die Erarbeitung eines mit der Bundeswehr und den Ländern abgestimmten Konzeptes zur Drohnenabwehr entschieden und zügig vorantreiben. Der Bundesinnenminister hat angekündigt, dass er auf der nächsten Innenministerkonferenz im Dezember maßgebliche Entscheidungen vorstellt. Ich hoffe, dass das passiert, es ist dringend notwendig.

Aktuell wird viel über die Reaktivierung von Militärstandorten gesprochen. Ist es aus Ihrer Sicht dringend notwendig, stillgelegte Standorte wie in Altenwalde wiedereinzurichten?

Ob die ehemalige Kaserne in Altenwalde reaktiviert wird, kann ich nicht einschätzen. Aber ich habe großes Verständnis dafür, dass der Bundesverteidigungsminister zunächst einmal entschieden hat, dass ehemalige Standorte nicht weiter entwidmet werden sollen. Wir haben eine neue Lage, wir brauchen mehr Menschen für die Bundeswehr und damit auch Standorte.

Ob die Kaserne in Altenwalde wieder genutzt wird, ist offen - Behrens hält die Diskussion für nachvollziehbar. Foto: Reese-Winne

Schauen wir auf Kommunalwahlen in Niedersachsen im kommenden Jahr. Manche Menschen sind nur noch frustriert. Wie kann man den Bürgern die Bedeutung dieser Wahlen nahebringen?

Ich nehme das etwas anders wahr. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in den Rathäusern sind für die Menschen vor Ort häufig viel wichtiger als das, was in Hannover oder Berlin passiert. Alles, was in unseren Dörfern passiert, wird durch die Kommunalpolitik und -verwaltung gestaltet.

Muss man das den Menschen stärker klarmachen?

Ich glaube, dass die Kommunalwahl und der Wahlkampf, der damit verbunden ist, Gelegenheiten sind, mehr über Kommunalpolitik zu sprechen. Ich hoffe, dass sich viele engagierte Menschen von den anständigen Parteien zur Kommunalwahl aufstellen lassen, weil Kommunalpolitik nur funktioniert, wenn Menschen sich dafür zur Verfügung stellen.

Viele Bürger und Kommunalpolitiker rechnen damit, dass die AfD in den neuen Kommunalparlamenten eine größere Rolle spielen wird. Wie beurteilen Sie das?

Die Sorge ist berechtigt. Wir hatten bei der jüngsten Bundestagswahl in ganz Niedersachsen starke Wahlergebnisse bei der AfD. Ich habe Probleme zu verstehen, warum Menschen eine Partei wählen, die sich durch Hass und Hetze auszeichnet. Inzwischen müsste jeder diese Partei kennen und wissen, was sie will. Die AfD will aus der EU raus, aus der NATO, aus dem Euro, sie steht Putin nahe, sie will tiefgreifende und hochproblematische Veränderungen in Polizei und Justiz. Das sind keine harmlosen Positionen, die man wählt, um andere Politiker zu ärgern. Die Herausforderung für die anderen, anständigen Parteien ist es, das deutlich zu machen. Aber ich kann verstehen, dass Leute von den vielen parallelen Krisen, die wir erleben, und dem, was wir leisten müssen, gestresst sind. Das wird man aber nicht verbessern, indem man die AfD wählt.

Es hat in der Politik für Verstimmung gesorgt, dass es in Niedersachsen eine Reform der Wahlkreiszuschnitte gibt. Der SPD wird vorgeworfen, daraus Profit schlagen zu wollen. Wie sehen Sie das?

Sie sprechen die Einteilung der Wahlkreise für die nächste Landtagswahl 2027 an. Das ist ein Vorwurf, den ich als SPD-Abgeordnete nicht nachvollziehen kann. Die Wahlkreise müssen, bevor die ersten Delegiertenwahlen für die Aufstellungsversammlungen ab März 2026 stattfinden können, neu zugeschnitten werden, weil sie nicht mehr als 15 Prozent vom Durchschnitt der Wahlberechtigten abweichen dürfen. Das wurde vom Niedersächsischen Staatsgerichtshof gerichtlich festgelegt als Reaktion auf die Bevölkerungsentwicklung. Grund dafür ist, dass bei der Wahl alle Wählerinnen und Wähler die gleiche rechtliche Möglichkeit haben müssen, mit ihrer Stimme auf das Wahlergebnis Einfluss zu nehmen. Das ist nur dann gewährleistet, wenn alle Wahlkreise in etwa dem Landesdurchschnitt der Zahl der Wahlberechtigten je Wahlkreis entsprechen. Weil der Vorschlag des Landeswahlleiters in der Landespolitik nicht vollständig überzeugen konnte, haben die Regierungsfraktionen einen eigenen Vorschlag entwickelt, der nun im Parlament diskutiert wird. Bei uns in der Region hat er übrigens wenig Auswirkungen. Der südliche Wahlkreis, der von Oliver Lottke (SPD) vertreten wird, bekommt noch Ritterhude dazu, weil sonst die Bevölkerungszahlen nicht ausreichen. Als Innenministerin bin ich da aber nicht involviert.

Im Mai hatte der Messerangriff einer psychisch kranken Frau am Hamburger Hauptbahnhof, bei dem 18 Menschen verletzt wurden, auch im Cuxland Wellen geschlagen. Die Frau war erst einen Tag zuvor aus dem Ameos-Klinikum in Debstedt entlassen worden. Was ist aus der Idee geworden, das Klinikum in Bremerhaven-Mitte für die Unterbringung psychisch Kranker zu nutzen?

Ob es neue Standorte für die Betreuung psychisch auffälliger Menschen gibt, ist Sache des Gesundheitsministers. Wir als Innenminister der Länder haben sehr intensiv darüber diskutiert, wie wir mit psychisch auffälligen Menschen umgehen, die eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen können. Wir sind überzeugt, dass die Zusammenarbeit und der Datenaustausch zwischen Kliniken, Polizei und anderen Experten, die sich um psychisch auffällige Menschen kümmern, ausbaufähig ist.

Der Fall der aus Debstedt entlassenen Patientin zeigt, wie wichtig besserer Datenaustausch ist. Foto: Scheschonka

Was folgt aus dieser Erkenntnis?

Der Gesundheitsminister hat angekündigt, das Niedersächsische Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke schnellstmöglich zu ändern. Denn die Frau, die unter anderem in Debstedt und Hamburg untergebracht war, war zuvor an vielen Orten in ganz Norddeutschland behandelt worden. Sie hatte auch bereits Menschen angegriffen. Das wurde alles aber erst nach dem schrecklichen Messerangriff in Hamburg bekannt. Durch die Gesetzesnovelle, an der auch mein Haus mitgearbeitet hat, soll der Informationsfluss zwischen Gesundheitssystem und Sicherheitsbehörden und Kommunen verbessert werden. Nicht um Kranke zu stigmatisieren, sondern um Auffälligkeiten vorzubeugen. Dabei geht es um den Spagat, psychisch auffälligen Menschen zu helfen, aber auch die Mehrheit der Gesellschaft zu schützen.

Zur Person:

Daniela Behrens (57) hat in Bremen Politikwissenschaft studiert, war seit 1992 als Journalistin tätig und von 2000 bis 2007 Leiterin der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule Bremerhaven. 1996 trat die gebürtige Bremerhavenerin in die SPD ein, wurde in den Gemeinderat gewählt. 2001 kam sie in den Kreistag, 2007 als Nachrückerin in den Landtag. 2013 wurde sie Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium; 2017 trat sie von ihrem Amt zurück. 2021 übernahm sie das Sozial- und Arbeitsministerium. Als Boris Pistorius 2023 das Bundesverteidigungsministerium übernahm, übernahm Behrens die Leitung des niedersächsischen Innenministeriums. Behrens ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann im Landkreis Cuxhaven.

Von Dirk Bliedtner und Heike Leuschner

Innenministerin Daniela Behrens über aktuelle sicherheitspolitische Herausforderungen. Foto: Polgesek

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