
Von Peking nach Kehdingbruch: Wie Filmemacherin Xiaoxue Li das platte Land erlebt
Es muss ein Kulturschock gewesen sein, als die Filmemacherin Xiaoxue Li 2021 aus Peking nach Kehdingbruch kam. Mittlerweile hat sie die norddeutsche Provinz schätzen und lieben gelernt. Über das Leben auf dem platten Land und ihren neuen Film.
Rund 7500 Kilometer Luftlinie liegen zwischen der chinesischen Hauptstadt Peking und Kehdingbruch, dem beschaulichen Dorf in der Hadler Tiefebene. Das ist nicht nur eine geografische, sondern vor allem auch eine kulturelle Distanz, die man erst einmal verkraften muss. Auf die Frage nach dem größten Unterschied zwischen Peking und Kehdingbruch, kommt die Antwort von Xiaoxue Li ohne Zögern: "Nichts ist gleich."
Xiaoxue Li, 1985 in Changchun, im äußersten Nordosten der Volksrepublik China, geboren, ist der Liebe wegen nach Kehdingbruch gekommen. 2013 hatte die Drehbuchautorin, Regisseurin und Videokünstlerin ihren späteren Ehemann, den norddeutschen Kunstlehrer und Designer Christian Anskeit, kennengelernt. Gemeinsam reisten sie für verschiedene Filmprojekte durch China und zogen 2017 in das Künstlerviertel von Peking, wo sie ihr eigenes Studio gründeten. Mitten in der Corona-Zeit entschied sich das Paar, in Christians Heimatdorf zu ziehen - in sein Elternhaus in Kehdingbruch.
Weit weg von der Familie und den Freunden
"Die erste Zeit war hart", blickt Xiaoxue Li auf ihre Anfänge in Kehdingbruch zurück. Ein fremdes Land, weit weg von der Familie und den Freunden. Aber dann habe sie begonnen, Deutsch zu lernen, die Menschen und die Schönheit Norddeutschlands zu entdecken. "Für mich sind diese Dörfer und diese ganze Gegend voller Geheimnisse", erklärt die Filmemacherin. Alles habe seine eigene, einzigartige und bezaubernde Ordnung, "wie ein anderer Planet".

Die künstlerische Arbeit auf diesem "anderen Planeten" begann 2022: Als Kamerafrau arbeitete sie an einer Dokumentation der Museen in Stade über den Fluss Schwinge mit. "Dieser Film hat mich dazu gebracht, Dokumentarfilme in Deutschland zu machen", sagt Xiaoxue Li, die von ihrem Umfeld meist Xüe genannt wird.
2023 entstand der viel beachtete Dokumentarfilm "Ins Weite", der den Untertitel "Lebenserinnerungen aus Land Hadeln" trägt. Xiaoxue Li und ihr Team haben für diesen Film 32 Bewohnerinnen und Bewohner aus den Gemeinden Belum, Bülkau, Ihlienworth, Neuenkirchen und Osterbruch über ihr Leben in Hadeln befragt. Daraus ist ein faszinierendes Erinnerungsgeflecht aus der und über die Region entstanden.
Und nun wird das Hadler Land erneut filmisch verewigt: "Die Seele kommt nach" ist - das lässt sich jetzt schon sagen - Xiaoxue Lis bislang größter und persönlichster Film. Die Dreharbeiten dafür haben am vergangenen Montag begonnen. Die Regisseurin verknüpft in dem halb dokumentarischen, halb fiktionalen Film die aktuelle Flüchtlingsproblematik mit den Erinnerungen an Flucht und Vertreibung von Deutschen aus Ostpreußen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Und sie erzählt ein Stück weit auch ihre eigene Geschichte als Einwanderin von China aufs platte Land in Kehdingbruch.

Dem Film seien umfangreiche Recherchen vorausgegangen, erzählt die Filmemacherin kurz vor Beginn der Dreharbeiten. Erzählt wird unter anderem von einer Flüchtlingsfamilie, die in den 1990er-Jahren durch Pastor Bert Hitzegrad (der ebenfalls im Film vorkommt) Kirchenasyl erhielt und in dem heutigen Wohnhaus von Xiaoxue Li in Kehdingbruch gelebt hat.
"Das Dorf hat viele interessante Geschichten und Menschen zu bieten", weiß die Regisseurin. Ob Schützenverein, DRK, Kirchengemeinde, Spitzenkoch oder Künstler - Kehdingbruch bietet spannende Einblicke und Begegnungen. Xiaoxue Li trägt mit ihrer Arbeit dazu bei, die unterschiedlichen Welten zusammenzuführen und das Dorf noch lebenswerter zu machen.