
Kommentar: Taktisches Spiel der Alpha Real Estate nicht nur in Cuxhaven
In Cuxhaven gibt es nun schon zwei Fälle: Vermietungsgesellschaften unterlassen einfach das, wozu sie verpflichtet sind. Dass das Spiel auch anderswo in Deutschland gespielt wird, ist kein Zufall, sondern Strategie.
Die Renditeaussichten schienen unendlich. Auch die Alpha Real Estate hatte das Geschäftsmodell für sich entdeckt: Mietwohnungen im großen Stil aufkaufen, aufhübschen und als Eigentumswohnungen veräußern. Überall in Deutschland sind die Anlagen verteilt, die das Unternehmen in Prospekten auf ihrer Homepage zeigt. Süderwisch ist dort schick von oben in Szene gesetzt, mit Schiffen und Elbe im Hintergrund - genau das Richtige für Kapitalanleger, denen Alpha einmal "planbares Wertsteigerungspotenzial" versprach.
Allerdings: Das Modell war brüchig, am Ende stehen eine Insolvenz und allein in Cuxhaven Hunderte Mieter, die nach einem Jahr Lügen und Hinhaltetaktik nicht wissen, wie es für sie weitergeht. Alpha Real Estate hat mit vollem Bewusstsein ein mieses Spiel gespielt, ist auf Tauchstation gegangen, hat Menschen in unsäglichen Wohnverhältnissen schmoren lassen, Briefe und Mails ignoriert. Kautionen wurden erst herausgerückt, wenn der Klageweg beschritten wurde.
Es ging immer um Wasser, Schimmel, Unerreichbarkeit
Im Netz häufen sich gleichlautende Berichte aus anderen Städten: Wasser im Keller, Schimmel, defekte Heizungen, unbezahlte Wasserrechnungen, Unerreichbarkeit. Die Siegener Zeitung hat regelmäßig die Mieter einer Alpha Real Estate-Anlage begleitet, die sich verraten und verkauft und herausgeekelt fühlten. Nach tagelangem Heizungsausfall starb dort eine todkranke 90-Jährige in ihrer eiskalten Wohnung - so eiskalt wie die falschen Versprechungen, auf die nie Taten folgten.
War es wirklich eine Überraschung?
Nur einer kann sich angesichts des Dilemmas die Hände reiben: Die TAG Immobilien GmbH, die der Alpha Real Estate die 281 Wohnungen in Cuxhaven für gutes Geld unterjubelte - samt dem seit Jahrzehnten aufgebauten Wartungsstau. Mitleid kann jemand, der sich rühmt, zu den großen Playern in Deutschland zu zählen, jedoch nicht gerade erwarten, wenn er nicht in der Lage war, sich selbst ein realistisches Bild vom Kaufobjekt zu verschaffen. Oder ging das womöglich nicht angesichts einer Größe von 350.000 Quadratmetern betreuter Wohnfläche und 60 Mitarbeitern?
Spiel mit den Grundbedürfnissen
Schlimm: Bei all dem könnte man Firmennamen ebenso wie Orte austauschen und würde immer wieder auf Parallelen stoßen - bekanntlich selbst in Cuxhaven (siehe Nervenkrieg um Wassersperrungen), wo die Nord Wohnen Portfolio 1 GmbH im Gorch-Fock-Viertel Anwohner und die EWE an der Nase herumführt. Ein ekelhaftes Spiel mit Mieterinnen und Mietern, deren elementarstes Grundbedürfnis berührt ist. "Was wird nun aus uns Mietern?", diese Frage geistert seit Donnerstag durchs Viertel. Die Alpha Real Estate muss sich beweisen. Online war noch kein Wort des Bedauerns zu lesen.