
Rettungsdienst im Kreis Cuxhaven: Der Plan für den Jahreswechsel - und die Kritik
Ab Januar steht der Landkreis Cuxhaven in der Pflicht: Der Rettungsdienst wird dann nicht mehr vom DRK, sondern vom Kreis organisiert. Chance und Risiko zugleich? Landrat Krüger wiegelt ab. Panikmache? Nicht sein Ding. Doch es gibt Sorge und Kritik.
Es ist ein sehr sensibles Thema. Schließlich geht es nicht um eine Sache, sondern um die Gesundheit von Patienten oder im Extremfall auch um Menschenleben. Der Landkreis Cuxhaven wird zu Jahresbeginn die Organisation des Rettungsdienstes komplett übernehmen. Klappt das? Hinter den Kulissen gibt es durchaus einige Skeptiker; gerade in den Reihen der Notfall- und Rettungssanitäter. Landrat Thorsten Krüger wehrt sich gegen Kritik. Er versichert, dass alles "reibungslos funktioniert". Den ersten Härtetest gibt es in der Silvesternacht mit einem wohl wieder hohen Einsatzaufkommen. Ausgerechnet ...
Es war schon ein ziemlicher Paukenschlag, als der neue Landrat im vergangenen Jahr mit der Rückendeckung der Politik verkündete, dass er die Verträge mit den bislang beim Rettungsdienst beauftragten DRK-Verbänden in den Altkreisen Land Hadeln und Wesermünde sowie dem privaten Rettungsdienst "Falck" (Dorum) kündigen wolle. Das DRK und Falck wurden kalt erwischt; die Ankündigung und spätere Umsetzung hatte sich in der ganzen Härte vorher nicht angedeutet.
Absage an private Interessenten
Wer bei den langjährigen Rettungsdienstpartnern hoffte, vielleicht bei einer öffentlichen Ausschreibung doch noch wieder den Zuschlag zu bekommen, hatte sich getäuscht. Der Landkreis will selbst Regie führen. "Durch den Verzicht auf externe Ausschreibungen verhindert der Landkreis eine mögliche Abhängigkeit von privaten Anbietern und stellt sicher, dass der Rettungsdienst unabhängig betrieben wird", ließ Krüger noch in dieser Woche auf Nachfragen unserer Redaktion über seine Pressestelle mitteilen.

"Schlüsselelement der Daseinsvorsorge"
Die eigenständige Organisation ermögliche es dem Landkreis zudem, schneller auf regionale Besonderheiten, etwa geografische Herausforderungen oder Bedarfsänderungen, zu reagieren. Der Rettungsdienst sei ein "Schlüsselelement der Daseinsvorsorge", und der Landkreis wolle einheitliche Qualitätsstandards im Kreis etablieren und die Notfallvorsorge "ganzheitlich denken und planen". Dies erfordere eine "Vereinheitlichung der Standards des Rettungsdienstes".
So viel zur Theorie. Aber hat der Landkreis auch in der Praxis für den Tag des Übergangs am 1. Januar alle aktuellen und künftigen Hausaufgaben erledigt? In mehreren persönlichen Gesprächen, Anrufen und auch anonymen Schreiben, die an die Redaktion der Niederelbe-Zeitung und der Cuxhavener Nachrichten gerichtet waren, ist von Zweifeln die Rede. Übereinstimmend wird unter anderem Kritik an einer kurzfristigen Dienstplangestaltung geäußert. So sei zum Beispiel bis zum 12. Dezember noch nicht klar gewesen, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab 1. Januar an welchen Tagen, in welchen Schichten und wo eingesetzt werden. Krügers Pressesprecherin meldet inzwischen Vollzug: "Dies wurde am 15.12.2024 umgesetzt. Gemäß der Betriebsvereinbarung (BV) musste der Dienstplan bis zu diesem Datum einsehbar sein, was fristgerecht erfüllt wurde. Die Mitarbeitenden sind darüber informiert, in welchem Schichtsystem (12- oder 24-Stunden-Schichten) sie arbeiten, an welchem Standort sie eingesetzt werden und dass ihre Urlaubsanträge genehmigt wurden. Alle wichtigen Informationen liegen somit fristgerecht vor." Intern wird jedoch von Rettungsdienstmitarbeitern bemängelt, dass der neue Dienstplan eine deutliche Ballung an Schichten und Einsatzzeiten vorsieht. Personalmangel?
Keine konkrete Mitarbeiterzahl
Fakt ist, dass längst nicht alle Beschäftigten, die bislang beim DRK unter Vertrag waren, zum Landkreis wechseln. Die Frage unserer Redaktion "Wie viele Stellen gibt es insgesamt und ist eine ausreichende 'Reserve' bei Krankheit oder Urlaub vorhanden?" wird von offizieller Seite durch den Landkreis nur ausweichend beantwortet. So heißt es allgemein: "Einige Notfallsanitäter, die zuvor beim DRK tätig waren, haben keinen Vertrag mit der Rettungsdienst Cuxland gGmbH unterzeichnet. Dennoch sind alle Rettungswagen im Landkreis ab dem 1. Januar vollständig besetzt. Es wurden auch externe Notfall- und Rettungssanitäterinnen und -sanitäter eingestellt." Eine klare Aussage zu der Zahl der benötigten Stellen und ob diese auch besetzt sind, fehlt. Kritiker wiesen in Gesprächen mit unserer Redaktion darauf hin, dass angeblich nicht jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter, deren und dessen Name ab Januar im Dienstplan stünde, auch tatsächlich zu 100 Prozent einsatzfähig sei.

Zudem soll Mitarbeitern auch weitgehend nicht bekannt sein, wie der Wechsel am Silvestertag verläuft. Die Übergabe - so hinsichtlich der Fahrzeuge und der Materialien - sei nicht kommuniziert worden. Eine Kommunikation finde ohnehin kaum statt. Die Frage, ob dieser Vorwurf aus Sicht der Kreisverwaltung nachvollziehbar sei, wurde am Donnerstag - also keine zwei Wochen vor dem Wechsel - folgendermaßen vom Kreis beantwortet: "Hierzu werden in den nächsten Tagen die Rettungsdienstleiter des DRK den Beschäftigten weitere Informationen mitteilen. Der Übergang wurde in enger Abstimmung mit dem DRK sorgfältig geplant, um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen und mögliche Herausforderungen frühzeitig zu berücksichtigen."
Landkreis spricht von "Eigeninteresse"
Einen fließenden Übergang wird es auf jeden Fall nicht bei der geografischen Neuaufstellung geben, denn noch muss der Landkreis weitgehend auf die Standorte der bislang vorhandenen Rettungswachen ausweichen: "Der Landkreis wird in der Übergangszeit alles daransetzen, die Einhaltung der Hilfsfristen bestmöglich sicherzustellen. Hierzu werden derzeit verschiedene Maßnahmen geprüft und umgesetzt. Ziel ist es, die zuverlässige Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Auch wenn sich an der geografischen Aufstellung des Rettungsdienstes noch nichts geändert hat, wird die Leistungsfähigkeit kontinuierlich überwacht und angepasst, um auf mögliche Herausforderungen flexibel reagieren zu können." Ist "flexibel reagieren" aber ausreichend, um zu garantieren, dass es im sensiblen Bereich des Rettungsdienstes nicht zu Qualitätseinbußen kommt?
Auf solche und andere Fragen, die an die Redaktion herangetragen wurden, reagiert Landrat Thorsten Krüger gereizt: "Es irritiert mich, dass solche Fragen anonym gestellt werden; mich hat niemand direkt angerufen oder angesprochen. Es scheint sich um einige wenige Personen zu handeln, die diese Fragen an verschiedene Stellen richten. Wir möchten direkt kommunizieren. Ich finde es bedenklich, dass es in den Fragen nur um das Eigeninteresse der Fragesteller geht." Wirklich nur "Eigeninteresse"? Der Hemmoorer Notfallsanitäter Stefan Koch hat kein "Eigeninteresse", denn er wird seinen Dienst Ende des Jahres quittieren und nicht zum Landkreis wechseln, sondern sich einen anderen Job suchen. Mit unserer Redaktion hat er nicht anonym gesprochen. Andere schon; sie wollen es sich mit ihrem neuen Arbeitgeber nicht gleich verderben.
"Wir sehen uns alle in der Verantwortung"
Landrat Thorsten Krüger sieht keinen Grund für Panikmache und unterstreicht auf Anfrage: "Beim Rettungsdienst geht es um die Menschen im Landkreis und die Versorgung, die wir sicherstellen wollen und müssen. Die Menschen im Landkreis können sich darauf verlassen, dass wir uns alle in der Verantwortung sehen, dass der Rettungsdienst zukünftig - und auch in der Silvesternacht - reibungslos funktioniert."
"Wunderbar"? Das zeigt sich ab Januar ...
In der Verantwortung muss sich aber auch der Cuxhavener Kreistag sehen, denn er hat schließlich die Strukturveränderung im Rettungsdienst politisch auf den Weg gebracht. Demonstrativ stärkte noch in dieser Woche auch der neue CDU/FDP-Gruppensprecher Lasse Weritz (Hemmoor) dem Landrat bei seiner Kursänderung im Rettungsdienst den Rücken. Man gehe "völlig neue Wege", der Rettungsdienst werde "zum 1. Januar hervorragend funktionieren" und die Terminsetzung zum Jahresanfang sei "wunderbar".
"Wunderbar"? Das wäre natürlich auch aus Sicht der Kritiker des Umstiegs im Rettungsdienst der bestmögliche Ausgang des Verfahrens. Schließlich stehen trotz konträrer Meinungen der Mensch und seine Gesundheit im Mittelpunkt. Wenigstens in diesem Punkt ist man sich einig ...