Der ehemalige Professor Jörg Ziegenspeck und Vera Hempel wollen die "Hermine" retten. Foto: Potschka
Der ehemalige Professor Jörg Ziegenspeck und Vera Hempel wollen die "Hermine" retten. Foto: Potschka
Gaffelschoner vom Verfall bedroht

Letzte Chance für Cuxhavens "Hermine": Engagiertes Duo hat eine Idee fürs Wahrzeichen

von Jens Potschka | 23.04.2025

Der Gaffelschoner Hermine, ein maritimes Cuxhavener Wahrzeichen, droht zu verfallen. Doch ein mutiges Duo hat eine kühne Vision: Das Schiff soll zur Anlaufstelle für Jugendliche werden.

Ein maritimes Cuxhavener Wahrzeichen droht an Land zu vergehen, doch zwei engagierte Retter haben eine wagemutige Vision: Die Hermine soll zum Bildungsort für Jugendliche werden. Ob dieser Rettungsversuch gelingt, wird in Kürze an einem runden Tisch ausgelotet.

Die Sonne scheint an diesem späten Nachmittag, Anfang April. Die angenehmen Frühlingstemperaturen haben die Innenstadt belebt und mit ihr das schön angelegte Areal rund um den Gaffelschoner Hermine. Zwei Gäste sind an diesem Tag aus Lüneburg mit dem Zug nach Cuxhaven angereist. Jörg W. Ziegenspeck, ehemaliger Pädagogik-Professor, und Vera Hempel vom Institut für Erlebnispädagogik fühlen sich dem Schiff besonders verbunden. Mit ernsten Mienen betrachten sie den vom Pilz angefressenen schwarzen Rumpf des Holzschiffs und fühlen mit ihren Händen nach.

Die Hermine ein letztes Mal retten

"Vor 30 Jahren sah die Hermine schon einmal nicht gut aus", erinnert sich Jörg Ziegenspeck, der selbst an der damaligen Rettung des Schiffs maßgeblich beteiligt war. "In Schweden, als wir sie holten, war sie in einem desolaten Zustand. Aber wir hatten Hoffnung und wir hatten ein Konzept." Heute stehen sie erneut vor dem "Wrack" eines Traums. Der von der Stadt Cuxhaven beauftragte Gutachter Detlev Löll vom Ingenieurbüro aus Peenemünde spricht von einem Zustand, der einem Totalverlust gleichkommt: "Eine Restaurierung käme einem Neubau gleich."

Jörg W. Ziegenspeck und Vera Hempel vom Institut für Erlebnispädagogik in Lüneburg nehmen vor Ort den desolaten Zustand der Hermine in Augenschein. Foto: Potschka

Die Hermine, das war nicht nur ein Schiff. Es war ein Symbol. Für eine Stadt mit maritimer Geschichte, für die Verbindung zwischen Meer und Mensch. Es war eines der beliebtesten Fotomotive in der City. "Ich habe in den letzten Wochen mit vielen Menschen hier gesprochen", berichtet Vera Hempel. "Man merkt sofort: Die Hermine bedeutet den Leuten etwas. Sie genießt bei vielen Leuten ein großes Ansehen." Umso bitterer ist der Anblick, den der am Rande des Schleusenpriels stehende Gaffelschoner derzeit bietet.

Die Hermine als Ort der Bildung für Jugendliche

Großflächiger Pilzbefall, brüchiges Holz, notdürftig ausgebesserte Planken - die beiden stolzen Masten und der Klüverbaum wurden kurz vor Weihnachten 2022 gefällt, um Sicherheitsrisiken zu vermeiden. "Man hätte das Deck in den Wintern in all den Jahren großflächig mit einer Plane schützen müssen", sagt der ehemalige Professor mit hörbarem Groll in seiner ansonsten sanften Stimme. "Da ist die Stadt ihrer Aufgabe als Eigentümerin nicht nachgekommen."

Ein trauriger Moment: Kurz vor Weihnachten 2022 stürzten die stattlichen Masten der Hermine - seither wirkt das Schiff amputiert und verloren. Foto: Potschka

Doch Aufgeben ist für das Lüneburger Duo keine Option. Im Gegenteil: Sie werben für einen dritten, letzten Rettungsversuch - diesmal unter ganz neuen Vorzeichen. Vera Hempel hat eine Idee, die weit über Denkmalpflege hinausgeht. Die Hermine könnte als Bildungsort für Jugendliche entwickelt werden. "Während der Corona-Zeit hat die Jugend viel Rücksicht auf die Älteren genommen. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, dass wir ihnen etwas zurückgeben. Die Rettung der Hermine könnte ein starkes Zeichen sein. Wir könnten jungen Menschen die Chance geben, in einem realen Projekt Verantwortung zu übernehmen."

In Gesprächen mit Stiftungen - unter anderem der Stiftung Hamburg Maritim - habe sie bereits Offenheit und erste Bereitschaft signalisiert bekommen. Auch mit regionalen Institutionen in Cuxhaven sei sie im Austausch. "Allein schaffen wir das nicht. Aber wenn wir Partner aus Cuxhaven, Hamburg und Lüneburg zusammenbringen, könnte das gelingen." Das Institut für Erlebnispädagogik aus Lüneburg möchte konkrete Projekte anstoßen: "Es geht nicht darum, das Schiff seetüchtig zu machen. Aber es soll wieder ausstellungsfähig werden. Vielleicht mit einer kleinen Ausstellung an Bord. Oder mit Beteiligungsprojekten für Schulen."

Tiefe Risse, marode Planken: Der Gaffelschoner Hermine zeigt deutliche Verfallserscheinungen - ein Pilz hat das Holz großflächig befallen. Foto: Potschka

Vera Hempel ergänzt: "So ein Schiff fährt emissionsfrei. Jugendliche könnten lernen, wie Navigation früher funktionierte - mit Sternen und Sextanten statt GPS. In einer Zeit, in der alles digital ist, können solche analogen Erfahrungen enorm prägend sein."

Visionen zur Rettung der Hermine sollen an einem runden Tisch besprochen werden

Ein runder Tisch soll nun kurzfristig einberufen werden - erst einmal in kleinerer Runde mit Vertretern der Stadt, Denkmalschutzbehörde, Fachleuten und Förderern. Später könnten engagierte Bürger den Kreis erweitern, alles mit dem Ziel, eine tragfähige Vision für die Hermine zu entwickeln. Eine Idee ist, dass eine Cuxhavener Schule eine Partnerschaft übernimmt. "Die Schüler könnten an Wochenenden Spenden sammeln, Veranstaltungen organisieren, vielleicht sogar selbst an der Restaurierung mitarbeiten", schlägt Hempel vor.

Auch aus wissenschaftlicher Sicht biete das Schiff Chancen: So könnten Jugendliche untersuchen, um welchen Pilz es sich handelt, wie er sich ausbreitet und ob der Klimawandel seinen Anteil daran hat. "Ein forschendes Lernen am lebenden Objekt - das ist Erlebnispädagogik in Reinform."

"Hermine ist ein Symbol für eine Stadt mit Geschichte"

Doch all das steht und fällt mit der Unterstützung der Stadt Cuxhaven. Als Eigentümerin trägt sie die Verantwortung und könnte zugleich zur Heldin eines modernen Bildungsprojekts werden. Die Hermine, einst aus dem Wasser gehoben, droht nun an Land zu vergehen. Aber vielleicht ist sie noch nicht verloren.

"Es wäre schade", sagt Jörg W. Ziegenspeck zum Abschied und legt die Hand auf das raue, rissige Holz, "wenn wir das letzte Exemplar seiner Art einfach aufgeben würden. Es braucht jetzt Mut, Engagement und einen langen Atem."

"Die Hermine ist mehr als nur ein altes Schiff", sagt Vera Hempel beim Abschied. "Sie ist ein Symbol für eine Stadt mit Geschichte. Und sie kann ein Symbol für eine Stadt mit Zukunft werden - wenn man es nur will."

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Jens Potschka

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

jpotschka@no-spamcuxonline.de

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