
Cuxhaven vor den Deichen: Sondengänger erkunden mögliche Hafenanlagen der Frühzeit
Cuxhaven steht auf archäologisch bedeutsamem Boden. Bevor die ersten Deiche gebaut wurden, stand Altenwalde an der Schwelle einer blühenden Entwicklung vom Range einer Hansestadt. Doch längst nicht alle Schauplätze sind bekannt. Aber es gibt Spuren.
Die Blicke der Vorübergehenden sind Ralf Braesch und Detlef Conrad gewiss, wenn sie mit ihren Gerätschaften über die Felder oder Wegränder gehen. Mancher fasst sich auch ein Herz und fragt: "Na, was sucht Ihr da?" Und da haben sich die beiden Sondengänger im Moment ein besonderes Gebiet vorgenommen.
Sie suchen nach früheren Häfen zwischen Altenwalde, Berensch und Holte-Spangen. Das waren - bevor es Deiche gab - einfache Anlegeplätze entlang der bis an den Geestrücken heranreichenden Priele, an denen die Besatzungen die Schiffe vermutlich trockenfallen ließen.

In Altenwalde entdeckter Landeplatz sorgte für Aufsehen in der Fachwelt
Ein ansehnlicher Landeplatz befand sich in unmittelbarer Nähe des vor rund zehn Jahren entdeckten Handels- und Handwerksplatzes aus frühmittelalterlicher Zeit (6. bis 11. Jahrhundert n. Chr.) an der Seeburg in Altenwalde, wo Häuser und Werkstätten, Schiffsbestandteile, Glasfragmente zur Glasperlenherstellung, Keramik, Mühlsteine und eine sehr seltene Doppelheiligenfibel ans Licht kamen.

Wozu diente der von Menschenhand errichtete Burgwall?
Altenwalde, das das Zeug hatte, sich zu einer Hansestadt vom Range Stades weiterzuentwickeln, wurde wahrscheinlich aber sogar von mehreren Seiten aus angesteuert. Ein Priel führte zu einer bedeutsamen Siedlung in der heutigen Kurve zwischen Gudendorf und Köstersweg. Und dann ist da ja noch die überlieferte Kunde von einer Anlegestelle in Berensch. Immerhin erstreckt sich zwischen Berensch und Altenwalde auch der rätselhafte schnurgerade rund 1700 Meter lange Burgwall. "Keiner kennt dessen Funktion genau", sinniert Ralf Braesch.

Das "Sondeln" hat ihn für die Geschichte des Elbe-Weser-Dreiecks elektrisiert. Mit spektakulären Fundstücken, die sich heute im Museum befinden, konnte er bereits die Fachwelt in Aufregung versetzen. Eine von ihm an der Altenburger Burg aufgespürte römische Goldmünze wurde 2019/20 bei der Mittelalter-Sonderausstellung im Museum "Windstärke 10" gezeigt. Metallene Fibeln (Gewandspangen) erkennt er inzwischen auf den ersten Blick, unterstützt durch Fachbücher, Online-Foren und den Austausch mit Archäologinnen und Archäologen.


Modernste Bildgebungsverfahren geben ihnen heutzutage wichtige Hinweise auf vielversprechende Geländestrukturen: Ralf Braesch und sein inzwischen mit demselben Hobby "infizierter" Jugendfreund Detlef Conrad können Stunden damit verbringen, hochauflösende Kartendarstellungen nach interessanten Strukturen zu durchforsten.


Gestochen scharf werden in verschiedenen Grautönen (Schummerung) geometrische Strukturen, Erhebungen und Senkungen im Gelände sichtbar. Ralf Braesch zeigt auf einen Kreis zwischen Seeburg und Landwehr: "Wahrscheinlich eine Motte", eine einfache Burg, die als Wachturm gedient haben mag.
Auffälligkeiten in Berensch und an der Drangst
Gut sind in Arensch, Berensch, am Oxstedter Bach und in Holte-Spangen die Buchten am Geestrücken zu erkennen. Und noch anderes wird sichtbar: Hohlwege zwischen Berensch und Altenwalde, sind sie entstanden, weil sich dort eine wichtige Handelsverbindung befand? Das würden die Freunde gerne herausfinden. Verlorene Achsnägel, Münzen oder Kleidungsbestandteile können wichtige Hinweise liefern.
In Holte-Spangen fiel ihnen an der Drangst ebenfalls eine Geländeverbindung zwischen zwei Erhebungen auf. Eine Erkundung brachte tatsächlich Bronzenägel - womöglich Schiffsnägel? - zutage. Doch den großen Fund gibt es nicht jeden Tag. Dafür einen Querschnitt des Alltagslebens der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte.

So wie kürzlich: Detlef Conrad zieht seine Bahnen mit dem Metalldetektor. Hinweise auf metallene Gegenstände im Boden werden ihm alle paar Sekunden über seinen Kopfhörer signalisiert. Er bleibt stehen, greift seinen Spaten, gräbt und sucht. Ja, schade: Es ist nur der Abziehring einer Getränkedose, der sich hier als Gold getarnt hat.

Reichspfennige aus allen Epochen haben beide Kumpel schnell aufgespürt. "Und hier kommt eine wunderbare ... Cocktailgabel", schmunzelt Ralf Braesch und zeigt das Fundstück hoch. Abgebrochene Teile von Landmaschinen und Zivilisationsmüll wie eine Capri-Sonne-Tüte kommen mit, um später entsorgt zu werden.
Ein Knopf oder doch eine Petschaft?
Am Ende breiten sie auf dem Kofferraumdeckel noch mal ihre Fundstücke aus und sinnieren über einen Gegenstand, den Detlef aus der Tasche gezogen hat: Ein Knopf? Ralf glaubt an mehr: "Wenn das mal nicht eine Petschaft ist", also ein metallener Stempel, der einst auf ein Siegel gedrückt wurde. "Aber auch ein Knopf aus dem 18. Jahrhundert erzählt Geschichte", finden beide. Sie stellen sich auch die Reaktion des Bauern vor, der einst mit einem Taler in der Tasche losgezogen sein mag und auf dem Markt feststellen musste, dass das Geldstück verschwunden war.


Mit ihrem Hobby sehen sie sich auf jeden Fall an der Seite der Fachleute: "Wir Sondengänger werden immer mehr in deren Arbeit eingebunden", berichtet Ralf Braesch. Die Kooperation mit der Stadtarchäologie sei sehr gut. Wichtig: Einfach loszuziehen, ist verboten. Ein Lehrgang beim Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege ist für alle Sondengänger in Niedersachsen Pflicht.