
Rocker-Aufmarsch vor etwa zehn Jahren: Als Kutten in Cuxhaven Konjunktur hatten
Der Hells Angels-Aufmarsch in Duhnen weckt Erinnerungen an eine Zeit vor circa zehn Jahren. Damals nahm das Thema Rocker in Cuxhaven großen Raum ein; quasi über Nacht gründeten sich Chapter sogenannter "Outlaw Motorcycle Gangs". Ein Rückblick.
Im Cuxhavener Kurteil Duhnen sind mehrere Personen - offensichtlich den Hells Angels zuzuordnen - vorgefahren und haben sich ablichten lassen. Das dabei entstandene Foto weckt Erinnerungen an eine Zeit vor circa zehn Jahren. Quasi über Nacht gründeten sich Chapter, was so viel heißt wie Ortsgruppen, sogenannter "Outlaw Motorcycle Gangs".
Den englischsprachigen Begriff "Chapter" verwenden auch die heimischen Strafverfolger, er steht für Rockergruppierungen, denen eine Nähe zur organisierten Kriminalität nachgesagt wird. Von einem "Rocker-Problem" wollte man mit Blick auf die lokale Situation nicht reden, dennoch wurde die Polizei durch eine Reihe von Einsätzen gefordert, die mit dem beschriebenen Phänomen in Verbindung standen.
Keine Treue in Cuxhaven: Fluktuation in der Szene auch vor Ort ablesbar
Ein leitender Beamter beschrieb die örtliche Szene seinerzeit als "harten Kern" von circa 30. Personen. Die Akteure sollen sich (Stand 2016) auf "drei bis vier Fraktionen" verteilt haben, die allerdings nicht dauerhaft auf eine bestimmte Gruppierung abonniert zu sein schienen: Eine Rocker-Regel, die besagt, dass ein Mitglied niemals die Kutte wechselt, sondern dem eigenen Klub ewig die Treue hält, galt in Cuxhaven offenbar nur noch bedingt. Deswegen machten zwischen 2013 und 2017 die Namen unterschiedlicher Rocker- beziehungsweise Unterstützergruppen die Runde, wobei die Halbwertszeit einiger dieser neu entstandenen Chapters begrenzt blieb.
Einziger niedersächsischer Ableger des Satudarah MC in Cuxhaven
Dafür sorgte in mindestens einem Fall der Staat selbst: Nachdem der Satudarah MC von behördlicher Seite als kriminell eingestuft worden war, verbot der damalige Innenminister Thomas de Maizière den Verein mit all seinen über das Bundesgebiet verteilten Teilorganisationen. "Zweck und Tätigkeit" des Satudarah MC laufe den Strafgesetzen zuwider, hieß es in der Verbotsbegründung, in welcher explizit auch der Name der Cuxhavener Ortsgruppe genannt wurde: Das Satudarah-Chapter "Northside" war im Jahr 2013 als einziger Ableger des Klubs in Niedersachsen aufgeploppt. Mutmaßliche Mitglieder oder Unterstützer im Cuxhavener Raum bekamen nun (im Februar 2015) Besuch von der Polizei.

Erst "United Tribunes", dann "Golden Brothers"
Trotz Restriktionen gab es in der Szene weitere Aktivitäten: Auf "United Tribunes" folgte die "Golden Brothers"; 2016 wurde ein lokaler Ableger des Bandidos MC gegründet. Der Name Cuxhavens findet sich bis heute auf der Webpräsenz der Bandidos-Muttergruppierung.

Geschichte ist dagegen eine Ortsgruppe des als nicht minder gefährlich beschriebenen Mongols MC. Dessen in Schwarzweiß gehaltene Rücken-Aufnäher waren drei Jahre zuvor im Stadtbild aufgetaucht - und zwar noch bevor sich eine Cuxhavener Ortsgruppe, der Mongols MC "North Coast" herausbildete. Das Chapter gab im Dezember 2014 "mit sofortiger Wirkung" seine Auflösung bekannt.
Mehrere Cuxhavener bei "Mongols"-Prozess angeklagt
Zu diesem Zeitpunkt lief vor dem Landgericht Stade bereits ein unter hohen Sicherheitsvorkehrungen gestarteter Rockerprozess. Auf der Anklagebank - es ging um versuchten Totschlag - saßen sechs Männer, die den "Mongols" oder deren Unterstützerkreis zugerechnet wurden. Die Beschuldigten, darunter mehrere Cuxhavener, sollen Teil einer Gruppe gewesen sein, die auf einer Biker-Party in Freiburg/Elbe das Festzelt gestürmt hatte. Gemäß der Staatsanwaltschaft wurden zielgerichtet vier Personen attackiert. Drei der zum Teil schwer verletzten Opfer gehörten dem Gremium MC Stade an - dem Vernehmen nach.

Eine Gerichtssprecherin hatte im vorliegenden Fall keine Klub-Zugehörigkeiten genannt, sondern allgemeiner von einem Bereich, "der eventuell dem organisierten Verbrechen zuzuordnen ist" gesprochen. Eine Einschätzung, die sich in einem massiven Polizeiaufgebot widerspiegelte: Nicht nur vor, auch im Gerichtsgebäude selbst hatten sich am Tag des Verhandlungsauftakts bewaffnete und mit Sturmhauben maskierte Einsatzkräfte positioniert.
Aufeinandertreffen im öffentlichen Raum
Mit einem großen Aufgebot reagierte die Polizei auch an anderer Stelle - immer dann nämlich, wenn zu befürchten stand, dass rivalisierende Rockergruppen im öffentlichen Raum aufeinandertreffen und ihre Einflussbereiche abstecken würden. So wurde im Jahr 2009 das Cuxhavener Hafengebiet über Stunden hinweg abgeriegelt, um einen mutmaßlichen Showdown zwischen Gremium-Mitgliedern und Angehörigen der seinerzeit in der Kleinen Hardewiek niedergelassenen Red Devils (sie gelten als Hells Angels-Unterstützer) zu vereiteln. Auf dem Weihnachtsmarkt am Schloss erließ die Stadt aus gleichem Grund ein vorübergehend geltendes Kuttenverbot.
Behörden sprechen von Verteilungskämpfen
Fehden in der Szene interpretieren die Behörden als Revier- oder Verteilungskämpfe. Bei den sogenannten "Outlaw Motorcycle Gangs" geht es nach Angaben von Strafverfolgern nicht um Freiheit und Abenteuer. Sondern um Türen (von Nachtlokalen), um Rotlicht und um Drogen, die im großen Stil und teils über Landesgrenzen hinweg vertickt werden.
Solche Deals liefen ebenfalls unter Beteiligung heimischer Rocker: 2017 teilte die Staatsanwaltschaft mit, einen seinerzeit 30-jährigen Cuxhavener an die finnischen Behörden ausgeliefert zu haben. Der Vorwurf lautete auf Handel mit Amphetamin-Öl für den nordeuropäischen (Schwarz)-Markt. Bei dem Beschuldigten handelte es sich nach Angaben eines Sprechers um einen der Beklagten aus dem "Mongols"-Prozess.