
Zu den heißen Bäder in Nordjapan
Zum neuen „Normal“ gehören wohl Temperaturmessungen, Händedesinfektion, Gesichtsmasken und Plastiktrennwände
Das Badegasthaus war nach
dem guten Hotel in Morioka ein
Kulturschock. Wilder Westen,
windschief und die Fassade ungepflegt,
kein Internet, kein dies
und das, und auch das Essen eher
schlicht.
Labsal bei der Kälte
Viele Badegäste kommen nur zum
Baden, andere bleiben nur eine
Nacht. Mir wurde klar, dass man
als Maßstab eher eine Berghütte
anlegen sollte. In der Fernsehecke
war ein Foto aus besseren Tagen.
Es ist wohl schwierig, solch ein
Gasthaus rentabel zu unterhalten.
Für Freunde heißer Quellen ist
dieses Bad jedoch ein Pflichtbesuch.
Man steigt in eine trübe,
milchige Brühe, aus der man weißen
Schlick vom Grund kratzen
und sich auf die Haut reiben
kann. Als ich im kalten Regen ins
Außenbad stieg, war die Wassertemperatur
ganz nach meinem
Geschmack.
Hiraizumi, zwischen Morioka
und Sendai gelegen, ist 2011 wegen
seiner alten buddhistischen
Tradition in die UNESCO-Weltkulturerbeliste
aufgenommen
worden. Tempel im Regen haben
auch ihren Reiz, und es gab relativ
viele Touristen. Zum Ausklang
besuchten wir am letzten Abend
den Nachbarort, wo das berühmte
japanische Rindfleisch (Wagyu)
produziert wird, dort genossen
wir also Steaks aus der Region.
Dann die Rückfahrt im Regen,
und hinein in die Hitze der Metropole.
In den Bergen hatten wir
etwa 20 Grad gehabt...
Beste Grüße aus Japan,
Uwe Makino
Mount Hachimantai ist einer
der „berühmten 100 Berge“, was
ein wenig verwundert, denn man
kann den Gipfel in 15 Minuten
vom Parkplatz erreichen, und die
Aussicht ist auch nicht berauschend.
Vermutlich gab die
Hochebene den Ausschlag, eine
wunderbare Sumpflandschaft, die
mit jeder Jahreszeit ein anderes
Gesicht aufsetzt. Vor neun Jahren
war ich hier gewesen, Anfang
September 2011, doch vom Pflanzenreichtum
des Augusts war da
nicht viel zu sehen gewesen.
Werkstatt, in der japanische Lackwaren
hergestellt werden. Im Museum
zog der lokale Fruchtbarkeitskult
die Aufmerksamkeit auf
sich: lebensgroße Strohpuppen
mit überdeutlichen Genitalien.
Wie eine Lebensversicherung
Auch in unserem Gasthaus gab es
zwischen den Kabinen für Männer
und Frauen eine Nische, wo
ein Phalluskult gepflegt wurde.
Eine gute Ernte und viele gesunde
Kinder: Das war die Lebensversicherung
der alten Zeit.
besuchten wir Hiraizumi (Weltkulturerbe).
Hotels und Gasthäuser messen
die Körpertemperatur beim Einchecken,
allenthalben Desinfektion,
Gesichtsmasken, Plastiktrennwände,
Abstandsregeln. Das
ist das „neue Normal“ auch an
den Autobahnraststätten, das uns
wohl bis ins kommende Jahr erhalten
bleiben wird.
Auf der Fahrt in die Hochebene
machten wir Station in der Ortschaft
Hachimantai, weil es da ein
historisches Museum gibt und eine
Uwe Makino (Tokyo), berichtet
von einer Badereise, die er bereits
im August in Nordjapan unternommen
hat.
Anfang August ist Reisezeit in Japan,
viele kehren aus den Metropolen
in die Heimat zurück, um
die Familie zu sehen und zu den
Gräbern zu gehen. Davon jedoch
rieten die Präfektur-Gouverneure
in diesem Jahr ab.
Wie üblich, wurde auch in diesem
Fall kein Verbot ausgesprochen.
Wenn man sich die Corona-
Zahlen der Hotspots anschaut
und die Zahlen unseres Reiseziels
danebenhält, wird deutlich, was
dieser Spagat aus „Stay home“
und „Go to“ zur Förderung des
Tourismus bedeutet: Die Präfekturen
Akita im Westen und Iwate
im Osten teilen sich die Hachimantai
Hochebene. Akita hat insgesamt
34 bestätigte Infektionen,
Iwate sogar nur 6!
Heiße Bäder ein Magnet
Doch der Tourismus ist ein wichtiger
Pfeiler der wirtschaftlichen
Existenz, und einer der Magneten
sind die heißen Bäder. Wir hatten
im höchstgelegenen Gasthaus von
Iwate gebucht, direkt unter dem
Mount Hachimantai (1613 m).
Die Nachrichten wurden also bestimmt
vom Problem der rückkehrenden
Familien und Touristen,
dazu das Maskentragen in der
Hitze und – nicht zu vergessen –
vom 75. Jahrestag der Atombomben
über Hiroshima (6.8.) und
Nagasaki (9.8.).
Mit dem Auto fuhren wir nach
Morioka, weiter nach Hachimantai
und Kakunodate (alte Samurai
Stadt), und auf dem Rückweg
Der Hachiman-numa-See mit umliegender Sumpflandschaft.
Wir wünschen schöne
Weihnachten und alles Gute
für 2021!