Im Fokus der Politik: Der Wolf im Landkreis Cuxhaven bleibt Thema für Umweltminister Meyer. Foto: Armin Weigel/dpa
Im Fokus der Politik: Der Wolf im Landkreis Cuxhaven bleibt Thema für Umweltminister Meyer. Foto: Armin Weigel/dpa
Nach Ablauf der Genehmigung

"Wir werden nicht zögern": Niedersachsen hält am Wolfsabschuss im Kreis Cuxhaven fest

09.11.2025

Der Wolf im Kreis Cuxhaven: Nach Ablauf der Abschussgenehmigung verteidigt Umweltminister Christian Meyer (Grüne) das Eilverfahren - und kündigt im Interview mit der Nordsee-Zeitung an, bei neuen Angriffen schnell wieder handeln zu wollen.

Die Genehmigung für den Schnellabschuss eines Wolfs im Cuxland ist abgelaufen, ohne dass ein Tier erlegt wurde. Wie geht es nun weiter?

Die Schnellabschussregelung gilt nur für 21 Tage im Umkreis von 1000 Metern um den Riss, weil es in den ersten Tagen eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass der Wolf zurückkehrt. Das hat nun das Oberlandesgericht Lüneburg bestätigt. Wir haben diese Regelung als einziges Bundesland angewendet und werden nicht zögern, sie auch in weiteren Fällen umzusetzen.

Ich werde das immer anonym machen, ohne Riss oder Ort zu nennen, weil ich eine konsequente Umsetzung möchte. Ich kann nur appellieren, die Risse nicht gleich ins Internet zu stellen, damit die Orte nicht bekannt werden.

Wurde bereits eine neue Ausnahmegenehmigung erteilt?

Nein, das würden wir nach einem weiteren konkreten Riss machen, wenn die Voraussetzungen gegeben sind. Aber klar ist, dass wir im Raum Cuxhaven eine Häufung von Übergriffen haben, die die Gerichte in unserer aufwendigen Ausnahmegenehmigung bestätigt haben. Dort besteht eine besondere Gefahr für einen wirtschaftlichen Schaden bei Nutztieren, insbesondere Rindern. Wir stehen auf der Seite der Weidetierhalterinnen- und halter.

Umweltminister Christian Meyer (Grüne) im August 2023 am Deich in Wersabe. Foto: Umweltministerium Niedersachsen

Aber wir brauchen rechtlich eine gute Begründung, um einen Wolf zu entnehmen. Wenn es weitere Risse gibt und wenn die Voraussetzungen gegeben sind, dann werden wir in den nächsten Tagen und Wochen weitere Genehmigungen für einen Schnellabschuss erteilen.

Naturschützer werfen Ihnen vor, dass Sie den Wolf jagen lassen. Und die Jäger glauben Ihnen nicht, dass Sie es ernst meinen.

Der Wolf ist eine heimische Tierart. Er ist zurückgekehrt und das ist ein Erfolg für den Naturschutz. Aber er ist eben nicht mehr vom Aussterben bedroht, sondern wir haben in Niedersachsen mehr als 50 Wolfsrudel.

Der Wolf wird auch nicht wieder ausgerottet, wie es teilweise gefordert wird. Aber: Dort, wo er zu erheblichen Schäden führt, wo es zu Übergriffen auf Schafe kommt, die mit den vorgeschriebenen Herdenschutzmaßnahmen gesichert sind, oder im besonderen Maße auf Rinder, da muss man zum Schutz der Weidetierhaltung, die auch einen hohen Wert für die Natur hat, einschreiten. Das ist im Rechtsstaat auch für die Akzeptanz des Wolfs notwendig.

Zahlreiche Medienvertreter begleiteten Umweltminister Christian Meyer (Grüne) bei seiner Tour 2023 durch das Cuxland. Foto: Jan Iven

Bei so vielen Rissen wie im Landkreis Cuxhaven muss der Staat die Möglichkeit haben, zu reagieren. Daher müssen einzelne schadensverursachende Wölfe oder auch mal ein problematisches Rudel entnommen werden können.

Es gab Kritik, dass zu viel in der Genehmigung verraten würde. Aktivisten könnten Rückschlüsse ziehen und den Wolf vertreiben.

Wir sind laut EU-Recht dazu verpflichtet, Genehmigungen vorab zu veröffentlichen. Die Genehmigungen sollen von Gerichten überprüft werden können, das dient der Klarheit und Akzeptanz. Geheimabschüsse wären nicht rechtsstaatlich.

Wir müssen genau begründen, dass es in der Region auch wirtschaftliche Schäden gegeben hat. Diese Risse sind ohnehin dokumentiert. Die Orte werden aber geschwärzt.

Deswegen kann ich nicht nachvollziehen, dass der Kreisjägermeister sagt, dass kein Jäger den Abschuss umsetzen würde. Im Internet und in den Medien wird natürlich viel spekuliert. Das kann ich aber nicht verhindern.

Aber wir können davon ausgehen, dass der Wolf in den vergangenen Wochen von Jägern im Cuxland gejagt wurde?

Ich werde dazu nichts sagen. Klar ist, dass der Personenkreis mit dem Landkreis und der Jagdbehörde abgestimmt wird. Wir wollen nicht, dass Hobbyjäger herkommen.

Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichtes blieben nur noch drei Tage Zeit für die Jagd.

Die Gerichte haben die Jagd nur für einen Tag ausgesetzt. Während des Verfahrens war die Genehmigung in Kraft. Eine Wolfsjagd ist aber nicht einfach. Die Tiere sind nicht leicht zu identifizieren. Wir hatten schon Genehmigungen, die ein ganzes Jahr nicht umgesetzt werden konnten, weil der Wolf nicht gesichtet wurde.

Umweltminister Christian Meyer (Grüne) verteidigt den Schnellabschuss im Cuxland als rechtlich notwendig. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Kann eine Ausnahmegenehmigung in Zukunft schneller gerichtlich umgesetzt werden?

Ja. Wir haben jetzt im Landkreis Cuxhaven zum ersten Mal in Deutschland einen Schnellabschuss gerichtlich bestätigt bekommen, weil wir nicht mehr auf eine Regelung des Bundes warten wollten. Viele haben daran gezweifelt und wir wussten selbst nicht, ob sie von den Gerichten bestätigt werden würde. Beim nächsten Riss wissen alle, was zu tun ist. Natürlich kann immer dagegen geklagt werden. Aber ich halte das nach der Grundsatz-Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für relativ aussichtslos.

Die EU hat den Schutzstatus des Wolfs von "streng geschützt" auf "geschützt" gesenkt. Warum tut sich der Bund so schwer damit, die Regelungen für den Schnellabschuss zu ändern?

Ich habe mich persönlich bei der alten Bundesregierung erfolgreich für den Schnellabschuss eingesetzt. Das haben mir als Grüner viele nicht zugetraut.

Ich hatte nun erwartet, dass die neue Bundesregierung die Rechtsänderung auf EU-Ebene möglichst schnell im deutschen Recht umsetzt, damit wir nicht jedes Mal eine Einzelgenehmigung erteilen müssen. Das fordern wir auf den Umweltministerkonferenzen immer wieder vom Bund ein.

Aber es gibt Streit: Einige wollen die Bejagung generell erlauben, andere Problemwölfe in den Regionen entnehmen. Deshalb gibt es keinen Entwurf und keine Einigung zwischen dem CSU-geführten Bundeslandwirtschaftsministerium und dem SPD-geführten Bundesumweltministerium. Beide streiten sich und kriegen es irgendwie nicht hin.

Die Bundesländer setzen sich aber parteiübergreifend für ein regional-differenzierte Wolfsmanagement ein. Wir wollen nur dort eingreifen, wo es Probleme gibt, aber da, wo Wolfsrudel unauffällig sind, sie auch in Ruhe lassen. Ich habe das mal "graue Gebiete" genannt, mit häufigen Nutztierrissen wie im Landkreis Cuxhaven, in denen der Wolf außerhalb der Schonzeiten gejagt werden dürfte. Dann könnte man zeitlich und räumlich begrenzt in der Region Cuxhaven Wölfe jagen, bis die Risse aufhören.

Das klingt so, als ob die Länder pragmatisch denken und der Bund eher ideologisch.

Den Eindruck habe ich auch ein bisschen, vor allem die Länder wie Niedersachsen oder Brandenburg, die mehr Erfahrung mit dem Wolf haben, als etwa Süddeutschland. Es klingt beispielsweise sehr hilflos vom Bundeslandwirtschaftsminister, wenn dieser ständig fordert, dass der Wolf ins Jagdrecht soll. Wir haben den Wolf in Niedersachsen bereits seit 2022 im Jagdrecht. Das heißt aber nicht, dass man die Tiere beliebig jagen darf, wenn sie wie der Wolf weiterhin geschützt sind.

Im August 2023 besucht Umweltminister Christian Meyer (Grüne) die Deichschäferei in Wersabe. Die Schafe sind damals auf einer anderen Weide unterwegs. Foto: Jan Iven

Wie hat sich die Förderung für Herdenschutzmaßnahmen geändert?

Wir haben seit diesem Jahr auf Vorschlag der Schafhalterverbände eine unbürokratische Pauschalprämie eingeführt. Die Schafhalter bekommen pro Jahr und Schaf oder Ziege 40 Euro im Binnenland und 50 Euro am Deich für den Herdenschutz. Diese Prämie wird gut angenommen und wir zahlen dafür mehrere Millionen Euro pro Jahr.

Dafür müssen nicht mehr bürokratisch einzelne Anträge für Zäune oder Herdenschutzhunde gestellt werden. Für die Sommerweide von Rindern gibt es ebenfalls eine Prämie, und in Gebieten wie Cuxhaven mit gehäuften Rissen zahlen wir auf Antrag bei Pferden und Rindern 80 Prozent der Kosten für den Herdenschutz.

Sie wurden öfter von Wolfsgegnern und Naturschützern angefeindet. Ist das immer noch so?

Ja, aber es ist weniger geworden. Die Debatte hat sich beruhigt. Ich habe früher Morddrohungen erhalten. Zum Glück ist es bei verbalen Anfeindungen geblieben. Klar ist aber auch: Das wird alles zur Anzeige gebracht. Hass und Hetze werden nicht toleriert. Meine Position sehe ich eher in der Mitte zwischen den Extremen "Ausrotten" und "niemals darf ein Problemtier geschossen werden".

Wie gesagt: Ich möchte die Debatte versachlichen. Der Staat muss handeln, wenn es Probleme gibt. Es muss aber klar sein, dass wir Herdenschutz brauchen. Da darf man nicht fahrlässig sein. Denn der Wolf wird hierbleiben und er wird wieder Schaden anrichten, weil es 100-prozentigen Schutz nicht gibt. Daher brauchen wir weiter einen Ausgleich und Unterstützung für die Weidetierhalter.

Von Jan Iven

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