
Cuxhavener Rat diskutiert über Erstaufnahme in Kaserne: Emotionen kochen hoch
Im Cuxhavener Rat ging es hoch her bei der Debatte um die Erstaufnahmeeinrichtung, die das Land Niedersachsen in der ehemaligen Altenwalder Kaserne errichten will. Eine Gruppe sah sich mit Gegenwind aus fast allen anderen Fraktionen konfrontiert.
Die Debatte um die Erstaufnahmeeinrichtung, die das Land Niedersachsen in der ehemaligen Altenwalder Kaserne errichten will, schlägt weiter hohe Wellen. Jetzt war es Thema im Cuxhavener Rat. Eine Gruppe sah sich mit Gegenwind aus fast allen anderen Fraktionen konfrontiert. Auslöser war eine Vorlage, mit der Oberbürgermeister Uwe Santjer die Prämissen der Stadt Cuxhaven noch einmal festschreiben wollte und sich dafür den Konsens des gesamten Rats gewünscht hätte.
Diese Rahmenbedingungen (eine war kurz zuvor im Verwaltungsausschuss noch modifiziert worden) lauteten wie folgt: Der Rat unterstütze die Bemühungen des Landes unter der Prämisse
- dass die Betreuung und Beschulung der geflüchteten Kinder durch das Land erfolgt;
- dass das Land die Einrichtung und den Betrieb einer 24/7 besetzten Sanitätsstation sowie die ärztliche Betreuung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Erstuntersuchung gewährleistet und eine darüber hinausgehende ärztliche Versorgung frühzeitig mit der KVN (Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen) vorgeplant wird;
- dass eine maximale Belegung mit 600 Personen festgelegt wird;
- dass die Dauer des Betriebes für fünf Jahre zuzüglich weiterer fünf Jahre erfolgt, wobei nach den ersten drei Jahren eine Evaluation vorzunehmen ist;
- dass das Land die Koordination der ehrenamtlichen Tätigkeiten vor Ort realisiert
- und dass die Bemühungen um eine Aufnahmeeinrichtung des Landkreises Cuxhaven mit weiteren maximal 200 Personen in die Überlegungen einbezogen werden.
Zu weit weg von der Abmachung
Für die Gruppe CDU/Demokraten-Gruppe bedeute dies eine erhebliche Aufweichung der bisherigen Abmachungen, die sie nicht mittragen könne, erläuterte Fraktionsvorsitzender Thiemo Röhler, der auch auf die Ausführungen der Innenministeriums-Vertreterin Dr. Susanne Graf, Leiterin der Abteilung Migration, in der vergangenen Ratssitzung einging. Diese habe sehr deutlich gemacht, dass das Land sich eben nicht auf eine Obergrenze von 600 Personen und auf eine Höchstlaufzeit festlege. Die Erstaufnahme habe zudem nichts mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zu tun, vielmehr sei ein hoher Anteil alleinreisender Männer zu erwarten. Der zuvor noch enthaltene Zusatz, dass die Kinder auf dem Gelände zu beschulen seien, war Röhler zudem zu schwammig, auch bei der medizinischen Versorgung sei die Abgrenzung nicht mehr klar genug.
Lieber mitreden als überrollt werden
Uwe Santjer stellte klar, dass nach Ankündigung des Ministeriums die Einrichtung sehr wohl auch für die Aufnahme von Familien bestimmt sei. Deren Kinder könnten die örtlichen Schulen und Kitas schon wegen ihrer kurzen Anwesenheit hier nicht besuchen. Formal könne Cuxhaven zudem überhaupt nichts gegen die Landes-Pläne machen. Die Verwaltung habe sich aber dazu entschieden, ihre Stimme zu erheben und mitzumischen. Hierdurch sei die ursprüngliche Planung schon erheblich angepasst worden; gerade bei der Kapazität, die zunächst bei über 1000 gelegen habe. "Um zu besseren Bedingungen zu kommen, werden wir im Gespräch bleiben", so Santjer.
Humanitäre Pflicht im Auge behalten
Es handelt sich An Ingo Grahmann (SPD), Ortsbürgermeister in Altenwalde, wies auf die humanitäre Verpflichtung hin: "Wir haben bewiesen, dass wir das stemmen können." Leider habe das Land der Kirche und den Flüchtlingsorganisationen, die sich in den Startlöchern befänden, noch keinen Träger nennen können. In einem flammenden Statement bekundete Günter Wichert (FDP), die FDP-Fraktion unterscheide nicht in Männer, Frauen oder Familien. Es handle sich um ein humanitäres Projekt für Menschen. Der Verlauf hänge von den Krisen auf der Welt ab. Initiativen, die helfen wollten, gehörten unterstützt - die Koordinierung solle das Land übernehmen. "Diese Stadt ist offen, bei vier Millionen Übernachtungen im Jahr schaffen wir auch diese 600", bekundete Wichert.
Einzelvertreter Anton Werner Grunert hielt es für richtig, Menschen in Not zu helfen. Er frage sich allerdings, warum so viele Flüchtlinge immer nur nach Deutschland strebten und nicht in den europäischen Einreiseländern verweilten.
Lage der Altenwalder im Blick behalten
"Wir entscheiden das sowieso nicht", erinnerten Rüdiger Kurmann und Peter Altenburg ("Die Cuxhavener). Beide würdigten die Bestrebungen der Oberbürgermeisters, machten aber auch die schwierige Lage der Bewohnerinnen und Bewohner Altenwaldes deutlich. "Wir müssen damit rechnen, dass diese damit Probleme haben", so Kurmann. Dennoch sei Flüchtlingen die Hand zu reichen, fand Peter Altenburg und warnte, davor, hier ein Monster aufzubauen.
Warnung vor zu viel Konzentration
Thomas Brunken (CDU) verwahrte sich dagegen, in eine Ecke gestellt zu werden, in die er nicht gehöre: Strittig sei einzig die Geballtheit: "Das ist zu groß, das wird uns überfordern." Fraktionskollege Enak Ferlemann nannte als Negativbeispiel die Einrichtung in Soltau-Fallingbostel: "Dort ist das nicht so gelaufen, wie wir das uns wünschen. Der OB weiß ganz genau, wo die Probleme liegen. " Aus der Erfahrung anderer zu lernen, sei nur legitim. Natürlich werde seine Fraktion, auch wenn sie heute nicht zustimme, die kommende Herausforderung mittragen: "Wir können uns ja eine Besseren belehren lassen."
Uwe Santjer betonte, das solche Diskussionen gerade landesweit liefen - eben weil das Land sich entschieden habe, kleinere Einrichtungen an mehr Standorten zu betreiben. "Umso geringer ist die Gefahr, einzelne Orte zu sehr zu belasten. Wenn das nicht gelingt, brauchen wir wieder Einrichtungen für 4000 bis 5000 Leute", gab er zu bedenken. Dort entstünden dann auf jeden Fall Probleme und auch in Zelten und Messehallen, wo das Leben menschenunwürdig sei. Ohne Gesamtkonsens wurde die Vorlage schließlich durch eine Zweidrittel-Mehrheit im Rat getragen.