
Nach Angriff auf Polizisten: Cuxhavener "Sonntagsspaziergänger" verurteilt
CUXHAVEN. Ein 41-Jähriger, der bei einer Anti-Corona-Demo in Cuxhaven auf einen Polizisten losgegangen war, ist am Mittwoch vor dem Amtsgericht schuldig gesprochen worden.
Dem Familienvater aus Cuxhaven war vorgeworfen worden, sich bei einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen der Polizei widersetzt, Beamte angegriffen und zwei Uniformierte verletzt zu haben.
Beamte sagten als Zeugen aus
An jenem Sonntag im April vergangenen Jahres war die Stimmung aufgeheizt gewesen; Videos, die Amtsrichter Stefan Redlin am Mittwoch im Saal zeigte, legen es seiner Auffassung nach nahe, dass die seinerzeit nicht als solche angemeldete Veranstaltung der "Spaziergänger", von Anfang an "auf Krawall ausgelegt" gewesen ist. Im Zeugenstand berichteten Beamte der am 25. April eingesetzten Bereitschaftspolizei, dass sie den sich die Deichstraße entlang bewegenden Zug der Demonstranten zweimal "aufstoppten". Zuletzt, um die Personalien der Teilnehmer zu erfassen, die sich - wie Richter und Ermittlungsbehörden übereinstimmend feststellten - nicht an die polizeiliche Maßgabe einer stationären Kundgebung gehalten hatten, sondern ihren Weg gemeinsam fortzusetzen versuchten.
Zahlreiche Videos im Saal abgespielt
Nicht alltäglich war, dass im vorliegenden Fall Filmaufnahmen der Polizei und von den "Spaziergängern" im Netz verbreitete Clips gleichermaßen als Beweismittel herangezogen wurden. Aus unterschiedlichen Perspektiven ist auf diese Art das Geschehen dokumentiert - beginnend mit der Ehefrau des Beschuldigten, die mehrmals dicht an einzelne der eine Kette bildenden Uniformierten herantrat. Erstaunlich, so der Richter, sei es gewesen, wie lange der später verletzte Beamte dies toleriert habe; dass er die Frau nach wiederholter Aufforderung, Abstand zu halten, weggeschubst habe, sei der Verhältnismäßigkeit nach rechtmäßig gewesen. "Es eskaliert, es eskaliert" ist auf der Tonspur eines Videos zu hören: Kamerabilder zeigen, wie sich der Angeklagte auf besagten Beamten stürzt. Man erkennt eine Faust, später auch einen Fußtritt.
Anwalt: "Keinen Treffer gesehen"
"Wir haben aber auf keinem einzigen Video einen Treffer gesehen", hob Verteidiger Niels Plaisir in seinem Plädoyer hervor - ungeklärt bleibt nach seinem Dafürhalten, ob sich der 31-jährige Polizeikommissar Prellungen am Kopf und ein Schleudertrauma "im Gerangel" oder durch Gewaltanwendung seines Mandanten zugezogen hat. Dem gegenüber stand am Mittwoch die Aussage des Beamten, der angab, die Schläge deutlich gespürt zu haben und von seinem Gegenüber gemäß einer Videoauswertung der Ermittler in den Schwitzkasten genommen worden war.
Polizist: "Schwerster Angriff der letzten Jahre"
"Für mich war es der schwerste Angriff der letzten Jahre. Und ich war beim G20-Gipfel", betonte der Polizist, der aussagte, dass der Beschuldigte "komplett ausgerastet" sei. Ein nachfolgend vernommener Zugführer sprach seinerseits davon, dass seine Einsatzkräfte seitens des Beschuldigten sowie einer weiteren Person mit Faustschlägen attackiert worden seien. "Wenn ich jemand verletzt haben sollte, tut es mir leid", sagte der der Angeklagte in seinem Schlusswort, er soll sich durch das Vorgehen gegen seine Frau provoziert gefühlt haben.
Richter: "Ein No-Go"
Für Richter Redlin ist das keine Entschuldigung: "Das ist eine Frechheit, was Sie da gemacht haben", sagte er in Richtung des Beschuldigten. "Jeder, der mal zur Schule gegangen ist, weiß, dass man Polizisten nicht angreift": Die Handgreiflichkeit gegenüber dem Beamten, in deren Verlauf ein weiterer Uniformierter zu Schaden kam, bezeichnete er allein aus Respektgründen als "No-Go" (und aus strafrechtlicher Sicht als das "Dickschiff" des mit der Urteilsbegründung beendeten Verfahrens). Auf eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten erkannte der Richter, nachdem sich die Tatvorwürfe (Widerstand und tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte, vorsätzliche Körperverletzung) als unzweifelhaft richtig herausgestellt hätten.
Weil der Beschuldigte bis dato unbelastet war, wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Der Cuxhavener muss jedoch 500 Arbeitsstunden ableisten und jeweils 500 Euro an die beiden geschädigten Beamten zahlen. Das Urteil kann derzeit noch angefochten werden.
Nachdem der Angeklagte sich am ersten Verhandlungstag kurz vor Weihnachten für den Gerichtstermin nicht hatte auf Corona testen lassen wollen, wurde sogar ein Haftbefehl gegen ihn erlassen. Mitstreiter hielten anschließend regelmäßig Mahnwachen vor der Justizvollzugsanstalt Bremervörde ab. Wie es zum Haftbefehl nach dem verweigerten Corona-Test kam, lesen Sie hier.